Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

Der Herr Referendar hatte den Herrn Doctor bezüglich
dessen Bemerkung bei Tisch noch einmal interpellirt.
Das hätte kaum unterbleiben dürfen. "Ich habe weiter
nichts gethan, als gleichsam die Quadratwurzel aus
Ihren Aeußerungen gezogen, Herr Referendar. Ihr
conservativer Standpunkt mag ehrliche Ueberzeugung
sein -- das gebe ich sehr gern zu. Warum auch
nicht --? In Puncto der Religion gestanden Sie
selbst ein, daß Ihnen dieselbe nur noch als ein
Mittel in den Händen der "oberen Zehntausend"
erschiene, das den Zweck hat, die Plebs geduckt
und unterwürfig zu erhalten -- Herrenmoral und
Sclavenmoral -- Punktum --"

"Aber bitte -- das ist doch heute die An-
schauung jedes gebildeten Menschen --"

"Das weiß ich recht gut. Der Standpunkt ist
auch ein dieser gebildeten Menschheit vollkommeu
würdiger. Ich erlaube mir nämlich die Ansicht zu
haben, Herr Referendar, daß diese famose ,Bildung'
und der bodenlose Indifferentismus in religiösen,
philosophischen, künstlerischen Dingen heutzutage so
ziemlich identisch sind mit einander --"

"Hm! . Mag sein! .. Aber bitte, Herr Doktor
-- wir kommen ganz von dem Punkte ab, dessen
Erörterung mir momentan zumeist am Herzen liegt
-- Sie gebrauchten bei Tisch ein Bild -- einen
Vergleich -- ein -- ei--n--e -- nun! -- es
bleibt Ihnen ja unbenommen, auch mich unter
diese Indifferenten zu rechnen -- --"

"Pardon, Herr Referendar! Wenn mir das

Der Herr Referendar hatte den Herrn Doctor bezüglich
deſſen Bemerkung bei Tiſch noch einmal interpellirt.
Das hätte kaum unterbleiben dürfen. „Ich habe weiter
nichts gethan, als gleichſam die Quadratwurzel aus
Ihren Aeußerungen gezogen, Herr Referendar. Ihr
conſervativer Standpunkt mag ehrliche Ueberzeugung
ſein — das gebe ich ſehr gern zu. Warum auch
nicht —? In Puncto der Religion geſtanden Sie
ſelbſt ein, daß Ihnen dieſelbe nur noch als ein
Mittel in den Händen der „oberen Zehntauſend“
erſchiene, das den Zweck hat, die Plebs geduckt
und unterwürfig zu erhalten — Herrenmoral und
Sclavenmoral — Punktum —“

„Aber bitte — das iſt doch heute die An-
ſchauung jedes gebildeten Menſchen —“

„Das weiß ich recht gut. Der Standpunkt iſt
auch ein dieſer gebildeten Menſchheit vollkommeu
würdiger. Ich erlaube mir nämlich die Anſicht zu
haben, Herr Referendar, daß dieſe famoſe ‚Bildung‘
und der bodenloſe Indifferentismus in religiöſen,
philoſophiſchen, künſtleriſchen Dingen heutzutage ſo
ziemlich identiſch ſind mit einander —“

„Hm! . Mag ſein! .. Aber bitte, Herr Doktor
— wir kommen ganz von dem Punkte ab, deſſen
Erörterung mir momentan zumeiſt am Herzen liegt
— Sie gebrauchten bei Tiſch ein Bild — einen
Vergleich — ein — ei—n—e — nun! — es
bleibt Ihnen ja unbenommen, auch mich unter
dieſe Indifferenten zu rechnen — —“

