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Cundisius, Gottfried: Der Geistreiche Prophet Haggaj. Leipzig, 1648.

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Die zwölffte Predigt/
des helligen Geistes/ und an wahrer Gottesfurcht fehlete. Wie
solten sie auch nicht unrein seyn/ weil sie den Heilbrunnen aus
den Augen setzten? Wenn man im Opffern nicht auff den sahe/ der
Ebr. 9, 14.künfftig reinigen würde von den to dien Wercken/ Ebr. 9. v. 14.
so war alles verlohren.

USUS
1.

Lernet hieraus 1. daß die Verderbung der menschlichen Natur/
darein wir durch den Fall unserer ersten Eltern gerathen sind/ nicht
allein in Welt-händeln sondern auch/ und zwar vornemlich/ in sol-
chen Sachen/ die zum Gottesdienst gehören/ sich blicken lasse.
Wir haben hiebevor vernommen/ wie die Jüden seynd säumig ge-
wesen in dem Tempelbaw/ und wie GOtt der HErr durch den Pro-
pheten Haggai dar zu hat angetrieben. Als derselbige sie auff ei-
nen guten Weg gebracht/ daß sie Hand angeleget/ und allbereit et-
was am Hause Gottes ver[f]ertiget/ haben sie auff der andern Seite
verstossen/ in dem sie zwar viel Opffer g[e]bracht/ aber doch keine An-
dacht darbey gehabt/ oder allzusehr auff das blosse eusserliche Werck
sich verlassen. Das lesset ihnen der Allerhöchste verweisen/ und
sie zur Schuldigkeit durch seinen Diener anmahnen. Es lieget
auch viel hieran/ und ist eben das jenige/ welches die Prediger täglich
treiben/ und denen Leuten täglich einblewen müssen. Noch heu-
tiges Tages sind (leider) ihrer viel/ die nur auff den Schein in die
Kirche gehen/ in den Beichtstul sich finden/ und das hochwürdige
Abendmahl gebrauchen: Sie reden zuweilen von geistlichen Sa-
chen/ aber wie ein Psittig oder Pappagey: sie singen/ und wissen nicht/
was sie lassen erklingen/ es ist weder Andacht/ weder Glaube/ noch
Liebe in und bey ihnen. Sie sind wie die übertünchten Grä-
Matth. 23
Gen.
4.
ber Matth. 23. Wie Cain/ der auff sein feistes Opffer sich verließ
Gen. 4. Wie die Aepffel am See Asphaltide/ welche auswen-
dig schöne Farben/ und eine feine Gestalt haben: eröffnet man sie a-
ber/ so fellet eitel Asche heraus. Also heisset es recht mit den Schein-
Psal. 5, 20.und Maul-Christen: Jhr Jnwendiges ist Hertzeleyd. Psal. 5.
v. 10. Des Tages/ an welchem Julius Caesar auff dem Rathhause

zu

Die zwoͤlffte Predigt/
des helligen Geiſtes/ und an wahrer Gottesfurcht fehlete. Wie
ſolten ſie auch nicht unrein ſeyn/ weil ſie den Heilbrunnen aus
den Augen ſetzten? Wenn man im Opffern nicht auff den ſahe/ der
Ebr. 9, 14.kuͤnfftig reinigen wuͤrde von den to dien Wercken/ Ebr. 9. v. 14.
ſo war alles verlohren.

USUS
1.

