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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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Adam deutlich wahrnehmbare Zeichen der Unruhe
auf seine Gegenwart reagirte, wurde er ruhiger,
ärgerte er sich über die kindische Unsicherheit, er-
innerte er sich der Stunden, wo er sich in seiner
Gleichgültigkeit so stark, so ruhig und unverwirrbar
gefühlt hatte .. und freute sich über den Strom von
psychischer Elektricität, der zu dieser Frist von ihm
zu Hedwig .. und von ihr zu ihm zurück fluthete.

Nun bog Fräulein Irmer in eine Nebenstraße
ein, die viel Vornehmes, Stilles, Reservirtes, Selbst-
genügsames besaß. In den kleinen Gärten vor den
Häusern, die zumeist Villenanstrich hatten, sah es
peinlich sauber, regelmäßig, sehr leer aus. Man
hatte das Gefühl, als müßten es die Bewohner
dieser Straße unter ihrer Würde halten, der Außen-
welt die geringste Aufmerksamkeit zu schenken. Man
war einander fremd und nahm mit sich allein für-
lieb. Es mochte in Wirklichkeit kaum so sein. Aber
diese menschenlosen Fenster mit den eleganten, kalten
Vorhängen; diese großen, schweren, massiven, mit
stolzer Selbstverständlichkeit geschlossenen Thüren;
diese aufdringlichen und doch zugleich unsäglich dis-
creten Namenschilder; die natürliche Leblosigkeit der
Vor- und Zwischengärten: das Alles gab der Si-
tuation den Ausdruck innerer Leere und Theilnahms-
losigkeit.

Adam war an die linke Seite Hedwigs ge-
treten. Fräulein Irmer vollzog unwillkürlich einen
kleinen Schritt nach rechts und sah ihren Verfolger
finster, zurückweisend an. Die über der Nasenwurzel

Adam deutlich wahrnehmbare Zeichen der Unruhe
auf ſeine Gegenwart reagirte, wurde er ruhiger,
ärgerte er ſich über die kindiſche Unſicherheit, er-
innerte er ſich der Stunden, wo er ſich in ſeiner
Gleichgültigkeit ſo ſtark, ſo ruhig und unverwirrbar
gefühlt hatte .. und freute ſich über den Strom von
pſychiſcher Elektricität, der zu dieſer Friſt von ihm
zu Hedwig .. und von ihr zu ihm zurück fluthete.

Nun bog Fräulein Irmer in eine Nebenſtraße
ein, die viel Vornehmes, Stilles, Reſervirtes, Selbſt-
genügſames beſaß. In den kleinen Gärten vor den
Häuſern, die zumeiſt Villenanſtrich hatten, ſah es
peinlich ſauber, regelmäßig, ſehr leer aus. Man
hatte das Gefühl, als müßten es die Bewohner
dieſer Straße unter ihrer Würde halten, der Außen-
welt die geringſte Aufmerkſamkeit zu ſchenken. Man
war einander fremd und nahm mit ſich allein für-
lieb. Es mochte in Wirklichkeit kaum ſo ſein. Aber
dieſe menſchenloſen Fenſter mit den eleganten, kalten
Vorhängen; dieſe großen, ſchweren, maſſiven, mit
ſtolzer Selbſtverſtändlichkeit geſchloſſenen Thüren;
dieſe aufdringlichen und doch zugleich unſäglich dis-
creten Namenſchilder; die natürliche Lebloſigkeit der
Vor- und Zwiſchengärten: das Alles gab der Si-
tuation den Ausdruck innerer Leere und Theilnahms-
loſigkeit.

Adam war an die linke Seite Hedwigs ge-
treten. Fräulein Irmer vollzog unwillkürlich einen
kleinen Schritt nach rechts und ſah ihren Verfolger
finſter, zurückweiſend an. Die über der Naſenwurzel

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[91/0099] Adam deutlich wahrnehmbare Zeichen der Unruhe auf ſeine Gegenwart reagirte, wurde er ruhiger, ärgerte er ſich über die kindiſche Unſicherheit, er- innerte er ſich der Stunden, wo er ſich in ſeiner Gleichgültigkeit ſo ſtark, ſo ruhig und unverwirrbar gefühlt hatte .. und freute ſich über den Strom von pſychiſcher Elektricität, der zu dieſer Friſt von ihm zu Hedwig .. und von ihr zu ihm zurück fluthete. Nun bog Fräulein Irmer in eine Nebenſtraße ein, die viel Vornehmes, Stilles, Reſervirtes, Selbſt- genügſames beſaß. In den kleinen Gärten vor den Häuſern, die zumeiſt Villenanſtrich hatten, ſah es peinlich ſauber, regelmäßig, ſehr leer aus. Man hatte das Gefühl, als müßten es die Bewohner dieſer Straße unter ihrer Würde halten, der Außen- welt die geringſte Aufmerkſamkeit zu ſchenken. Man war einander fremd und nahm mit ſich allein für- lieb. Es mochte in Wirklichkeit kaum ſo ſein. Aber dieſe menſchenloſen Fenſter mit den eleganten, kalten Vorhängen; dieſe großen, ſchweren, maſſiven, mit ſtolzer Selbſtverſtändlichkeit geſchloſſenen Thüren; dieſe aufdringlichen und doch zugleich unſäglich dis- creten Namenſchilder; die natürliche Lebloſigkeit der Vor- und Zwiſchengärten: das Alles gab der Si- tuation den Ausdruck innerer Leere und Theilnahms- loſigkeit. Adam war an die linke Seite Hedwigs ge- treten. Fräulein Irmer vollzog unwillkürlich einen kleinen Schritt nach rechts und ſah ihren Verfolger finſter, zurückweiſend an. Die über der Naſenwurzel

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/99>, abgerufen am 26.11.2024.