Jch will annehmen, Moses hätte in der Wüste, wo er die Schaafe seines Schwähers Jethro hütete, noch gar keinen Begriff von Gott gehabt; hier hätte er in seiner völligen Unwissen- heit von ihm das Gesicht des feurigen Busches gesehen, und in diesem Busche, der in vollen Flammen zu stehen schien und doch nicht ver- brannte, die Stimme gehört: Jch bin der Gott Abrahams, Jsaacs und Jacobs; ich bin das Wesen, das alles gemacht hat, der Herr über alles, der eine Macht ohne Grenzen, eine Weis- heit und Güte ohne Einschränkung besitzt, ewig, allwissend, allgegenwärtig, ohne Anfang und ohne Ende; wären alle diese Begriffe, die er auf einmal, ohne alle vorhergehende Betrachtung sei- ner Werke empfangen hätte, mit einer unwider- stehlichen Kraft der Deutlichkeit und Gewißheit begleitet gewesen, hätte er da nicht durch ei- ne unmittelbare Offenbarung erkannt, daß Gott sey, und daß er ein unendlich voll- kommnes Wesen sey? Hätte er nachher diese großen Wahrheiten auch aus der Betrach- tung seiner Werke und ihrer Einrichtung ein- gesehen: Könnte man denn wohl sagen, daß er sie vorher ohne Grund angenommen und geglaubt hätte?
Und
Jch will annehmen, Moſes hätte in der Wüſte, wo er die Schaafe ſeines Schwähers Jethro hütete, noch gar keinen Begriff von Gott gehabt; hier hätte er in ſeiner völligen Unwiſſen- heit von ihm das Geſicht des feurigen Buſches geſehen, und in dieſem Buſche, der in vollen Flammen zu ſtehen ſchien und doch nicht ver- brannte, die Stimme gehört: Jch bin der Gott Abrahams, Jſaacs und Jacobs; ich bin das Weſen, das alles gemacht hat, der Herr über alles, der eine Macht ohne Grenzen, eine Weis- heit und Güte ohne Einſchränkung beſitzt, ewig, allwiſſend, allgegenwärtig, ohne Anfang und ohne Ende; wären alle dieſe Begriffe, die er auf einmal, ohne alle vorhergehende Betrachtung ſei- ner Werke empfangen hätte, mit einer unwider- ſtehlichen Kraft der Deutlichkeit und Gewißheit begleitet geweſen, hätte er da nicht durch ei- ne unmittelbare Offenbarung erkannt, daß Gott ſey, und daß er ein unendlich voll- kommnes Weſen ſey? Hätte er nachher dieſe großen Wahrheiten auch aus der Betrach- tung ſeiner Werke und ihrer Einrichtung ein- geſehen: Könnte man denn wohl ſagen, daß er ſie vorher ohne Grund angenommen und geglaubt hätte?
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Jch will annehmen, Moſes hätte in der
Wüſte, wo er die Schaafe ſeines Schwähers
Jethro hütete, noch gar keinen Begriff von Gott
gehabt; hier hätte er in ſeiner völligen Unwiſſen-
heit von ihm das Geſicht des feurigen Buſches
geſehen, und in dieſem Buſche, der in vollen
Flammen zu ſtehen ſchien und doch nicht ver-
brannte, die Stimme gehört: Jch bin der Gott
Abrahams, Jſaacs und Jacobs; ich bin das
Weſen, das alles gemacht hat, der Herr über
alles, der eine Macht ohne Grenzen, eine Weis-
heit und Güte ohne Einſchränkung beſitzt, ewig,
allwiſſend, allgegenwärtig, ohne Anfang und
ohne Ende; wären alle dieſe Begriffe, die er auf
einmal, ohne alle vorhergehende Betrachtung ſei-
ner Werke empfangen hätte, mit einer unwider-
ſtehlichen Kraft der Deutlichkeit und Gewißheit
begleitet geweſen, hätte er da nicht durch ei-
ne unmittelbare Offenbarung erkannt, daß
Gott ſey, und daß er ein unendlich voll-
kommnes Weſen ſey? Hätte er nachher dieſe
großen Wahrheiten auch aus der Betrach-
tung ſeiner Werke und ihrer Einrichtung ein-
geſehen: Könnte man denn wohl ſagen, daß
er ſie vorher ohne Grund angenommen und
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/82>, abgerufen am 24.11.2024.
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