Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Die patriotische Pflicht der Parteinahme. solche Fesselung gefallen lassen und sich nach den Paragraphenakademischer Compendien richten! Vor solchen Verirrungen bewahrt der geschichtliche Sinn, Zwischen Volksgenossen, sagt Plato, kann kein Krieg statt¬ 22*
Die patriotiſche Pflicht der Parteinahme. ſolche Feſſelung gefallen laſſen und ſich nach den Paragraphenakademiſcher Compendien richten! Vor ſolchen Verirrungen bewahrt der geſchichtliche Sinn, Zwiſchen Volksgenoſſen, ſagt Plato, kann kein Krieg ſtatt¬ 22*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0355" n="339"/><fw place="top" type="header">Die patriotiſche Pflicht der Parteinahme.<lb/></fw> ſolche Feſſelung gefallen laſſen und ſich nach den Paragraphen<lb/> akademiſcher Compendien richten!</p><lb/> <p>Vor ſolchen Verirrungen bewahrt der geſchichtliche Sinn,<lb/> deſſen treue Pflege eine der wichtigſten Aufgaben unſerer Uni¬<lb/> verſitäten iſt. Der geſchichtliche Sinn duldet keine ungerechte<lb/> Leidenſchaftlichkeit, er macht die ſchlimmſten aller Parteirich¬<lb/> tungen unmöglich, nämlich diejenigen, welche abſtracte Grund¬<lb/> ſätze ohne Rückſicht auf die gegebenen Verhältniſſe mit zähem<lb/> Starrſinn durchführen wollen; er behütet uns vor den Ge¬<lb/> fahren, welche das Feſthalten überwundener Parteiſtandpunkte<lb/> der Staatsgemeinſchaft bringt, er verhindert die Trennung des<lb/> Alters und der Jugend in ihrer Auffaſſung der Zeit, eine<lb/> Trennung, welche nach beiden Seiten nachtheilig wirkt; er lenkt<lb/> unſern Blick von den Nebenpunkten auf die Hauptſache, er<lb/> zeigt uns die Bedürfniſſe des Volks und die Ziele, zu welchen<lb/> ſeine Entwickelung drängt; er läßt uns in den Wegen, welche<lb/> ſie nimmt, auch wenn ſie mit unſeren Wünſchen nicht über¬<lb/> einſtimmen, eine höhere Leitung erkennen, welcher wir uns<lb/> nicht in thörichtem Hochmuth widerſetzen, auch nicht mißmuthig<lb/> fügen, ſondern welcher wir mit Selbſtverläugnung dienen und<lb/> förderlich ſein ſollen mit allen Kräften, die uns Gott gegeben<lb/> hat. Der wahrhaft geſchichtliche Sinn iſt auch immer der<lb/> vaterländiſche Sinn, und wo dieſe zuſammen an einer Uni¬<lb/> verſität blühen, da wird ſie die richtige Stellung im Kampfe<lb/> der Parteien einnehmen.</p><lb/> <p>Zwiſchen Volksgenoſſen, ſagt Plato, kann kein Krieg ſtatt¬<lb/> finden, ſondern nur ein Bürgerzwiſt, aus welchem ſie, wenn<lb/> auch nach blutigen Auseinanderſetzungen, zum Bewußtſein der<lb/> Gemeinſchaft zurückkehren. Wie viel mehr muß in dem enge¬<lb/> ren Kreiſe von Männern, welche in ſich die Volksgemeinde<lb/> vertreten, wenn ſie Alle das Ganze im Auge haben, nach jedem<lb/> Auseinandergehen, wie es in bewegter Zeit unvermeidlich iſt,<lb/> ſich immer wieder die wahre Einheit herſtellen, die Lebens¬<lb/> bedingung ihres gedeihlichen Zuſammenwirkens, namentlich<lb/> an einer Univerſität, welche ſich der beſonderen Pflege des<lb/> geſchichtlichen wie des nationalen Sinns rühmt! Unſerm Volke<lb/> <fw place="bottom" type="sig">22*<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [339/0355]
Die patriotiſche Pflicht der Parteinahme.
ſolche Feſſelung gefallen laſſen und ſich nach den Paragraphen
akademiſcher Compendien richten!
Vor ſolchen Verirrungen bewahrt der geſchichtliche Sinn,
deſſen treue Pflege eine der wichtigſten Aufgaben unſerer Uni¬
verſitäten iſt. Der geſchichtliche Sinn duldet keine ungerechte
Leidenſchaftlichkeit, er macht die ſchlimmſten aller Parteirich¬
tungen unmöglich, nämlich diejenigen, welche abſtracte Grund¬
ſätze ohne Rückſicht auf die gegebenen Verhältniſſe mit zähem
Starrſinn durchführen wollen; er behütet uns vor den Ge¬
fahren, welche das Feſthalten überwundener Parteiſtandpunkte
der Staatsgemeinſchaft bringt, er verhindert die Trennung des
Alters und der Jugend in ihrer Auffaſſung der Zeit, eine
Trennung, welche nach beiden Seiten nachtheilig wirkt; er lenkt
unſern Blick von den Nebenpunkten auf die Hauptſache, er
zeigt uns die Bedürfniſſe des Volks und die Ziele, zu welchen
ſeine Entwickelung drängt; er läßt uns in den Wegen, welche
ſie nimmt, auch wenn ſie mit unſeren Wünſchen nicht über¬
einſtimmen, eine höhere Leitung erkennen, welcher wir uns
nicht in thörichtem Hochmuth widerſetzen, auch nicht mißmuthig
fügen, ſondern welcher wir mit Selbſtverläugnung dienen und
förderlich ſein ſollen mit allen Kräften, die uns Gott gegeben
hat. Der wahrhaft geſchichtliche Sinn iſt auch immer der
vaterländiſche Sinn, und wo dieſe zuſammen an einer Uni¬
verſität blühen, da wird ſie die richtige Stellung im Kampfe
der Parteien einnehmen.
Zwiſchen Volksgenoſſen, ſagt Plato, kann kein Krieg ſtatt¬
finden, ſondern nur ein Bürgerzwiſt, aus welchem ſie, wenn
auch nach blutigen Auseinanderſetzungen, zum Bewußtſein der
Gemeinſchaft zurückkehren. Wie viel mehr muß in dem enge¬
ren Kreiſe von Männern, welche in ſich die Volksgemeinde
vertreten, wenn ſie Alle das Ganze im Auge haben, nach jedem
Auseinandergehen, wie es in bewegter Zeit unvermeidlich iſt,
ſich immer wieder die wahre Einheit herſtellen, die Lebens¬
bedingung ihres gedeihlichen Zuſammenwirkens, namentlich
an einer Univerſität, welche ſich der beſonderen Pflege des
geſchichtlichen wie des nationalen Sinns rühmt! Unſerm Volke
22*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |