Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

LXI. Betrachtung.
te, damit er ganz im Tone der väterlichen Vertrau-
lichkeit mit ihnen sprechen könnte. Er zeigte ih-
nen zugleich, daß, so traurig auch dieses ihm bevor-
stehende Schicksal wäre, so werde es doch durch sei-
ne Auferstehung eine sehr günstige Wendung neh-
men. Er milderte also das Unangenehme durch das
Angenehme, und mischte beruhigenden Trost in diese
traurige Ankündigung; dieses that er besonders noch
in seinen Abschiedsreden; da redete er immer von sei-
nem Sterben, als von einem Hingehen zum Vater,
von einer Bereitung des Aufenthalts für sie im Hau-
se seines Vaters, von einem Wiederkommen und Zu-
sichnehmen an den herrlichen Ort, wo er sich befän-
de, und von einem ewigen Beysammenseyn nach die-
ser Heimholung. Alle diese angenehmen Vorstel-
lungen machte er, um sie zu schonen, um ihre beküm-
merten Herzen nicht zu sehr zu erschüttern, und um
ihre Seelen wegen seines bevorstehenden Abschieds zu
trösten.*) Voll zärtlicher Besorgniß für ihre Ru-
he sprach er: euer Herz erschrecke nicht. Glaubet
ihr an Gott, so glaubet ihr an mich. Jch will
euch nicht waisen lassen; ich komme
wieder zu euch
nach meiner Auferstehung. Ob sie nun gleich ihn
immer noch nicht verstehen wollten, und noch keinen
lebhaften Antheil an seinen bevorstehenden Leiden zu
nehmen schienen: so machte er ihnen doch keine bit-
tern Vorwürfe, sondern behandelte sie mit seiner ge-

wohn-
*) Joh. 14.

LXI. Betrachtung.
te, damit er ganz im Tone der väterlichen Vertrau-
lichkeit mit ihnen ſprechen könnte. Er zeigte ih-
nen zugleich, daß, ſo traurig auch dieſes ihm bevor-
ſtehende Schickſal wäre, ſo werde es doch durch ſei-
ne Auferſtehung eine ſehr günſtige Wendung neh-
men. Er milderte alſo das Unangenehme durch das
Angenehme, und miſchte beruhigenden Troſt in dieſe
traurige Ankündigung; dieſes that er beſonders noch
in ſeinen Abſchiedsreden; da redete er immer von ſei-
nem Sterben, als von einem Hingehen zum Vater,
von einer Bereitung des Aufenthalts für ſie im Hau-
ſe ſeines Vaters, von einem Wiederkommen und Zu-
ſichnehmen an den herrlichen Ort, wo er ſich befän-
de, und von einem ewigen Beyſammenſeyn nach die-
ſer Heimholung. Alle dieſe angenehmen Vorſtel-
lungen machte er, um ſie zu ſchonen, um ihre beküm-
merten Herzen nicht zu ſehr zu erſchüttern, und um
ihre Seelen wegen ſeines bevorſtehenden Abſchieds zu
tröſten.*) Voll zärtlicher Beſorgniß für ihre Ru-
he ſprach er: euer Herz erſchrecke nicht. Glaubet
ihr an Gott, ſo glaubet ihr an mich. Jch will
euch nicht waiſen laſſen; ich komme
wieder zu euch
nach meiner Auferſtehung. Ob ſie nun gleich ihn
immer noch nicht verſtehen wollten, und noch keinen
lebhaften Antheil an ſeinen bevorſtehenden Leiden zu
nehmen ſchienen: ſo machte er ihnen doch keine bit-
tern Vorwürfe, ſondern behandelte ſie mit ſeiner ge-

