Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Arbeit und Muße. beruf aufgefaßt, galt schon für Unfreiheit, für eine "begränzteSklaverei". Die Pflege der Muße war eine öffentliche Angelegenheit. Auch die bildende Kunst konnte nichts Anmuthenderes dar¬ Ja, die Muße ist der gesegnete Mutterschoß alles dessen, Viele Stämme sind immer auf dem Standpunkte eigen¬ Im Leben der Athener ist aber keine größere Epoche ein¬ Arbeit und Muße. beruf aufgefaßt, galt ſchon für Unfreiheit, für eine »begränzteSklaverei«. Die Pflege der Muße war eine öffentliche Angelegenheit. Auch die bildende Kunſt konnte nichts Anmuthenderes dar¬ Ja, die Muße iſt der geſegnete Mutterſchoß alles deſſen, Viele Stämme ſind immer auf dem Standpunkte eigen¬ Im Leben der Athener iſt aber keine größere Epoche ein¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0170" n="154"/><fw place="top" type="header">Arbeit und Muße.<lb/></fw> beruf aufgefaßt, galt ſchon für Unfreiheit, für eine »begränzte<lb/> Sklaverei«.</p><lb/> <p>Die Pflege der Muße war eine öffentliche Angelegenheit.<lb/> Für die Muße des Volks hat die Architektur die großartigſten<lb/> Werke errichtet, die Theater, Stadien und Hippodrome, die<lb/> parkartigen Gymnaſien und die Marmorhallen an den Märkten,<lb/> wo die Bürger zwiſchen Statuen und hiſtoriſchen Wandgemäl¬<lb/> den in traulichem Geſpräche auf und nieder wandelten.</p><lb/> <p>Auch die bildende Kunſt konnte nichts Anmuthenderes dar¬<lb/> ſtellen, als den Genuß der Muße, ſei es in den Geſtalten der<lb/> Olympier, der »leicht lebenden«, welche in ſeliger Ruhe neben<lb/> einander lagern, oder in der Gemeinſchaft der Bürger an<lb/> ihren großen Jahresfeſten. In Satyrgeſtalten ſtellte ſie die<lb/> niedrige Art der Muße dar, das gedankenloſe Hinträumen im<lb/> Waldesſchatten oder am plätſchernden Brunnen, das <hi rendition="#aq">dolce far<lb/> niente</hi> des ſüdlichen Naturmenſchen, und die höhere Muße in<lb/> der angelehnten Geſtalt des Apollon, deſſen Ausruhen nur die<lb/> geiſtige Sammlung iſt, welcher neue Lieder entkeimen.</p><lb/> <p>Ja, die Muße iſt der geſegnete Mutterſchoß alles deſſen,<lb/> wodurch die Hellenen vorbildlich geworden ſind; ſie iſt die<lb/> nothwendige Vorausſetzung ihrer Geiſtescultur, wie der Mar¬<lb/> mor für ihre Tempel. Aber auch in Griechenland war ein<lb/> großer Unterſchied nach Zeiten und Orten.</p><lb/> <p>Viele Stämme ſind immer auf dem Standpunkte eigen¬<lb/> händiger Landwirthſchaft geblieben, wie die binnenländiſchen<lb/> Peloponneſier. Bei Anderen machte ſich der ſemitiſche Er¬<lb/> werbstrieb in vorherrſchender Weiſe geltend; ſo namentlich in<lb/> Korinth und Aigina. Die richtige Ausgleichung iſt nur in<lb/> Athen ernſtlich erſtrebt und eine Zeitlang einzig gelungen.<lb/> Das zeigt ſchon Solon, der Kaufmann, Dichter, Philoſoph<lb/> und Geſetzgeber.</p><lb/> <p>Im Leben der Athener iſt aber keine größere Epoche ein¬<lb/> getreten, als die ſiegreiche Beendigung der Perſerkriege, und<lb/> zwar deshalb, weil ſie, wie Ariſtoteles ſagt, nach denſelben<lb/> »mehr Muße gewannen«. Von dem Maß der Muße macht<lb/> alſo der große Geſchichtskenner die eigenthümliche Entwickelung<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [154/0170]
Arbeit und Muße.
beruf aufgefaßt, galt ſchon für Unfreiheit, für eine »begränzte
Sklaverei«.
Die Pflege der Muße war eine öffentliche Angelegenheit.
Für die Muße des Volks hat die Architektur die großartigſten
Werke errichtet, die Theater, Stadien und Hippodrome, die
parkartigen Gymnaſien und die Marmorhallen an den Märkten,
wo die Bürger zwiſchen Statuen und hiſtoriſchen Wandgemäl¬
den in traulichem Geſpräche auf und nieder wandelten.
Auch die bildende Kunſt konnte nichts Anmuthenderes dar¬
ſtellen, als den Genuß der Muße, ſei es in den Geſtalten der
Olympier, der »leicht lebenden«, welche in ſeliger Ruhe neben
einander lagern, oder in der Gemeinſchaft der Bürger an
ihren großen Jahresfeſten. In Satyrgeſtalten ſtellte ſie die
niedrige Art der Muße dar, das gedankenloſe Hinträumen im
Waldesſchatten oder am plätſchernden Brunnen, das dolce far
niente des ſüdlichen Naturmenſchen, und die höhere Muße in
der angelehnten Geſtalt des Apollon, deſſen Ausruhen nur die
geiſtige Sammlung iſt, welcher neue Lieder entkeimen.
Ja, die Muße iſt der geſegnete Mutterſchoß alles deſſen,
wodurch die Hellenen vorbildlich geworden ſind; ſie iſt die
nothwendige Vorausſetzung ihrer Geiſtescultur, wie der Mar¬
mor für ihre Tempel. Aber auch in Griechenland war ein
großer Unterſchied nach Zeiten und Orten.
Viele Stämme ſind immer auf dem Standpunkte eigen¬
händiger Landwirthſchaft geblieben, wie die binnenländiſchen
Peloponneſier. Bei Anderen machte ſich der ſemitiſche Er¬
werbstrieb in vorherrſchender Weiſe geltend; ſo namentlich in
Korinth und Aigina. Die richtige Ausgleichung iſt nur in
Athen ernſtlich erſtrebt und eine Zeitlang einzig gelungen.
Das zeigt ſchon Solon, der Kaufmann, Dichter, Philoſoph
und Geſetzgeber.
Im Leben der Athener iſt aber keine größere Epoche ein¬
getreten, als die ſiegreiche Beendigung der Perſerkriege, und
zwar deshalb, weil ſie, wie Ariſtoteles ſagt, nach denſelben
»mehr Muße gewannen«. Von dem Maß der Muße macht
alſo der große Geſchichtskenner die eigenthümliche Entwickelung
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