Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Die Unfreiheit der alten Welt. nicht unterbrechen, keinen Zwiespalt eintreten zwischen geist¬lichen und weltlichen Gewalten, zwischen dem religiösen und dem staatsrechtlichen Gebiete. Der Gründer Roms war auch der erste Augur der Stadt. Das Königthum wurde aufgehoben, aber die Himmels¬ Nun erhielten die Auspicien wieder eine neue Bedeutung Eine Verfassung, in der solche Vorkehrungen unentbehrlich Curtius, Alterthum. 12
Die Unfreiheit der alten Welt. nicht unterbrechen, keinen Zwieſpalt eintreten zwiſchen geiſt¬lichen und weltlichen Gewalten, zwiſchen dem religiöſen und dem ſtaatsrechtlichen Gebiete. Der Gründer Roms war auch der erſte Augur der Stadt. Das Königthum wurde aufgehoben, aber die Himmels¬ Nun erhielten die Auſpicien wieder eine neue Bedeutung Eine Verfaſſung, in der ſolche Vorkehrungen unentbehrlich Curtius, Alterthum. 12
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Die Unfreiheit der alten Welt.
nicht unterbrechen, keinen Zwieſpalt eintreten zwiſchen geiſt¬
lichen und weltlichen Gewalten, zwiſchen dem religiöſen und
dem ſtaatsrechtlichen Gebiete. Der Gründer Roms war auch
der erſte Augur der Stadt.
Das Königthum wurde aufgehoben, aber die Himmels¬
zeichen, unter denen es gegründet war, blieben, um ohne Bruch
die neue Verfaſſung an die alte anzuknüpfen und auch die
neuen, jährlich wechſelnden, Gemeindevorſtände bei den Göttern
des Staats zu beglaubigen. Der unmittelbare und amtliche
Verkehr mit ihnen war aber nur denen geſtattet, welche voll¬
berechtigte Mitglieder der alten Staatsgemeinſchaft waren.
Sie betrachteten ſich als eine geſchloſſene Gemeinde den Göt¬
tern gegenüber und an keinem Standesvorrechte haben die
Patricier zäher feſtgehalten, auch nachdem mit den Ehren¬
ämtern des Staats der Verkehr mit den Göttern deſſelben den
Neubürgern geſtattet werden mußte.
Nun erhielten die Auſpicien wieder eine neue Bedeutung
im Staatsleben. Sie dienten dazu, das Rangverhältniß der
Staatsämter zu beſtimmen, je nachdem die Inhaber derſelben
in größerem oder geringerem Umfange, in mehr oder minder
feierlicher Weiſe die Götter für die Gemeinde zu befragen
berechtigt waren. Je mehr ſich aber zwiſchen Volk und Senat
der Gegenſatz ſchärfte, um ſo mehr wurden die Auſpicien eine
Waffe des inneren Parteikampfes, eine Schutzwaffe der Regie¬
rungspartei gegen die demokratiſchen Bewegungen, und ihr
Gebrauch in der Weiſe ausgebildet, daß man mit Hülfe eines
Auſpicienberichts jede bedenklich werdende Volksverſammlung
ſprengen, ja ſchon durch Anmeldung einer Himmelsbeobachtung
eine Verſammlung verhindern und ſo die wichtigſten Rechte
des Volks illuſoriſch machen konnte.
Eine Verfaſſung, in der ſolche Vorkehrungen unentbehrlich
ſchienen, um den Freiſtaat zu erhalten, wo ein Parteimittel
dieſer Art von den ſogenannten Wohlgeſinnten in feierlichen
Ausdrücken als eine der ehrwürdigſten Grundfeſten des Staats¬
gebäudes geprieſen werden konnte, gab ſchon dadurch ihre eigene
Hinfälligkeit deutlich zu erkennen. Aber die Auſpicien über¬
Curtius, Alterthum. 12
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