Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

XX. Betrachtung.
sein Mißfallen zugezogen; ich werde finden, wie oft
er mich vor andern mit so vielen Uebeln verschont hat,
die ich bey aller Klugheit und Vorsicht nicht hätte ab-
wenden können, wenn sie Gottes schonende und stets
wachende Vorsehung nicht von mir entfernt hätte.
Nie will ich so verwegen, so menschenfeindlich han-
deln und die unangenehmen Zufälle, die meinen Mit-
menschen begegnen, für Strafen Gottes erklären;
nein, ich will billiger denken, ich will sie als Prüfun-
gen ansehen, durch die sie Gott zur Vollkommenheit
leiten will; ich will sie als Züchtigungen betrachten,
die gleich den Stürmen und Ungewittern, zwar auf
der einen Seite einigen Nachtheil verursachen, die
aber auf der andern Seite in der Folge die heilsam-
sten Wirkungen hervor bringen. Jch will denken:

Gott, Gott regiert mit weiser Stärke,
Erbarmt sich aller seiner Werke;
Wiegt Glück der Menschen, wiegt ihr Leid,
Und was er schickt, ist Seligkeit.


Zwote

XX. Betrachtung.
ſein Mißfallen zugezogen; ich werde finden, wie oft
er mich vor andern mit ſo vielen Uebeln verſchont hat,
die ich bey aller Klugheit und Vorſicht nicht hätte ab-
wenden können, wenn ſie Gottes ſchonende und ſtets
wachende Vorſehung nicht von mir entfernt hätte.
Nie will ich ſo verwegen, ſo menſchenfeindlich han-
deln und die unangenehmen Zufälle, die meinen Mit-
menſchen begegnen, für Strafen Gottes erklären;
nein, ich will billiger denken, ich will ſie als Prüfun-
gen anſehen, durch die ſie Gott zur Vollkommenheit
leiten will; ich will ſie als Züchtigungen betrachten,
die gleich den Stürmen und Ungewittern, zwar auf
der einen Seite einigen Nachtheil verurſachen, die
aber auf der andern Seite in der Folge die heilſam-
ſten Wirkungen hervor bringen. Jch will denken:

Gott, Gott regiert mit weiſer Stärke,
Erbarmt ſich aller ſeiner Werke;
Wiegt Glück der Menſchen, wiegt ihr Leid,
Und was er ſchickt, iſt Seligkeit.


Zwote
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0154" n="128"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">XX.</hi> Betrachtung.</fw><lb/>
&#x017F;ein Mißfallen zugezogen; ich werde finden, wie oft<lb/>
er mich vor andern mit &#x017F;o vielen Uebeln ver&#x017F;chont hat,<lb/>
die ich bey aller Klugheit und Vor&#x017F;icht nicht hätte ab-<lb/>
wenden können, wenn &#x017F;ie Gottes &#x017F;chonende und &#x017F;tets<lb/>
wachende Vor&#x017F;ehung nicht von mir entfernt hätte.<lb/>
Nie will ich &#x017F;o verwegen, &#x017F;o men&#x017F;chenfeindlich han-<lb/>
deln und die unangenehmen Zufälle, die meinen Mit-<lb/>
men&#x017F;chen begegnen, für Strafen Gottes erklären;<lb/>
nein, ich will billiger denken, ich will &#x017F;ie als Prüfun-<lb/>
gen an&#x017F;ehen, durch die &#x017F;ie Gott zur Vollkommenheit<lb/>
leiten will; ich will &#x017F;ie als Züchtigungen betrachten,<lb/>
die gleich den Stürmen und Ungewittern, zwar auf<lb/>
der einen Seite einigen Nachtheil verur&#x017F;achen, die<lb/>
aber auf der andern Seite in der Folge die heil&#x017F;am-<lb/>
&#x017F;ten Wirkungen hervor bringen. Jch will denken:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Gott, Gott regiert mit wei&#x017F;er Stärke,</l><lb/>
            <l>Erbarmt &#x017F;ich aller &#x017F;einer Werke;</l><lb/>
            <l>Wiegt Glück der Men&#x017F;chen, wiegt ihr Leid,</l><lb/>
            <l>Und was er &#x017F;chickt, i&#x017F;t Seligkeit.</l>
          </lg>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch">Zwote</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0154] XX. Betrachtung. ſein Mißfallen zugezogen; ich werde finden, wie oft er mich vor andern mit ſo vielen Uebeln verſchont hat, die ich bey aller Klugheit und Vorſicht nicht hätte ab- wenden können, wenn ſie Gottes ſchonende und ſtets wachende Vorſehung nicht von mir entfernt hätte. Nie will ich ſo verwegen, ſo menſchenfeindlich han- deln und die unangenehmen Zufälle, die meinen Mit- menſchen begegnen, für Strafen Gottes erklären; nein, ich will billiger denken, ich will ſie als Prüfun- gen anſehen, durch die ſie Gott zur Vollkommenheit leiten will; ich will ſie als Züchtigungen betrachten, die gleich den Stürmen und Ungewittern, zwar auf der einen Seite einigen Nachtheil verurſachen, die aber auf der andern Seite in der Folge die heilſam- ſten Wirkungen hervor bringen. Jch will denken: Gott, Gott regiert mit weiſer Stärke, Erbarmt ſich aller ſeiner Werke; Wiegt Glück der Menſchen, wiegt ihr Leid, Und was er ſchickt, iſt Seligkeit. Zwote

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/154
Zitationshilfe: Cramer, Johann Friedrich Heinrich: Ueber die Nachahmung Jesu. Ein Erbauungsbuch für Christen. Dresden, 1792, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_nachahmung_1792/154>, abgerufen am 16.07.2024.