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Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764.

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des einzigen wahren Gottes verloren hat, sich
wieder zu derselben zu erheben!

Andre Weltweisen suchten die Abgötterey
noch auf eine andre Weise zu retten. Sie ge-
standen, daß nur Ein Gott über alles wäre; al-
lein er sollte so groß seyn, daß ihm an der Vereh-
rung der Menschen nichts läge. Unsre Natur
konnte nach ihrem Wahne nicht bis zu ihm kom-
men, und sein Aufenthalt war allzuweit von uns
entfernt, als daß unsre Gebete ohne den Beystand
und die Vermittlung von Untergöttern bis zu ihm
dringen konnten. Darum mußten diese angebe-
tet werden, und das waren keine andern, als die-
jenigen, die in den Tempeln und Bildseulen der
Götzen verehrt wurden. Lächerliche und unge-
reimte Träume! Denn wenn nur Ein Gott ist:
So sind alle diejenigen, welchen der Name der
Untergötter beygelegt wird, keine Götter! Und
doch waren diejenigen, welche sie erfanden, die
Klügsten, Gelehrtesten und Scharfsinnigsten un-
ter den Heiden! Wenn es auf sie angekommen
wäre; wenn nicht die Lehre des Evangelii eine
mehr als menschliche Kraft gehabt; wenn sich
nicht die Allmacht selbst mit ihr vereinigt hätte:
Würde der Mensch wohl durch eignes Nachden-
ken zu einer wahren, richtigen und hinlänglichen

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des einzigen wahren Gottes verloren hat, ſich
wieder zu derſelben zu erheben!

Andre Weltweiſen ſuchten die Abgötterey
noch auf eine andre Weiſe zu retten. Sie ge-
ſtanden, daß nur Ein Gott über alles wäre; al-
lein er ſollte ſo groß ſeyn, daß ihm an der Vereh-
rung der Menſchen nichts läge. Unſre Natur
konnte nach ihrem Wahne nicht bis zu ihm kom-
men, und ſein Aufenthalt war allzuweit von uns
entfernt, als daß unſre Gebete ohne den Beyſtand
und die Vermittlung von Untergöttern bis zu ihm
dringen konnten. Darum mußten dieſe angebe-
tet werden, und das waren keine andern, als die-
jenigen, die in den Tempeln und Bildſeulen der
Götzen verehrt wurden. Lächerliche und unge-
reimte Träume! Denn wenn nur Ein Gott iſt:
So ſind alle diejenigen, welchen der Name der
Untergötter beygelegt wird, keine Götter! Und
doch waren diejenigen, welche ſie erfanden, die
Klügſten, Gelehrteſten und Scharfſinnigſten un-
ter den Heiden! Wenn es auf ſie angekommen
wäre; wenn nicht die Lehre des Evangelii eine
mehr als menſchliche Kraft gehabt; wenn ſich
nicht die Allmacht ſelbſt mit ihr vereinigt hätte:
Würde der Menſch wohl durch eignes Nachden-
ken zu einer wahren, richtigen und hinlänglichen

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[131/0145] des einzigen wahren Gottes verloren hat, ſich wieder zu derſelben zu erheben! Andre Weltweiſen ſuchten die Abgötterey noch auf eine andre Weiſe zu retten. Sie ge- ſtanden, daß nur Ein Gott über alles wäre; al- lein er ſollte ſo groß ſeyn, daß ihm an der Vereh- rung der Menſchen nichts läge. Unſre Natur konnte nach ihrem Wahne nicht bis zu ihm kom- men, und ſein Aufenthalt war allzuweit von uns entfernt, als daß unſre Gebete ohne den Beyſtand und die Vermittlung von Untergöttern bis zu ihm dringen konnten. Darum mußten dieſe angebe- tet werden, und das waren keine andern, als die- jenigen, die in den Tempeln und Bildſeulen der Götzen verehrt wurden. Lächerliche und unge- reimte Träume! Denn wenn nur Ein Gott iſt: So ſind alle diejenigen, welchen der Name der Untergötter beygelegt wird, keine Götter! Und doch waren diejenigen, welche ſie erfanden, die Klügſten, Gelehrteſten und Scharfſinnigſten un- ter den Heiden! Wenn es auf ſie angekommen wäre; wenn nicht die Lehre des Evangelii eine mehr als menſchliche Kraft gehabt; wenn ſich nicht die Allmacht ſelbſt mit ihr vereinigt hätte: Würde der Menſch wohl durch eignes Nachden- ken zu einer wahren, richtigen und hinlänglichen Er- J 2

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Zitationshilfe: Cramer, Johann Andreas: Andachten in Betrachtungen, Gebeten und Liedern über Gott, seine Eigenschaften und Werke. Erster Theil. Schleßwig, 1764, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_andachten01_1764/145>, abgerufen am 28.09.2024.