-- denn der Wein erfreut des Menschen Herz, sagt schon der alte Homer -- oder irgend ein anderer Zechkumpan hat also geweissagt -- bravo, Doctor! -- das war ein Männerschluck -- kommen Sie her: -- Sie sollen 'gleich neue Füllung haben --"
Adam hatte sein Glas auf einen Zug geleert. Er sah düster, geärgert aus. Lydia coquettirte mit dem Referendar. Sie blickte ihn schwärmerisch, dankbar, beinahe herausfordernd an. Adam's und Hedwig's Augen waren noch einmal kurz aneinander vorbeigegangen. Beide wußten, daß es nun ein Etwas für sie gab, das einer dem ander'n nicht restlos vergessen konnte.
Da tönte das eckige Rasseln eines mit fast be- leidigender Exaktheit angefahren kommenden Coupes von der stillen Straße her in's Gemach.
"Mein Wagen!" fuhr Lydia auf.
"Nanu! Schon so spät?" fragte Herr Quöck verwundert. Er zog seine große, schwere, goldene Uhr.
"Gnädige Frau --!" bat Oettinger geschmeidig- vorwurfsvoll. Er war ganz selig. Er glaubte an seine Zukunft. Er war überzeugt von seiner Un- widerstehlichkeit.
Lydia blickte zu Adam hinüber, der mit forcirter Ruhe seine Cigarre wieder in Brand setzte. Adam sah nicht auf, obwohl er den Blick Lydia's deutlich auf sich fühlte. Es war ihm, als ob ihm die Netz- haut plötzlich brennend heiß würde.
"Wenn Sie nun noch mit mir fahren wollen,
— denn der Wein erfreut des Menſchen Herz, ſagt ſchon der alte Homer — oder irgend ein anderer Zechkumpan hat alſo geweiſſagt — bravo, Doctor! — das war ein Männerſchluck — kommen Sie her: — Sie ſollen 'gleich neue Füllung haben —“
Adam hatte ſein Glas auf einen Zug geleert. Er ſah düſter, geärgert aus. Lydia coquettirte mit dem Referendar. Sie blickte ihn ſchwärmeriſch, dankbar, beinahe herausfordernd an. Adam's und Hedwig's Augen waren noch einmal kurz aneinander vorbeigegangen. Beide wußten, daß es nun ein Etwas für ſie gab, das einer dem ander'n nicht reſtlos vergeſſen konnte.
Da tönte das eckige Raſſeln eines mit faſt be- leidigender Exaktheit angefahren kommenden Coupés von der ſtillen Straße her in's Gemach.
„Mein Wagen!“ fuhr Lydia auf.
„Nanu! Schon ſo ſpät?“ fragte Herr Quöck verwundert. Er zog ſeine große, ſchwere, goldene Uhr.
„Gnädige Frau —!“ bat Oettinger geſchmeidig- vorwurfsvoll. Er war ganz ſelig. Er glaubte an ſeine Zukunft. Er war überzeugt von ſeiner Un- widerſtehlichkeit.
Lydia blickte zu Adam hinüber, der mit forcirter Ruhe ſeine Cigarre wieder in Brand ſetzte. Adam ſah nicht auf, obwohl er den Blick Lydia's deutlich auf ſich fühlte. Es war ihm, als ob ihm die Netz- haut plötzlich brennend heiß würde.
„Wenn Sie nun noch mit mir fahren wollen,
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— denn der Wein erfreut des Menſchen Herz, ſagt
ſchon der alte Homer — oder irgend ein anderer
Zechkumpan hat alſo geweiſſagt — bravo, Doctor!
— das war ein Männerſchluck — kommen Sie
her: — Sie ſollen 'gleich neue Füllung haben —“
Adam hatte ſein Glas auf einen Zug geleert.
Er ſah düſter, geärgert aus. Lydia coquettirte mit
dem Referendar. Sie blickte ihn ſchwärmeriſch,
dankbar, beinahe herausfordernd an. Adam's und
Hedwig's Augen waren noch einmal kurz aneinander
vorbeigegangen. Beide wußten, daß es nun ein
Etwas für ſie gab, das einer dem ander'n nicht
reſtlos vergeſſen konnte.
Da tönte das eckige Raſſeln eines mit faſt be-
leidigender Exaktheit angefahren kommenden Coupés
von der ſtillen Straße her in's Gemach.
„Mein Wagen!“ fuhr Lydia auf.
„Nanu! Schon ſo ſpät?“ fragte Herr Quöck
verwundert. Er zog ſeine große, ſchwere, goldene
Uhr.
„Gnädige Frau —!“ bat Oettinger geſchmeidig-
vorwurfsvoll. Er war ganz ſelig. Er glaubte an
ſeine Zukunft. Er war überzeugt von ſeiner Un-
widerſtehlichkeit.
Lydia blickte zu Adam hinüber, der mit forcirter
Ruhe ſeine Cigarre wieder in Brand ſetzte. Adam
ſah nicht auf, obwohl er den Blick Lydia's deutlich
auf ſich fühlte. Es war ihm, als ob ihm die Netz-
haut plötzlich brennend heiß würde.
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/86>, abgerufen am 25.11.2024.
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