Curtius, Georg: Zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.IV.
Unleugbar bringt man in neuerer Zeit den Untersuchungen IV.
Unleugbar bringt man in neuerer Zeit den Untersuchungen <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0138" n="[130]"/> <div n="1"> <head>IV.</head> <epigraph> <p> <foreign xml:lang="lat">Est quodam prodire tenus, si non datur ultra.</foreign> </p> </epigraph> <p>Unleugbar bringt man in neuerer Zeit den Untersuchungen<lb/> über die Entstehung der ursprachlichen Formen ein viel grös-<lb/> seres Misstrauen entgegen als früher. Von manchen Seiten<lb/> wird sogar mit einem gewissen Selbstbewusstsein die ars ne-<lb/> sciendi gerühmt, mit welcher man jetzt Fragen behandle, die<lb/> früher mit grosser Zuversicht in Angriff genommen wurden.<lb/> Es genügt in dieser Beziehung auf Delbrück's Einleitung<lb/> 2. Aufl. S. 57 und auf Joh. Schmidt Ztschr. XXIV S. 321 zu<lb/> verweisen. Selbst der italienische Gelehrte d'Ovidio „<foreign xml:lang="ita">d'un re-<lb/> cente libro di Delbrück</foreign>“ S. 33, obwohl sonst mehrfach von den<lb/> neueren Ansichten abweichend, äussert sich über diesen Punkt<lb/> folgendermassen: <quote>„<foreign xml:lang="ita">Codesto genere di speculazioni e di con-<lb/> gettare sopra, quasi direi, le prime cellule della grammatica<lb/> ariana lasciano sempre il lettore molto perplesso</foreign>“</quote>. Am wei-<lb/> testen geht Joh. Schmidt am erwähnten Orte, indem er es<lb/> geradezu ablehnt, den „begrifflichen Werth“ der an die so-<lb/> genannten Wurzeln gefügten formativen Elemente zu erklären.<lb/> Wie weit es möglich ist, ohne solche Untersuchungen, die<lb/> man oft glottogonische genannt hat, besser aber als morpho-<lb/> gonische bezeichnen wird, auszukommen, und welche Mittel<lb/> wir besitzen, um auch auf diesem Gebiete wenigstens etwas<lb/> zu erreichen, das wird uns nachher beschäftigen. Gleich hier<lb/> aber mag bemerkt werden, dass jene Abneigung gegen die<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [[130]/0138]
IV. Est quodam prodire tenus, si non datur ultra.
Unleugbar bringt man in neuerer Zeit den Untersuchungen
über die Entstehung der ursprachlichen Formen ein viel grös-
seres Misstrauen entgegen als früher. Von manchen Seiten
wird sogar mit einem gewissen Selbstbewusstsein die ars ne-
sciendi gerühmt, mit welcher man jetzt Fragen behandle, die
früher mit grosser Zuversicht in Angriff genommen wurden.
Es genügt in dieser Beziehung auf Delbrück's Einleitung
2. Aufl. S. 57 und auf Joh. Schmidt Ztschr. XXIV S. 321 zu
verweisen. Selbst der italienische Gelehrte d'Ovidio „d'un re-
cente libro di Delbrück“ S. 33, obwohl sonst mehrfach von den
neueren Ansichten abweichend, äussert sich über diesen Punkt
folgendermassen: „Codesto genere di speculazioni e di con-
gettare sopra, quasi direi, le prime cellule della grammatica
ariana lasciano sempre il lettore molto perplesso“. Am wei-
testen geht Joh. Schmidt am erwähnten Orte, indem er es
geradezu ablehnt, den „begrifflichen Werth“ der an die so-
genannten Wurzeln gefügten formativen Elemente zu erklären.
Wie weit es möglich ist, ohne solche Untersuchungen, die
man oft glottogonische genannt hat, besser aber als morpho-
gonische bezeichnen wird, auszukommen, und welche Mittel
wir besitzen, um auch auf diesem Gebiete wenigstens etwas
zu erreichen, das wird uns nachher beschäftigen. Gleich hier
aber mag bemerkt werden, dass jene Abneigung gegen die
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