Curtius, Ernst: Alterthum und Gegenwart. Gesammelte Reden und Vorträge. Bd. 1. Berlin, 1875.Die öffentliche Pflege von Wissenschaft und Kunst. durch immer neue und zwingendere Fragestellungen ihr Ge¬heimniß abzugewinnen. Die geschichtliche Forschung ist um so schwieriger ge¬ Diese Aufgabe konnte den hellenistischen Fürsten nicht in Zeigt denn nicht jedes Jahr von Neuem, wie viel von Bedarf doch die Alterthumswissenschaft, welche eine Reihe Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt. durch immer neue und zwingendere Frageſtellungen ihr Ge¬heimniß abzugewinnen. Die geſchichtliche Forſchung iſt um ſo ſchwieriger ge¬ Dieſe Aufgabe konnte den helleniſtiſchen Fürſten nicht in Zeigt denn nicht jedes Jahr von Neuem, wie viel von Bedarf doch die Alterthumswiſſenſchaft, welche eine Reihe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0143" n="127"/><fw place="top" type="header">Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt.<lb/></fw> durch immer neue und zwingendere Frageſtellungen ihr Ge¬<lb/> heimniß abzugewinnen.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">geſchichtliche</hi> Forſchung iſt um ſo ſchwieriger ge¬<lb/> worden, je maſſenhafter das Erbgut ſich angeſammelt hat,<lb/> welches wir anzutreten berufen ſind. Um ſo nothwendiger<lb/> iſt die umfaſſende Sammlung aller ſchriftlichen und bildlichen<lb/> Denkmäler der Vergangenheit, die Aufräumung des Schutts,<lb/> welcher den Boden der alten Cultur deckt, aber auch — die<lb/> Aufdeckung des Verſchütteten.</p><lb/> <p>Dieſe Aufgabe konnte den helleniſtiſchen Fürſten nicht in<lb/> den Sinn kommen, weil ſie neben den wohl erhaltenen Denk¬<lb/> mälern der klaſſiſchen Zeit die eigenen Werke aufrichteten.<lb/> An uns aber tritt ſie immer dringender heran, wenn ſie auch<lb/> bis heute noch nicht die ihrer Bedeutung entſprechende Be¬<lb/> rückſichtigung gefunden hat.</p><lb/> <p>Zeigt denn nicht jedes Jahr von Neuem, wie viel von<lb/> dem Vermächtniſſe des Alterthums noch in der Tiefe des<lb/> Bodens ruht, über den man ſo gedankenlos hinwegging, und<lb/> zwar nicht nur unter der Aſchendecke der Vulcane, ſondern<lb/> auch unter Erde und Kies, womit Flüſſe, wie der Alpheios,<lb/> die anliegenden Tempelhaine vorſichtig zugedeckt haben? Iſt<lb/> es recht, daß wir edle Werke des menſchlichen Geiſtes im<lb/> Schoße der Erde liegen und verderben laſſen? Würden wir<lb/> ſo gleichgültig ſein, wenn wir alte Schriftrollen wenig Fuß<lb/> unter der Oberfläche geborgen wüßten und ſind helleniſche<lb/> Denkmäler von Erz und Stein weniger werth?</p><lb/> <p>Bedarf doch die Alterthumswiſſenſchaft, welche eine Reihe<lb/> von Aufgaben ſo weit gelöſt hat, als es der Beſtand der<lb/> Ueberlieferung geſtattet, ſo dringend neues Materials, um mit<lb/> den andern Wiſſenſchaften, welche in Herbeiſchaffung des<lb/> Materials unabhängiger geſtellt ſind, Schritt halten zu können!<lb/> Hier iſt Kunſt und Wiſſenſchaft mit gleichmäßigem Intereſſe<lb/> betheiligt. Hier ſind bei richtigem Zuſammenwirken der dem<lb/> Staat verfügbaren Kräfte mit mäßigem Aufwande die wich¬<lb/> tigſten Ergebniſſe zu erzielen, hier bieten ſich auch unſerm<lb/> Staate die ruhmvollſten Friedenswerke dar.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [127/0143]
Die öffentliche Pflege von Wiſſenſchaft und Kunſt.
durch immer neue und zwingendere Frageſtellungen ihr Ge¬
heimniß abzugewinnen.
Die geſchichtliche Forſchung iſt um ſo ſchwieriger ge¬
worden, je maſſenhafter das Erbgut ſich angeſammelt hat,
welches wir anzutreten berufen ſind. Um ſo nothwendiger
iſt die umfaſſende Sammlung aller ſchriftlichen und bildlichen
Denkmäler der Vergangenheit, die Aufräumung des Schutts,
welcher den Boden der alten Cultur deckt, aber auch — die
Aufdeckung des Verſchütteten.
Dieſe Aufgabe konnte den helleniſtiſchen Fürſten nicht in
den Sinn kommen, weil ſie neben den wohl erhaltenen Denk¬
mälern der klaſſiſchen Zeit die eigenen Werke aufrichteten.
An uns aber tritt ſie immer dringender heran, wenn ſie auch
bis heute noch nicht die ihrer Bedeutung entſprechende Be¬
rückſichtigung gefunden hat.
Zeigt denn nicht jedes Jahr von Neuem, wie viel von
dem Vermächtniſſe des Alterthums noch in der Tiefe des
Bodens ruht, über den man ſo gedankenlos hinwegging, und
zwar nicht nur unter der Aſchendecke der Vulcane, ſondern
auch unter Erde und Kies, womit Flüſſe, wie der Alpheios,
die anliegenden Tempelhaine vorſichtig zugedeckt haben? Iſt
es recht, daß wir edle Werke des menſchlichen Geiſtes im
Schoße der Erde liegen und verderben laſſen? Würden wir
ſo gleichgültig ſein, wenn wir alte Schriftrollen wenig Fuß
unter der Oberfläche geborgen wüßten und ſind helleniſche
Denkmäler von Erz und Stein weniger werth?
Bedarf doch die Alterthumswiſſenſchaft, welche eine Reihe
von Aufgaben ſo weit gelöſt hat, als es der Beſtand der
Ueberlieferung geſtattet, ſo dringend neues Materials, um mit
den andern Wiſſenſchaften, welche in Herbeiſchaffung des
Materials unabhängiger geſtellt ſind, Schritt halten zu können!
Hier iſt Kunſt und Wiſſenſchaft mit gleichmäßigem Intereſſe
betheiligt. Hier ſind bei richtigem Zuſammenwirken der dem
Staat verfügbaren Kräfte mit mäßigem Aufwande die wich¬
tigſten Ergebniſſe zu erzielen, hier bieten ſich auch unſerm
Staate die ruhmvollſten Friedenswerke dar.
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