Cubach, Michael: Einer gläubigen und andächtigen Seelen vermehrtes tägliches Bet- Buß- Lob- Und Danck-Opffer. Leipzig, 1699.Gebet eines Menschen/ der nicht wol etc. sest/ dir ist nichts gleich. Ich wil sie verkündigen/ unddavon sagen/ wiewol sie nicht zu zehlen sind. Deine Hände haben mich gearbeitet und gemacht alles/ was ich umb und umb bin: Du hast mir gegeben Vernunfft und Sprache/ Augen/ Ohren/ Verstand und Erkäntniß/ daß ich meinen Mund aufthue/ und meine Zunge redet in meinem Munde/ das habe ich dir zu dancken/ daß ich mit meinen Zähnen die Speise geniessen/ und mich bißher damit sättigen können/ das habe ich auch von dir. Ach HErr/ es ist zwar nicht eine geringe Straffe/ wenn du müßige Zähne giebest und Mangel an Brod an allen Orten: Aber es ist auch nicht ein gering Gebrechen des Alters/ wenn du einem sein täglich Brod giebest/ er aber die Krafft nicht hat solches zu geniessen. Es ist eben wie die Speise/ die bey eines Toden Grab gesetzet wird/ und was ist dem Götzen das Opffer nütz/ kan er doch weder essen noch riechen? So ists mit uns alten Leuten auch/ wenn die Zähne dahin fallen/ wir kön- nen unsere Speise nicht mehr geniessen/ es stehen müßig die Müller/ daß ihrer so wenig worden ist. Ja die Stimme fället auch dahin/ daß wir seyn müs- sen/ wie einer der nicht höret/ und der keine Widerre- de in seinem Munde hat. Nun HERR/ du weis- sest alle unsere Gebrechen/ du kennest/ was für ein Gemächt wir seyn/ du gedenck est selbst daran/ daß wir alt und gebrechlich sind. Verleihe gnädiglich/ daß wir solches mit Gedult von deiner Hand neh- men/ und erkennen/ daß ohne dein Wissen nicht ein Härlein noch Beinlein von unserm Leib hinweg fallen kan/ und was dahin fället/ uns doch wie- der werden müsse. Denn du bewahrest all unsere Gebeine/ daß deren nicht eins zerbrochen oder ver- lohren werde. Und weil der Mensch nicht allein vom
Gebet eines Menſchen/ der nicht wol ꝛc. ſeſt/ dir iſt nichts gleich. Ich wil ſie verkündigen/ unddavon ſagen/ wiewol ſie nicht zu zehlen ſind. Deine Hände haben mich gearbeitet und gemacht alles/ was ich umb und umb bin: Du haſt mir gegeben Vernunfft und Sprache/ Augen/ Ohren/ Verſtand und Erkäntniß/ daß ich meinen Mund aufthue/ und meine Zunge redet in meinem Munde/ das habe ich dir zu dancken/ daß ich mit meinen Zähnen die Speiſe genieſſen/ und mich bißher damit ſättigen können/ das habe ich auch von dir. Ach HErr/ es iſt zwar nicht eine geringe Straffe/ wenn du müßige Zähne giebeſt und Mangel an Brod an allen Orten: Aber es iſt auch nicht ein gering Gebrechen des Alters/ wenn du einem ſein täglich Brod giebeſt/ er aber die Krafft nicht hat ſolches zu genieſſen. Es iſt eben wie die Speiſe/ die bey eines Toden Grab geſetzet wird/ und was iſt dem Götzen das Opffer nütz/ kan er doch weder eſſen noch riechen? So iſts mit uns alten Leuten auch/ wenn die Zähne dahin fallen/ wir kön- nen unſere Speiſe nicht mehr genieſſen/ es ſtehen müßig die Müller/ daß ihrer ſo wenig worden iſt. Ja die Stimme fället auch dahin/ daß wir ſeyn müſ- ſen/ wie einer der nicht höret/ und der keine Widerre- de in ſeinem Munde hat. Nun HERR/ du weiſ- ſeſt alle unſere Gebrechen/ du kenneſt/ was für ein Gemächt wir ſeyn/ du gedenck eſt ſelbſt daran/ daß wir alt und gebrechlich ſind. Verleihe gnädiglich/ daß wir ſolches mit Gedult von deiner Hand neh- men/ und erkennen/ daß ohne dein Wiſſen nicht ein Härlein noch Beinlein von unſerm Leib hinweg fallen kan/ und was dahin fället/ uns doch wie- der werden müſſe. Denn du bewahreſt all unſere Gebeine/ daß deren nicht eins zerbrochen oder ver- lohren werde. Und weil der Menſch nicht allein vom
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Gebet eines Menſchen/ der nicht wol ꝛc.
ſeſt/ dir iſt nichts gleich. Ich wil ſie verkündigen/ und
davon ſagen/ wiewol ſie nicht zu zehlen ſind. Deine
Hände haben mich gearbeitet und gemacht alles/
was ich umb und umb bin: Du haſt mir gegeben
Vernunfft und Sprache/ Augen/ Ohren/ Verſtand
und Erkäntniß/ daß ich meinen Mund aufthue/ und
meine Zunge redet in meinem Munde/ das habe ich
dir zu dancken/ daß ich mit meinen Zähnen die Speiſe
genieſſen/ und mich bißher damit ſättigen können/
das habe ich auch von dir. Ach HErr/ es iſt zwar nicht
eine geringe Straffe/ wenn du müßige Zähne giebeſt
und Mangel an Brod an allen Orten: Aber es iſt
auch nicht ein gering Gebrechen des Alters/ wenn
du einem ſein täglich Brod giebeſt/ er aber die Krafft
nicht hat ſolches zu genieſſen. Es iſt eben wie die
Speiſe/ die bey eines Toden Grab geſetzet wird/
und was iſt dem Götzen das Opffer nütz/ kan er doch
weder eſſen noch riechen? So iſts mit uns alten
Leuten auch/ wenn die Zähne dahin fallen/ wir kön-
nen unſere Speiſe nicht mehr genieſſen/ es ſtehen
müßig die Müller/ daß ihrer ſo wenig worden iſt.
Ja die Stimme fället auch dahin/ daß wir ſeyn müſ-
ſen/ wie einer der nicht höret/ und der keine Widerre-
de in ſeinem Munde hat. Nun HERR/ du weiſ-
ſeſt alle unſere Gebrechen/ du kenneſt/ was für ein
Gemächt wir ſeyn/ du gedenck eſt ſelbſt daran/ daß
wir alt und gebrechlich ſind. Verleihe gnädiglich/
daß wir ſolches mit Gedult von deiner Hand neh-
men/ und erkennen/ daß ohne dein Wiſſen nicht ein
Härlein noch Beinlein von unſerm Leib hinweg
fallen kan/ und was dahin fället/ uns doch wie-
der werden müſſe. Denn du bewahreſt all unſere
Gebeine/ daß deren nicht eins zerbrochen oder ver-
lohren werde. Und weil der Menſch nicht allein
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