wissen, daß Gott sey, ehe wir wissen und glau- ben können, daß sich Gott geoffenbaret und die Menschen eines unmittelbaren Unterrichtes ge- würdigt habe?
Es giebt viele aufrichtige Freunde der Wahrheit, welche glauben, die natürliche Reli- gion, das ist, die Erkenntniß Gottes aus seinen Werken müsse nothwendig vor der Erkenntniß desselben aus einem unmittelbaren Unterrichte von ihm selbst vorhergehen, weil sonst überhaupt keine zuverläßige und gegründete Erkenntniß des- selben möglich wäre. Wer kann, fragen sie, mit Grund glauben, daß eine Offenbarung, und besonders die Offenbarung des Christenthums von Gott komme, wenn er nicht vorher über- führt ist, daß ein Gott sey, und folglich auch den Menschen eine nähere Offenbarung seiner selbst mittheilen könne? Sollen wir uns von ih- nen überreden lassen, daß man Gottes Daseyn, Wesen und Eigenschaften aus einer Offenbarung von ihm nicht mit Gewißheit und Zuverläßigkeit erkennen könne, wenn man ihn nicht erst aus sei- nen Werken erkannt habe? Jch würde einem un- mittelbaren Unterrichte Gottes von sich selbst nicht Ehre genug zu erweisen glauben, wenn ich mich von einer solchen Meinung ohne einen hin-
läng-
Erster Theil. E
wiſſen, daß Gott ſey, ehe wir wiſſen und glau- ben können, daß ſich Gott geoffenbaret und die Menſchen eines unmittelbaren Unterrichtes ge- würdigt habe?
Es giebt viele aufrichtige Freunde der Wahrheit, welche glauben, die natürliche Reli- gion, das iſt, die Erkenntniß Gottes aus ſeinen Werken müſſe nothwendig vor der Erkenntniß deſſelben aus einem unmittelbaren Unterrichte von ihm ſelbſt vorhergehen, weil ſonſt überhaupt keine zuverläßige und gegründete Erkenntniß deſ- ſelben möglich wäre. Wer kann, fragen ſie, mit Grund glauben, daß eine Offenbarung, und beſonders die Offenbarung des Chriſtenthums von Gott komme, wenn er nicht vorher über- führt iſt, daß ein Gott ſey, und folglich auch den Menſchen eine nähere Offenbarung ſeiner ſelbſt mittheilen könne? Sollen wir uns von ih- nen überreden laſſen, daß man Gottes Daſeyn, Weſen und Eigenſchaften aus einer Offenbarung von ihm nicht mit Gewißheit und Zuverläßigkeit erkennen könne, wenn man ihn nicht erſt aus ſei- nen Werken erkannt habe? Jch würde einem un- mittelbaren Unterrichte Gottes von ſich ſelbſt nicht Ehre genug zu erweiſen glauben, wenn ich mich von einer ſolchen Meinung ohne einen hin-
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Erſter Theil. E
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wiſſen, daß Gott ſey, ehe wir wiſſen und glau-
ben können, daß ſich Gott geoffenbaret und die
Menſchen eines unmittelbaren Unterrichtes ge-
würdigt habe?
Es giebt viele aufrichtige Freunde der
Wahrheit, welche glauben, die natürliche Reli-
gion, das iſt, die Erkenntniß Gottes aus ſeinen
Werken müſſe nothwendig vor der Erkenntniß
deſſelben aus einem unmittelbaren Unterrichte
von ihm ſelbſt vorhergehen, weil ſonſt überhaupt
keine zuverläßige und gegründete Erkenntniß deſ-
ſelben möglich wäre. Wer kann, fragen ſie,
mit Grund glauben, daß eine Offenbarung, und
beſonders die Offenbarung des Chriſtenthums
von Gott komme, wenn er nicht vorher über-
führt iſt, daß ein Gott ſey, und folglich auch
den Menſchen eine nähere Offenbarung ſeiner
ſelbſt mittheilen könne? Sollen wir uns von ih-
nen überreden laſſen, daß man Gottes Daſeyn,
Weſen und Eigenſchaften aus einer Offenbarung
von ihm nicht mit Gewißheit und Zuverläßigkeit
erkennen könne, wenn man ihn nicht erſt aus ſei-
nen Werken erkannt habe? Jch würde einem un-
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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/79>, abgerufen am 16.02.2025.
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