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Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874.

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Wie wenig wird ferner in manchen Häusern
das Schamgefühl respektirt und gehegt; wie manches
geschieht und wird zugelassen, wodurch dasselbe mehr
und mehr abgestumpft wird. Wir würden An-
stand nehmen, darüber hier zu sprechen, wenn wir
nicht das Bewußtsein hätten, daß die Wichtigkeit
der Sache uns dazu ein Recht gebe. So ist es
übel, wenn die Mutter es nicht verhindert, daß
die kleinen Kinder beim Sitzen, Liegen, Spielen
allerlei unanständige Entblößungen sich erlauben;
denken sie auch nichts dabei, das Schamgefühl wird
von früh an dadurch abgestumpft. Auch in der
Art, die kleinen Kinder zu stillen (ihnen die Mut-
terbrust zu bieten), sollte vielfach von den Müttern
der h. Scham mehr Rechnung getragen werden.
Hierher gehört auch, wenn die Mütter ihre Kinder
nicht anleiten und anhalten, daß sie beim Verrichten
ihrer Nothdurft sich zurückziehen, wo sie nicht ge-
sehen werden, daß sie es nicht so offen und vor
den Augen der Menschen thun. Wie viel Scham-
losigkeit und Rücksichtslosigkeit herrscht in dieser
Hinsicht nicht selten bei Erwachsenen; es ist ganz
unbegreiflich, es ist ein trauriges Zeichen, wie sehr
in Vielen jenes h. Schamgefühl erstorben ist. Und
doch ist gerade diese h. Scham, dieses Schamgefühl
von Gott in die Menschennatur hineingelegt, daß
es gehegt und zu lebendiger Aeußerung gefördert,
wie ein Damm sei, wider das Andringen der Un-
lauterkeit, eine Umzäunung der h. Unschuld, eine
Abwehr alles dessen, was der Reinheit der Seele
gefährlich oder nachtheilig ist. Ist die Umzäunung
hinweggerissen, dieser Damm fortgeschwemmt, ist

Wie wenig wird ferner in manchen Häusern
das Schamgefühl respektirt und gehegt; wie manches
geschieht und wird zugelassen, wodurch dasselbe mehr
und mehr abgestumpft wird. Wir würden An-
stand nehmen, darüber hier zu sprechen, wenn wir
nicht das Bewußtsein hätten, daß die Wichtigkeit
der Sache uns dazu ein Recht gebe. So ist es
übel, wenn die Mutter es nicht verhindert, daß
die kleinen Kinder beim Sitzen, Liegen, Spielen
allerlei unanständige Entblößungen sich erlauben;
denken sie auch nichts dabei, das Schamgefühl wird
von früh an dadurch abgestumpft. Auch in der
Art, die kleinen Kinder zu stillen (ihnen die Mut-
terbrust zu bieten), sollte vielfach von den Müttern
der h. Scham mehr Rechnung getragen werden.
Hierher gehört auch, wenn die Mütter ihre Kinder
nicht anleiten und anhalten, daß sie beim Verrichten
ihrer Nothdurft sich zurückziehen, wo sie nicht ge-
sehen werden, daß sie es nicht so offen und vor
den Augen der Menschen thun. Wie viel Scham-
losigkeit und Rücksichtslosigkeit herrscht in dieser
Hinsicht nicht selten bei Erwachsenen; es ist ganz
unbegreiflich, es ist ein trauriges Zeichen, wie sehr
in Vielen jenes h. Schamgefühl erstorben ist. Und
doch ist gerade diese h. Scham, dieses Schamgefühl
von Gott in die Menschennatur hineingelegt, daß
es gehegt und zu lebendiger Aeußerung gefördert,
wie ein Damm sei, wider das Andringen der Un-
lauterkeit, eine Umzäunung der h. Unschuld, eine
Abwehr alles dessen, was der Reinheit der Seele
gefährlich oder nachtheilig ist. Ist die Umzäunung
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[93/0304] Wie wenig wird ferner in manchen Häusern das Schamgefühl respektirt und gehegt; wie manches geschieht und wird zugelassen, wodurch dasselbe mehr und mehr abgestumpft wird. Wir würden An- stand nehmen, darüber hier zu sprechen, wenn wir nicht das Bewußtsein hätten, daß die Wichtigkeit der Sache uns dazu ein Recht gebe. So ist es übel, wenn die Mutter es nicht verhindert, daß die kleinen Kinder beim Sitzen, Liegen, Spielen allerlei unanständige Entblößungen sich erlauben; denken sie auch nichts dabei, das Schamgefühl wird von früh an dadurch abgestumpft. Auch in der Art, die kleinen Kinder zu stillen (ihnen die Mut- terbrust zu bieten), sollte vielfach von den Müttern der h. Scham mehr Rechnung getragen werden. Hierher gehört auch, wenn die Mütter ihre Kinder nicht anleiten und anhalten, daß sie beim Verrichten ihrer Nothdurft sich zurückziehen, wo sie nicht ge- sehen werden, daß sie es nicht so offen und vor den Augen der Menschen thun. Wie viel Scham- losigkeit und Rücksichtslosigkeit herrscht in dieser Hinsicht nicht selten bei Erwachsenen; es ist ganz unbegreiflich, es ist ein trauriges Zeichen, wie sehr in Vielen jenes h. Schamgefühl erstorben ist. Und doch ist gerade diese h. Scham, dieses Schamgefühl von Gott in die Menschennatur hineingelegt, daß es gehegt und zu lebendiger Aeußerung gefördert, wie ein Damm sei, wider das Andringen der Un- lauterkeit, eine Umzäunung der h. Unschuld, eine Abwehr alles dessen, was der Reinheit der Seele gefährlich oder nachtheilig ist. Ist die Umzäunung hinweggerissen, dieser Damm fortgeschwemmt, ist

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Zitationshilfe: Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/304>, abgerufen am 22.11.2024.