„Pardon, Herr Referendar! Wenn mir das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0076" n="68"/>
Der Herr Referendar hatte den Herrn Doctor bezüglich<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Bemerkung bei Ti&#x017F;ch noch einmal interpellirt.<lb/>
Das hätte kaum unterbleiben dürfen. &#x201E;Ich habe weiter<lb/>
nichts gethan, als gleich&#x017F;am die Quadratwurzel aus<lb/>
Ihren Aeußerungen gezogen, Herr Referendar. Ihr<lb/>
con&#x017F;ervativer Standpunkt mag ehrliche Ueberzeugung<lb/>
&#x017F;ein &#x2014; das gebe ich &#x017F;ehr gern zu. Warum auch<lb/>
nicht &#x2014;? In Puncto der Religion ge&#x017F;tanden Sie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ein, daß Ihnen die&#x017F;elbe nur noch als ein<lb/>
Mittel in den Händen der &#x201E;oberen Zehntau&#x017F;end&#x201C;<lb/>
er&#x017F;chiene, das den Zweck hat, die Plebs geduckt<lb/>
und unterwürfig zu erhalten &#x2014; Herrenmoral und<lb/>
Sclavenmoral &#x2014; Punktum &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber bitte &#x2014; das i&#x017F;t doch heute die An-<lb/>
&#x017F;chauung jedes gebildeten Men&#x017F;chen &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das weiß ich recht gut. Der Standpunkt i&#x017F;t<lb/>
auch ein die&#x017F;er gebildeten Men&#x017F;chheit vollkommeu<lb/>
würdiger. Ich erlaube mir nämlich die An&#x017F;icht zu<lb/>
haben, Herr Referendar, daß die&#x017F;e famo&#x017F;e &#x201A;Bildung&#x2018;<lb/>
und der bodenlo&#x017F;e Indifferentismus in religiö&#x017F;en,<lb/>
philo&#x017F;ophi&#x017F;chen, kün&#x017F;tleri&#x017F;chen Dingen heutzutage &#x017F;o<lb/>
ziemlich identi&#x017F;ch &#x017F;ind mit einander &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hm! . Mag &#x017F;ein! .. Aber bitte, Herr Doktor<lb/>
&#x2014; wir kommen ganz von dem Punkte ab, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Erörterung mir momentan zumei&#x017F;t am Herzen liegt<lb/>
&#x2014; Sie gebrauchten bei Ti&#x017F;ch ein Bild &#x2014; einen<lb/>
Vergleich &#x2014; ein &#x2014; ei&#x2014;n&#x2014;e &#x2014; nun! &#x2014; es<lb/>
bleibt Ihnen ja unbenommen, auch <hi rendition="#g">mich</hi> unter<lb/>
die&#x017F;e Indifferenten <choice><sic>zn</sic><corr>zu</corr></choice> rechnen &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Pardon, Herr Referendar! Wenn mir das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0076] Der Herr Referendar hatte den Herrn Doctor bezüglich deſſen Bemerkung bei Tiſch noch einmal interpellirt. Das hätte kaum unterbleiben dürfen. „Ich habe weiter nichts gethan, als gleichſam die Quadratwurzel aus Ihren Aeußerungen gezogen, Herr Referendar. Ihr conſervativer Standpunkt mag ehrliche Ueberzeugung ſein — das gebe ich ſehr gern zu. Warum auch nicht —? In Puncto der Religion geſtanden Sie ſelbſt ein, daß Ihnen dieſelbe nur noch als ein Mittel in den Händen der „oberen Zehntauſend“ erſchiene, das den Zweck hat, die Plebs geduckt und unterwürfig zu erhalten — Herrenmoral und Sclavenmoral — Punktum —“ „Aber bitte — das iſt doch heute die An- ſchauung jedes gebildeten Menſchen —“ „Das weiß ich recht gut. Der Standpunkt iſt auch ein dieſer gebildeten Menſchheit vollkommeu würdiger. Ich erlaube mir nämlich die Anſicht zu haben, Herr Referendar, daß dieſe famoſe ‚Bildung‘ und der bodenloſe Indifferentismus in religiöſen, philoſophiſchen, künſtleriſchen Dingen heutzutage ſo ziemlich identiſch ſind mit einander —“ „Hm! . Mag ſein! .. Aber bitte, Herr Doktor — wir kommen ganz von dem Punkte ab, deſſen Erörterung mir momentan zumeiſt am Herzen liegt — Sie gebrauchten bei Tiſch ein Bild — einen Vergleich — ein — ei—n—e — nun! — es bleibt Ihnen ja unbenommen, auch mich unter dieſe Indifferenten zu rechnen — —“ „Pardon, Herr Referendar! Wenn mir das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/76
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/76>, abgerufen am 28.04.2024.