Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.XLVII. Betrachtung. dein eigner Lobredner zu werden, weil eigen Lob das si-cherste Mittel ist, sich bey Klugen verächtlich zu machen. Du darfst dich deswegen nicht über die Gebühr herab- setzen, und geflissentlich mit einer verstellten Herabwür- digung von dir sprechen; du darfst nicht jede äußere Ehrenbezeugung, die deinem Stande gebühret, von dir ablehnen; denn Gott verlangt nicht, daß wir das Gu- te an uns verkennen, und es im Umgange mit andern verleugnen sollen. Willst du nun recht sicher gehen, so befolge nur die Ermahnung Pauli: Niemand hal- te weiter von ihm, als sichs gebühret zu halten; son- dern jeder halte mäßiglich von ihm.*) Erhebe dich auch nie auf Unkosten deines Nächsten; erzeige vielmehr je- dem willig die Ehre, die ihm gebührt, und laß jedem, in Absicht auf seine guten Eigenschaften, Gerechtigkeit wiederfahren. Sind andre ihrem Stande nach über dich erhaben, so ehre sie als diejenigen, die Gott dir vorgesetzt hat, wenn auch gleich bisweilen ihre persön- lichen Eigenschaften es nicht zu verdienen scheinen. Sind aber deine Mitmenschen ihrem Stande nach dir gleich, oder wirklich untergeordnet; so weigere dich nicht, ihnen die Achtung und Dienstgefälligkeiten zu erweisen, die sie von dir erwarten, und laß dir das em- pfohlen seyn, was die Bibel sagt: durch Demuth ach- tet euch unter einander, einer den andern höher, als sich selbst.**) Auch diejenigen, die dir an Vorzügen und *) Röm. 12. **) Phil. 2, 3. U 3
XLVII. Betrachtung. dein eigner Lobredner zu werden, weil eigen Lob das ſi-cherſte Mittel iſt, ſich bey Klugen verächtlich zu machen. Du darfſt dich deswegen nicht über die Gebühr herab- ſetzen, und gefliſſentlich mit einer verſtellten Herabwür- digung von dir ſprechen; du darfſt nicht jede äußere Ehrenbezeugung, die deinem Stande gebühret, von dir ablehnen; denn Gott verlangt nicht, daß wir das Gu- te an uns verkennen, und es im Umgange mit andern verleugnen ſollen. Willſt du nun recht ſicher gehen, ſo befolge nur die Ermahnung Pauli: Niemand hal- te weiter von ihm, als ſichs gebühret zu halten; ſon- dern jeder halte mäßiglich von ihm.*) Erhebe dich auch nie auf Unkoſten deines Nächſten; erzeige vielmehr je- dem willig die Ehre, die ihm gebührt, und laß jedem, in Abſicht auf ſeine guten Eigenſchaften, Gerechtigkeit wiederfahren. Sind andre ihrem Stande nach über dich erhaben, ſo ehre ſie als diejenigen, die Gott dir vorgeſetzt hat, wenn auch gleich bisweilen ihre perſön- lichen Eigenſchaften es nicht zu verdienen ſcheinen. Sind aber deine Mitmenſchen ihrem Stande nach dir gleich, oder wirklich untergeordnet; ſo weigere dich nicht, ihnen die Achtung und Dienſtgefälligkeiten zu erweiſen, die ſie von dir erwarten, und laß dir das em- pfohlen ſeyn, was die Bibel ſagt: durch Demuth ach- tet euch unter einander, einer den andern höher, als ſich ſelbſt.**) Auch diejenigen, die dir an Vorzügen und *) Röm. 12. **) Phil. 2, 3. U 3
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XLVII. Betrachtung.
dein eigner Lobredner zu werden, weil eigen Lob das ſi-
cherſte Mittel iſt, ſich bey Klugen verächtlich zu machen.
Du darfſt dich deswegen nicht über die Gebühr herab-
ſetzen, und gefliſſentlich mit einer verſtellten Herabwür-
digung von dir ſprechen; du darfſt nicht jede äußere
Ehrenbezeugung, die deinem Stande gebühret, von dir
ablehnen; denn Gott verlangt nicht, daß wir das Gu-
te an uns verkennen, und es im Umgange mit andern
verleugnen ſollen. Willſt du nun recht ſicher gehen,
ſo befolge nur die Ermahnung Pauli: Niemand hal-
te weiter von ihm, als ſichs gebühret zu halten; ſon-
dern jeder halte mäßiglich von ihm. *) Erhebe dich auch
nie auf Unkoſten deines Nächſten; erzeige vielmehr je-
dem willig die Ehre, die ihm gebührt, und laß jedem, in
Abſicht auf ſeine guten Eigenſchaften, Gerechtigkeit
wiederfahren. Sind andre ihrem Stande nach über
dich erhaben, ſo ehre ſie als diejenigen, die Gott dir
vorgeſetzt hat, wenn auch gleich bisweilen ihre perſön-
lichen Eigenſchaften es nicht zu verdienen ſcheinen.
Sind aber deine Mitmenſchen ihrem Stande nach dir
gleich, oder wirklich untergeordnet; ſo weigere dich
nicht, ihnen die Achtung und Dienſtgefälligkeiten zu
erweiſen, die ſie von dir erwarten, und laß dir das em-
pfohlen ſeyn, was die Bibel ſagt: durch Demuth ach-
tet euch unter einander, einer den andern höher, als
ſich ſelbſt. **) Auch diejenigen, die dir an Vorzügen
und
*) Röm. 12.
**) Phil. 2, 3.
U 3
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