Lernet hieraus 1. daß die Verderbung der menſchlichen Natur/
darein wir durch den Fall unſerer erſten Eltern gerathen ſind/ nicht
allein in Welt-händeln ſondern auch/ und zwar vornemlich/ in ſol-
chen Sachen/ die zum Gottesdienſt gehoͤren/ ſich blicken laſſe.
Wir haben hiebevor vernommen/ wie die Jüden ſeynd ſaͤumig ge-
weſen in dem Tempelbaw/ und wie GOtt der HErr durch den Pro-
pheten Haggai dar zu hat angetrieben. Als derſelbige ſie auff ei-
nen guten Weg gebracht/ daß ſie Hand angeleget/ und allbereit et-
was am Hauſe Gottes ver[f]ertiget/ haben ſie auff der andern Seite
verſtoſſen/ in dem ſie zwar viel Opffer g[e]bracht/ aber doch keine An-
dacht darbey gehabt/ oder allzuſehr auff das bloſſe euſſerliche Werck
ſich verlaſſen. Das leſſet ihnen der Allerhoͤchſte verweiſen/ und
ſie zur Schuldigkeit durch ſeinen Diener anmahnen. Es lieget
auch viel hieran/ und iſt eben das jenige/ welches die Prediger taͤglich
treiben/ und denen Leuten taͤglich einblewen muͤſſen. Noch heu-
tiges Tages ſind (leider) ihrer viel/ die nur auff den Schein in die
Kirche gehen/ in den Beichtſtul ſich finden/ und das hochwuͤrdige
Abendmahl gebrauchen: Sie reden zuweilen von geiſtlichen Sa-
chen/ aber wie ein Pſittig oder Pappagey: ſie ſingen/ und wiſſẽ nicht/
was ſie laſſen erklingen/ es iſt weder Andacht/ weder Glaube/ noch
Liebe in und bey ihnen. Sie ſind wie die uͤbertuͤnchten Graͤ-
Matth. 23
Gen.
4.
ber Matth. 23. Wie Cain/ der auff ſein feiſtes Opffer ſich verließ
Gen. 4. Wie die Aepffel am See Aſphaltide/ welche auswen-
dig ſchoͤne Farben/ und eine feine Geſtalt haben: eroͤffnet man ſie a-
ber/ ſo fellet eitel Aſche heraus. Alſo heiſſet es recht mit den Schein-
Pſal. 5, 20.und Maul-Chriſten: Jhr Jnwendiges iſt Hertzeleyd. Pſal. 5.
v. 10. Des Tages/ an welchem Julius Cæſar auff dem Rathhauſe

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[228/0248] Die zwoͤlffte Predigt/ des helligen Geiſtes/ und an wahrer Gottesfurcht fehlete. Wie ſolten ſie auch nicht unrein ſeyn/ weil ſie den Heilbrunnen aus den Augen ſetzten? Wenn man im Opffern nicht auff den ſahe/ der kuͤnfftig reinigen wuͤrde von den to dien Wercken/ Ebr. 9. v. 14. ſo war alles verlohren. Ebr. 9, 14. Lernet hieraus 1. daß die Verderbung der menſchlichen Natur/ darein wir durch den Fall unſerer erſten Eltern gerathen ſind/ nicht allein in Welt-händeln ſondern auch/ und zwar vornemlich/ in ſol- chen Sachen/ die zum Gottesdienſt gehoͤren/ ſich blicken laſſe. Wir haben hiebevor vernommen/ wie die Jüden ſeynd ſaͤumig ge- weſen in dem Tempelbaw/ und wie GOtt der HErr durch den Pro- pheten Haggai dar zu hat angetrieben. Als derſelbige ſie auff ei- nen guten Weg gebracht/ daß ſie Hand angeleget/ und allbereit et- was am Hauſe Gottes verfertiget/ haben ſie auff der andern Seite verſtoſſen/ in dem ſie zwar viel Opffer gebracht/ aber doch keine An- dacht darbey gehabt/ oder allzuſehr auff das bloſſe euſſerliche Werck ſich verlaſſen. Das leſſet ihnen der Allerhoͤchſte verweiſen/ und ſie zur Schuldigkeit durch ſeinen Diener anmahnen. Es lieget auch viel hieran/ und iſt eben das jenige/ welches die Prediger taͤglich treiben/ und denen Leuten taͤglich einblewen muͤſſen. Noch heu- tiges Tages ſind (leider) ihrer viel/ die nur auff den Schein in die Kirche gehen/ in den Beichtſtul ſich finden/ und das hochwuͤrdige Abendmahl gebrauchen: Sie reden zuweilen von geiſtlichen Sa- chen/ aber wie ein Pſittig oder Pappagey: ſie ſingen/ und wiſſẽ nicht/ was ſie laſſen erklingen/ es iſt weder Andacht/ weder Glaube/ noch Liebe in und bey ihnen. Sie ſind wie die uͤbertuͤnchten Graͤ- ber Matth. 23. Wie Cain/ der auff ſein feiſtes Opffer ſich verließ Gen. 4. Wie die Aepffel am See Aſphaltide/ welche auswen- dig ſchoͤne Farben/ und eine feine Geſtalt haben: eroͤffnet man ſie a- ber/ ſo fellet eitel Aſche heraus. Alſo heiſſet es recht mit den Schein- und Maul-Chriſten: Jhr Jnwendiges iſt Hertzeleyd. Pſal. 5. v. 10. Des Tages/ an welchem Julius Cæſar auff dem Rathhauſe zu Matth. 23 Gen. 4. Pſal. 5, 20.

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Zitationshilfe: Cundisius, Gottfried: Der Geistreiche Prophet Haggaj. Leipzig, 1648, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cundisius_predigten_1648/248>, abgerufen am 23.11.2024.