wohn-
*) Joh. 14.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0432" n="406"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">LXI.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
te, damit er ganz im Tone der väterlichen Vertrau-<lb/>
lichkeit mit ihnen &#x017F;prechen könnte. Er zeigte ih-<lb/>
nen zugleich, daß, &#x017F;o traurig auch die&#x017F;es ihm bevor-<lb/>
&#x017F;tehende Schick&#x017F;al wäre, &#x017F;o werde es doch durch &#x017F;ei-<lb/>
ne Aufer&#x017F;tehung eine &#x017F;ehr gün&#x017F;tige Wendung neh-<lb/>
men. Er milderte al&#x017F;o das Unangenehme durch das<lb/>
Angenehme, und mi&#x017F;chte beruhigenden Tro&#x017F;t in die&#x017F;e<lb/>
traurige Ankündigung; die&#x017F;es that er be&#x017F;onders noch<lb/>
in &#x017F;einen Ab&#x017F;chiedsreden; da redete er immer von &#x017F;ei-<lb/>
nem Sterben, als von einem Hingehen zum Vater,<lb/>
von einer Bereitung des Aufenthalts für &#x017F;ie im Hau-<lb/>
&#x017F;e &#x017F;eines Vaters, von einem Wiederkommen und Zu-<lb/>
&#x017F;ichnehmen an den herrlichen Ort, wo er &#x017F;ich befän-<lb/>
de, und von einem ewigen Bey&#x017F;ammen&#x017F;eyn nach die-<lb/>
&#x017F;er Heimholung. Alle die&#x017F;e angenehmen Vor&#x017F;tel-<lb/>
lungen machte er, um &#x017F;ie zu &#x017F;chonen, um ihre beküm-<lb/>
merten Herzen nicht zu &#x017F;ehr zu er&#x017F;chüttern, und um<lb/>
ihre Seelen wegen &#x017F;eines bevor&#x017F;tehenden Ab&#x017F;chieds zu<lb/>
trö&#x017F;ten.<note place="foot" n="*)">Joh. 14.</note> Voll zärtlicher Be&#x017F;orgniß für ihre Ru-<lb/>
he &#x017F;prach er: <hi rendition="#fr">euer Herz er&#x017F;chrecke nicht. Glaubet<lb/>
ihr an Gott, &#x017F;o glaubet ihr an mich. Jch will<lb/>
euch nicht wai&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en; ich komme</hi> wieder <hi rendition="#fr">zu euch</hi><lb/>
nach meiner Aufer&#x017F;tehung. Ob &#x017F;ie nun gleich ihn<lb/>
immer noch nicht ver&#x017F;tehen wollten, und noch keinen<lb/>
lebhaften Antheil an &#x017F;einen bevor&#x017F;tehenden Leiden zu<lb/>
nehmen &#x017F;chienen: &#x017F;o machte er ihnen doch keine bit-<lb/>
tern Vorwürfe, &#x017F;ondern behandelte &#x017F;ie mit &#x017F;einer ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wohn-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[406/0432] LXI. Betrachtung. te, damit er ganz im Tone der väterlichen Vertrau- lichkeit mit ihnen ſprechen könnte. Er zeigte ih- nen zugleich, daß, ſo traurig auch dieſes ihm bevor- ſtehende Schickſal wäre, ſo werde es doch durch ſei- ne Auferſtehung eine ſehr günſtige Wendung neh- men. Er milderte alſo das Unangenehme durch das Angenehme, und miſchte beruhigenden Troſt in dieſe traurige Ankündigung; dieſes that er beſonders noch in ſeinen Abſchiedsreden; da redete er immer von ſei- nem Sterben, als von einem Hingehen zum Vater, von einer Bereitung des Aufenthalts für ſie im Hau- ſe ſeines Vaters, von einem Wiederkommen und Zu- ſichnehmen an den herrlichen Ort, wo er ſich befän- de, und von einem ewigen Beyſammenſeyn nach die- ſer Heimholung. Alle dieſe angenehmen Vorſtel- lungen machte er, um ſie zu ſchonen, um ihre beküm- merten Herzen nicht zu ſehr zu erſchüttern, und um ihre Seelen wegen ſeines bevorſtehenden Abſchieds zu tröſten. *) Voll zärtlicher Beſorgniß für ihre Ru- he ſprach er: euer Herz erſchrecke nicht. Glaubet ihr an Gott, ſo glaubet ihr an mich. Jch will euch nicht waiſen laſſen; ich komme wieder zu euch nach meiner Auferſtehung. Ob ſie nun gleich ihn immer noch nicht verſtehen wollten, und noch keinen lebhaften Antheil an ſeinen bevorſtehenden Leiden zu nehmen ſchienen: ſo machte er ihnen doch keine bit- tern Vorwürfe, ſondern behandelte ſie mit ſeiner ge- wohn- *) Joh. 14.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/432
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/432>, abgerufen am 16.07.2024.