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Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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für einzelne griechische Localmundarten nachweisbaren For-
men thigon, labon ebenso gedeutet, also für aus jenem nur für
die Ursprache vorausgesetzten am entstanden ausgegeben wer-
den, so sieht man, wie dünn diese Gespinnste sind, für deren
Aufstellung ich übrigens den Scharfsinn und das anregende der
Darstellung nicht verkennen will. Osthoff in seiner Geschichte
des Perfects S. 324--390 glaubt, eine neue Erklärung für das
griechische Perfectum mit k geben zu können und zwar wie-
derum mit Hülfe einer Partikel. Die Endung ka soll nichts
andres sein als die längst bekannte, jedermann geläufige Par-
tikel ke, ken, wofür bekanntlich auch die mundartliche Form
ka oder kan erwiesen ist. dedoka wäre also nichts andres als
dedo + ka (= ken). Aus der Geschichte des Perfects auf ka
ist längst festgestellt, dass diese Bildungsweise bei Homer erst
im Entstehen begriffen ist. Sie muss folglich auch aus dem
Griechischen selbst erklärt werden. Und wer hier mit einer
Partikel ka operirt, der hat zu zeigen, dass diese Anwendung
der bekannten Partikel sich vereinigen lässt mit dem, was wir
über den griechischen Gebrauch derselben wissen. Auch ver-
sucht Osthoff diese Forderung zu erfüllen. Trotz allem aber,
was er über einzelne seltnere Gebrauchsweisen von ken bei
Homer vorbringt, hat er nicht erwiesen, dass die herrschende
Meinung, ken sei so gut wie an eine Partikel zum Ausdruck
des eventuellen oder des bedingten, irgendwie zu berichtigen
sei. Keine Verbalform hat mit dieser Bedeutung weniger ge-
mein, als der Indicativ des Perfects nach seiner festen, im
Griechischen von Anfang an ausgeprägten Anwendung auf eine
in der Gegenwart abgeschlossene Thatsache, und es ist eine
kühne Behauptung, wenn Osthoff S. 346 sagt: "Dass uns kein
Beispiel des Indicativs des Perfects mit der (unverschmolzenen)
Partikel ken bei Homer begegnen will, ist zum Theil gewiss
wohl
als eine Sache des Zufalls zu betrachten". Auch mit
der Annahme, die Partikel ken, ka entspreche dem sanskriti-
schen Substantiv cam "Heil", "Wohl" -- von wo dann zu

für einzelne griechische Localmundarten nachweisbaren For-
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die Ursprache vorausgesetzten am entstanden ausgegeben wer-
den, so sieht man, wie dünn diese Gespinnste sind, für deren
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Darstellung nicht verkennen will. Osthoff in seiner Geschichte
des Perfects S. 324—390 glaubt, eine neue Erklärung für das
griechische Perfectum mit κ geben zu können und zwar wie-
derum mit Hülfe einer Partikel. Die Endung κα soll nichts
andres sein als die längst bekannte, jedermann geläufige Par-
tikel κέ, κέν, wofür bekanntlich auch die mundartliche Form
κᾰ́ oder κᾱ́ erwiesen ist. δέδωκα wäre also nichts andres als
δέδω + κα (= κέν). Aus der Geschichte des Perfects auf κα
ist längst festgestellt, dass diese Bildungsweise bei Homer erst
im Entstehen begriffen ist. Sie muss folglich auch aus dem
Griechischen selbst erklärt werden. Und wer hier mit einer
Partikel κα operirt, der hat zu zeigen, dass diese Anwendung
der bekannten Partikel sich vereinigen lässt mit dem, was wir
über den griechischen Gebrauch derselben wissen. Auch ver-
sucht Osthoff diese Forderung zu erfüllen. Trotz allem aber,
was er über einzelne seltnere Gebrauchsweisen von κέν bei
Homer vorbringt, hat er nicht erwiesen, dass die herrschende
Meinung, κέν sei so gut wie ἄν eine Partikel zum Ausdruck
des eventuellen oder des bedingten, irgendwie zu berichtigen
sei. Keine Verbalform hat mit dieser Bedeutung weniger ge-
mein, als der Indicativ des Perfects nach seiner festen, im
Griechischen von Anfang an ausgeprägten Anwendung auf eine
in der Gegenwart abgeschlossene Thatsache, und es ist eine
kühne Behauptung, wenn Osthoff S. 346 sagt: „Dass uns kein
Beispiel des Indicativs des Perfects mit der (unverschmolzenen)
Partikel κέν bei Homer begegnen will, ist zum Theil gewiss
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[152/0160] für einzelne griechische Localmundarten nachweisbaren For- men θίγον, λάβον ebenso gedeutet, also für aus jenem nur für die Ursprache vorausgesetzten am entstanden ausgegeben wer- den, so sieht man, wie dünn diese Gespinnste sind, für deren Aufstellung ich übrigens den Scharfsinn und das anregende der Darstellung nicht verkennen will. Osthoff in seiner Geschichte des Perfects S. 324—390 glaubt, eine neue Erklärung für das griechische Perfectum mit κ geben zu können und zwar wie- derum mit Hülfe einer Partikel. Die Endung κα soll nichts andres sein als die längst bekannte, jedermann geläufige Par- tikel κέ, κέν, wofür bekanntlich auch die mundartliche Form κᾰ́ oder κᾱ́ erwiesen ist. δέδωκα wäre also nichts andres als δέδω + κα (= κέν). Aus der Geschichte des Perfects auf κα ist längst festgestellt, dass diese Bildungsweise bei Homer erst im Entstehen begriffen ist. Sie muss folglich auch aus dem Griechischen selbst erklärt werden. Und wer hier mit einer Partikel κα operirt, der hat zu zeigen, dass diese Anwendung der bekannten Partikel sich vereinigen lässt mit dem, was wir über den griechischen Gebrauch derselben wissen. Auch ver- sucht Osthoff diese Forderung zu erfüllen. Trotz allem aber, was er über einzelne seltnere Gebrauchsweisen von κέν bei Homer vorbringt, hat er nicht erwiesen, dass die herrschende Meinung, κέν sei so gut wie ἄν eine Partikel zum Ausdruck des eventuellen oder des bedingten, irgendwie zu berichtigen sei. Keine Verbalform hat mit dieser Bedeutung weniger ge- mein, als der Indicativ des Perfects nach seiner festen, im Griechischen von Anfang an ausgeprägten Anwendung auf eine in der Gegenwart abgeschlossene Thatsache, und es ist eine kühne Behauptung, wenn Osthoff S. 346 sagt: „Dass uns kein Beispiel des Indicativs des Perfects mit der (unverschmolzenen) Partikel κέν bei Homer begegnen will, ist zum Theil gewiss wohl als eine Sache des Zufalls zu betrachten“. Auch mit der Annahme, die Partikel κέν, κά entspreche dem sanskriti- schen Substantiv c̹am „Heil“, „Wohl“ — von wo dann zu

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Zitationshilfe: Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/curtius_sprachforschung_1885/160>, abgerufen am 24.11.2024.