Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.aus der Natur der Welt ein solches nothwendi- ges Daseyn, das allezeit dasselbe gewesen, und niemals einer Veränderung und Abwechslung un- terworfen ist, nur mit einem Schatten von Wahr- scheinlichkeit erwiesen werden? Die Nothwendig- keit zu seyn, und die Möglichkeit nicht zu seyn, oder anders zu seyn, sind widersprechende Vor- stellungen. Eine hebt die andre auf. Können wir nun von der Welt und ihren Theilen ohne Widerspruch denken, daß sie nicht gewesen, oder anders gewesen seyn könnte: So hat sie kein nothwendiges Daseyn. Gesezt, die ganze Masse der Materie, woraus die Körperwelt besteht, werde niemals weder grösser noch kleiner, so ist sie doch weder der Bildung, Gestalt und Einrich- tung, noch der Bewegung ihrer Theile nach im- mer dieselbe; folglich ist sie nicht nothwendig, was sie ist. Einige Körper entstehen, andre wer- den zerstört; sie behalten niemals einerley Bil- dung, niemals einerley Bewegung: Wie kann denn dem Ganzen zukommen, was nicht seinen Theilen zukömmt? Die Pflanzen, die in diesem Jahre entsprießen, wachsen, blühen und Früchte tragen, sind nicht dieselben, die in dem vorigen entstanden, blühten und Früchte trugen. Eben dieß ist von den Metallen, Steinen und unzähl- baren andern Körpern unstreitig: Also kann dem Gan-
aus der Natur der Welt ein ſolches nothwendi- ges Daſeyn, das allezeit daſſelbe geweſen, und niemals einer Veränderung und Abwechslung un- terworfen iſt, nur mit einem Schatten von Wahr- ſcheinlichkeit erwieſen werden? Die Nothwendig- keit zu ſeyn, und die Möglichkeit nicht zu ſeyn, oder anders zu ſeyn, ſind widerſprechende Vor- ſtellungen. Eine hebt die andre auf. Können wir nun von der Welt und ihren Theilen ohne Widerſpruch denken, daß ſie nicht geweſen, oder anders geweſen ſeyn könnte: So hat ſie kein nothwendiges Daſeyn. Geſezt, die ganze Maſſe der Materie, woraus die Körperwelt beſteht, werde niemals weder gröſſer noch kleiner, ſo iſt ſie doch weder der Bildung, Geſtalt und Einrich- tung, noch der Bewegung ihrer Theile nach im- mer dieſelbe; folglich iſt ſie nicht nothwendig, was ſie iſt. Einige Körper entſtehen, andre wer- den zerſtört; ſie behalten niemals einerley Bil- dung, niemals einerley Bewegung: Wie kann denn dem Ganzen zukommen, was nicht ſeinen Theilen zukömmt? Die Pflanzen, die in dieſem Jahre entſprießen, wachſen, blühen und Früchte tragen, ſind nicht dieſelben, die in dem vorigen entſtanden, blühten und Früchte trugen. Eben dieß iſt von den Metallen, Steinen und unzähl- baren andern Körpern unſtreitig: Alſo kann dem Gan-
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aus der Natur der Welt ein ſolches nothwendi-
ges Daſeyn, das allezeit daſſelbe geweſen, und
niemals einer Veränderung und Abwechslung un-
terworfen iſt, nur mit einem Schatten von Wahr-
ſcheinlichkeit erwieſen werden? Die Nothwendig-
keit zu ſeyn, und die Möglichkeit nicht zu ſeyn,
oder anders zu ſeyn, ſind widerſprechende Vor-
ſtellungen. Eine hebt die andre auf. Können
wir nun von der Welt und ihren Theilen ohne
Widerſpruch denken, daß ſie nicht geweſen, oder
anders geweſen ſeyn könnte: So hat ſie kein
nothwendiges Daſeyn. Geſezt, die ganze Maſſe
der Materie, woraus die Körperwelt beſteht,
werde niemals weder gröſſer noch kleiner, ſo iſt
ſie doch weder der Bildung, Geſtalt und Einrich-
tung, noch der Bewegung ihrer Theile nach im-
mer dieſelbe; folglich iſt ſie nicht nothwendig,
was ſie iſt. Einige Körper entſtehen, andre wer-
den zerſtört; ſie behalten niemals einerley Bil-
dung, niemals einerley Bewegung: Wie kann
denn dem Ganzen zukommen, was nicht ſeinen
Theilen zukömmt? Die Pflanzen, die in dieſem
Jahre entſprießen, wachſen, blühen und Früchte
tragen, ſind nicht dieſelben, die in dem vorigen
entſtanden, blühten und Früchte trugen. Eben
dieß iſt von den Metallen, Steinen und unzähl-
baren andern Körpern unſtreitig: Alſo kann dem
Gan-
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