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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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"Du siehst recht blaß aus, Adam --" bemerkte
Lydia besorgt und führte die Rose mit den kleinen,
glattbehandschuhten Fingern der rechten Hand an
ihre zarte, weiße Nase. Sie sah fragend auf ihren
Verlobten nieder.

"So --? Mir war heute früh auch nicht ganz
wohl --" antwortete Adam hastig -- "und wie
geht es Dir, Lydia --?" fuhr er dann fort, nach-
dem er einmal tief Athem geholt --

"Ich danke --"

"Und wie lange willst Du mich allein
lassen --?"

"Ich komme bald zurück -- vielleicht eher, als
es Dir lieb ist -- --"

"Lydia --!"

"Meine Adresse schreibe ich Dir -- also Fried-
richroda -- ich muß erst sehen, ob ich Privatlogis
nehme, oder --"

"Und schreib' mir, bitte, recht bald und recht
viel -- ja? Zu schade, daß Du jetzt gerade --
-- bleib' nicht zu lange, Lydia --?" bat Adam
leise --

Es war ihm plötzlich sehr weich ums Herz ge-
worden. Nun seine Braut in der Fülle und Reife
ihrer Kraft und Schönheit vor ihm stand, loderte
die Leidenschaft zu dieser Frau wieder in ihm auf.
Ja! Er liebte sie doch -- und sie allein. --

Es läutete zum dritten Male. Die Lokomotive
pfiff, langsam setzte sich der Zug in Bewegung.

Die Hände der beiden hatten zum letzten Male

„Du ſiehſt recht blaß aus, Adam —“ bemerkte
Lydia beſorgt und führte die Roſe mit den kleinen,
glattbehandſchuhten Fingern der rechten Hand an
ihre zarte, weiße Naſe. Sie ſah fragend auf ihren
Verlobten nieder.

„So —? Mir war heute früh auch nicht ganz
wohl —“ antwortete Adam haſtig — „und wie
geht es Dir, Lydia —?“ fuhr er dann fort, nach-
dem er einmal tief Athem geholt —

„Ich danke —“

„Und wie lange willſt Du mich allein
laſſen —?“

„Ich komme bald zurück — vielleicht eher, als
es Dir lieb iſt — —“

„Lydia —!“

„Meine Adreſſe ſchreibe ich Dir — alſo Fried-
richroda — ich muß erſt ſehen, ob ich Privatlogis
nehme, oder —“

„Und ſchreib' mir, bitte, recht bald und recht
viel — ja? Zu ſchade, daß Du jetzt gerade —
— bleib' nicht zu lange, Lydia —?“ bat Adam
leiſe —

Es war ihm plötzlich ſehr weich ums Herz ge-
worden. Nun ſeine Braut in der Fülle und Reife
ihrer Kraft und Schönheit vor ihm ſtand, loderte
die Leidenſchaft zu dieſer Frau wieder in ihm auf.
Ja! Er liebte ſie doch — und ſie allein. —

Es läutete zum dritten Male. Die Lokomotive
pfiff, langſam ſetzte ſich der Zug in Bewegung.

Die Hände der beiden hatten zum letzten Male

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[455/0463] „Du ſiehſt recht blaß aus, Adam —“ bemerkte Lydia beſorgt und führte die Roſe mit den kleinen, glattbehandſchuhten Fingern der rechten Hand an ihre zarte, weiße Naſe. Sie ſah fragend auf ihren Verlobten nieder. „So —? Mir war heute früh auch nicht ganz wohl —“ antwortete Adam haſtig — „und wie geht es Dir, Lydia —?“ fuhr er dann fort, nach- dem er einmal tief Athem geholt — „Ich danke —“ „Und wie lange willſt Du mich allein laſſen —?“ „Ich komme bald zurück — vielleicht eher, als es Dir lieb iſt — —“ „Lydia —!“ „Meine Adreſſe ſchreibe ich Dir — alſo Fried- richroda — ich muß erſt ſehen, ob ich Privatlogis nehme, oder —“ „Und ſchreib' mir, bitte, recht bald und recht viel — ja? Zu ſchade, daß Du jetzt gerade — — bleib' nicht zu lange, Lydia —?“ bat Adam leiſe — Es war ihm plötzlich ſehr weich ums Herz ge- worden. Nun ſeine Braut in der Fülle und Reife ihrer Kraft und Schönheit vor ihm ſtand, loderte die Leidenſchaft zu dieſer Frau wieder in ihm auf. Ja! Er liebte ſie doch — und ſie allein. — Es läutete zum dritten Male. Die Lokomotive pfiff, langſam ſetzte ſich der Zug in Bewegung. Die Hände der beiden hatten zum letzten Male

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/463>, abgerufen am 28.04.2024.