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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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sondern so sehr aus einander zerstreut, als in der
Absicht, um uns weder durch ihren Glanz zu
verblenden, noch durch ihre mächtige Hitze zu be-
leidigen? Warum brechen sie sich auf eine so man-
nichfaltige Weise, als in der Absicht, uns die
verschiednen Gegenstände des Gesichts richtig von
einander unterscheiden zu lassen? Warum bestehet
jeder Stral des Lichts aus verschiednen Farben,
als darum, daß die Körper nach der verschiednen
Bildung ihrer Theile das Licht auf eine verschied-
ne Weise auf unser Auge zurückwerfen, und uns
mit verschiednen Farben geschmückt erscheinen mö-
gen? Wie viele Absichten, die sich alle in der
Wohlfarth und dem Vergnügen der Lebendigen
vereinigen, sich alle darauf, als auf einen letzten
Endzweck beziehen? Was wäre uns das Leben
nütze; wie viele Quellen von Freuden würden
uns versiegen; wie klein und enge würde der
Kreis unsrer Geschäffte und Verrichtungen seyn,
wenn wir in beständiger Nacht und Finsterniß
sitzen müßten?

Die Luft ist uns so unentbehrlich als das
Licht! Wer kann so blind seyn und die Absichten
dieses Elementes verkennen? Warum ist diese
feine alles durchdringende Materie so durchsichtig,
als daß sie zum freyen und ungehinderten Durch-

gange



ſondern ſo ſehr aus einander zerſtreut, als in der
Abſicht, um uns weder durch ihren Glanz zu
verblenden, noch durch ihre mächtige Hitze zu be-
leidigen? Warum brechen ſie ſich auf eine ſo man-
nichfaltige Weiſe, als in der Abſicht, uns die
verſchiednen Gegenſtände des Geſichts richtig von
einander unterſcheiden zu laſſen? Warum beſtehet
jeder Stral des Lichts aus verſchiednen Farben,
als darum, daß die Körper nach der verſchiednen
Bildung ihrer Theile das Licht auf eine verſchied-
ne Weiſe auf unſer Auge zurückwerfen, und uns
mit verſchiednen Farben geſchmückt erſcheinen mö-
gen? Wie viele Abſichten, die ſich alle in der
Wohlfarth und dem Vergnügen der Lebendigen
vereinigen, ſich alle darauf, als auf einen letzten
Endzweck beziehen? Was wäre uns das Leben
nütze; wie viele Quellen von Freuden würden
uns verſiegen; wie klein und enge würde der
Kreis unſrer Geſchäffte und Verrichtungen ſeyn,
wenn wir in beſtändiger Nacht und Finſterniß
ſitzen müßten?

Die Luft iſt uns ſo unentbehrlich als das
Licht! Wer kann ſo blind ſeyn und die Abſichten
dieſes Elementes verkennen? Warum iſt dieſe
feine alles durchdringende Materie ſo durchſichtig,
als daß ſie zum freyen und ungehinderten Durch-

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[186/0200] ſondern ſo ſehr aus einander zerſtreut, als in der Abſicht, um uns weder durch ihren Glanz zu verblenden, noch durch ihre mächtige Hitze zu be- leidigen? Warum brechen ſie ſich auf eine ſo man- nichfaltige Weiſe, als in der Abſicht, uns die verſchiednen Gegenſtände des Geſichts richtig von einander unterſcheiden zu laſſen? Warum beſtehet jeder Stral des Lichts aus verſchiednen Farben, als darum, daß die Körper nach der verſchiednen Bildung ihrer Theile das Licht auf eine verſchied- ne Weiſe auf unſer Auge zurückwerfen, und uns mit verſchiednen Farben geſchmückt erſcheinen mö- gen? Wie viele Abſichten, die ſich alle in der Wohlfarth und dem Vergnügen der Lebendigen vereinigen, ſich alle darauf, als auf einen letzten Endzweck beziehen? Was wäre uns das Leben nütze; wie viele Quellen von Freuden würden uns verſiegen; wie klein und enge würde der Kreis unſrer Geſchäffte und Verrichtungen ſeyn, wenn wir in beſtändiger Nacht und Finſterniß ſitzen müßten? Die Luft iſt uns ſo unentbehrlich als das Licht! Wer kann ſo blind ſeyn und die Abſichten dieſes Elementes verkennen? Warum iſt dieſe feine alles durchdringende Materie ſo durchſichtig, als daß ſie zum freyen und ungehinderten Durch- gange

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/200>, abgerufen am 24.11.2024.