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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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als Hedwig plötzlich mit einem jähen, krampfhaften
Sprunge in die Höhe fuhr, auf Adam losstürzte
und aufkreischte: "-- was hast Du da gesagt --?
Sag's noch 'nmal! Mein Gott! Bin ich denn
verrückt --? Bin ich denn wahnsinnig --?" Und
dann ein heiserer, erschütternder Nothschrei, der be-
wies, daß sie den Zusammenhang so ziemlich er-
rieth --: "Adam --!"

Der wich einen Schritt zurück, "Hedwig --!"
stotterte er, Emmy sprang hinzu, faßte die Tau-
melnde und versuchte, sie wieder auf den Sessel hin-
abzuziehen.

Aber es war, als ob plötzlich eine fremde Kraft
über das arme, unglückliche, in seinem tiefsten Elende
aufschreiende Weib gekommen wäre: es schleuderte
Emmy bei Seite, klammerte sich mit seinen dünnen,
mageren Fingern am linken Arme Adams fest
und kreischte ihm entgegen: "Ah! Ich weiß -- ich
weiß -- Canaille! Ich verstehe Dich, Du Schuft!
Loskaufen hast Du Dich wollen -- hast mir mein
Sündengeld hinschmeißen wollen, weil Dir eine
andere besser gefällt -- weil Du mich satt hattest
-- weil -- weil -- -- o Gott! Und Alles habe
ich Dir gegeben -- habe Dir geglaubt -- und nun
behandelst Du mich wie -- wie -- -- nun giebst
Du mir 'n Fußtritt -- was hab' ich Dir gethan,
daß Du mich so wegwirfst -- so zertrittst --? --
Meinen Vater hast Du ermordet, meinen armen,
alten, unglücklichen Vater -- nichts war Dir heilig
-- nichts -- nichts -- Alles hast Du mit Füßen

als Hedwig plötzlich mit einem jähen, krampfhaften
Sprunge in die Höhe fuhr, auf Adam losſtürzte
und aufkreiſchte: „— was haſt Du da geſagt —?
Sag's noch 'nmal! Mein Gott! Bin ich denn
verrückt —? Bin ich denn wahnſinnig —?“ Und
dann ein heiſerer, erſchütternder Nothſchrei, der be-
wies, daß ſie den Zuſammenhang ſo ziemlich er-
rieth —: „Adam —!“

Der wich einen Schritt zurück, „Hedwig —!“
ſtotterte er, Emmy ſprang hinzu, faßte die Tau-
melnde und verſuchte, ſie wieder auf den Seſſel hin-
abzuziehen.

Aber es war, als ob plötzlich eine fremde Kraft
über das arme, unglückliche, in ſeinem tiefſten Elende
aufſchreiende Weib gekommen wäre: es ſchleuderte
Emmy bei Seite, klammerte ſich mit ſeinen dünnen,
mageren Fingern am linken Arme Adams feſt
und kreiſchte ihm entgegen: „Ah! Ich weiß — ich
weiß — Canaille! Ich verſtehe Dich, Du Schuft!
Loskaufen haſt Du Dich wollen — haſt mir mein
Sündengeld hinſchmeißen wollen, weil Dir eine
andere beſſer gefällt — weil Du mich ſatt hatteſt
— weil — weil — — o Gott! Und Alles habe
ich Dir gegeben — habe Dir geglaubt — und nun
behandelſt Du mich wie — wie — — nun giebſt
Du mir 'n Fußtritt — was hab' ich Dir gethan,
daß Du mich ſo wegwirfſt — ſo zertrittſt —? —
Meinen Vater haſt Du ermordet, meinen armen,
alten, unglücklichen Vater — nichts war Dir heilig
— nichts — nichts — Alles haſt Du mit Füßen

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[436/0444] als Hedwig plötzlich mit einem jähen, krampfhaften Sprunge in die Höhe fuhr, auf Adam losſtürzte und aufkreiſchte: „— was haſt Du da geſagt —? Sag's noch 'nmal! Mein Gott! Bin ich denn verrückt —? Bin ich denn wahnſinnig —?“ Und dann ein heiſerer, erſchütternder Nothſchrei, der be- wies, daß ſie den Zuſammenhang ſo ziemlich er- rieth —: „Adam —!“ Der wich einen Schritt zurück, „Hedwig —!“ ſtotterte er, Emmy ſprang hinzu, faßte die Tau- melnde und verſuchte, ſie wieder auf den Seſſel hin- abzuziehen. Aber es war, als ob plötzlich eine fremde Kraft über das arme, unglückliche, in ſeinem tiefſten Elende aufſchreiende Weib gekommen wäre: es ſchleuderte Emmy bei Seite, klammerte ſich mit ſeinen dünnen, mageren Fingern am linken Arme Adams feſt und kreiſchte ihm entgegen: „Ah! Ich weiß — ich weiß — Canaille! Ich verſtehe Dich, Du Schuft! Loskaufen haſt Du Dich wollen — haſt mir mein Sündengeld hinſchmeißen wollen, weil Dir eine andere beſſer gefällt — weil Du mich ſatt hatteſt — weil — weil — — o Gott! Und Alles habe ich Dir gegeben — habe Dir geglaubt — und nun behandelſt Du mich wie — wie — — nun giebſt Du mir 'n Fußtritt — was hab' ich Dir gethan, daß Du mich ſo wegwirfſt — ſo zertrittſt —? — Meinen Vater haſt Du ermordet, meinen armen, alten, unglücklichen Vater — nichts war Dir heilig — nichts — nichts — Alles haſt Du mit Füßen

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/444>, abgerufen am 12.05.2024.