Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

nicht aus den Augen. Sie mußte das fühlen.
Oefter, mit jähem, unvermitteltem Rucke, sah sie sich
nach ihm um. Er fing ihren Blick lächelnd, ironisch,
wie in halber, kopfnickender Genugthuung lächelnd, auf.
Sie zuckte zurück .. und sah doch wieder zu ihm
hinüber. Wohl streng und finster .. und doch dünkte
es Adam zuweilen, als läge ein heißes, namenlos
heißes und brünstiges Flehen in diesem Blick --
eine erschütternde Bitte um Hülfe ... Rettung ...
Erlösung .... So blieb er sitzen .. und trank --
ihr zu Gefallen. Sie interessirte ihn jetzt. Wie-
der
Eine .. wieder Eine ... wieder Eine ...
Aber es war nun einmal so. Und er konnte sich
des geheimnißvoll zwingenden, immer wachsenden
Eindruckes nicht erwehren. Und er trank weiter --
ihr zu Gefallen. Sie sah ihn so eigenthümlich an,
wenn sie ein frisches Glas Bier vor ihm hinstellte.
Und jetzt waren gerade alle Gäste versorgt, und sie
hatte einen freien Augenblick. Sie wandte sich lang-
sam nach Adam um. Der winkte ihr mit den Augen.
Sie trat zu ihm hin und beugte sich zu ihm nieder.
Gesicht lag neben Gesicht, Adam hörte ihr heftiges,
hastiges Athmen. "Wie heißt Du --?" raunte er
ihr leise zu.

"Leni. Bleib' noch 'n Bißchen hier -- ich
muß Dir nachher 'was sagen -- --"

Und er blieb und blieb und trank und trank
weiter -- ihr zu Gefallen. Er fühlte, wie das
schaale, abgestandene Zeug Gewalt über ihn gewann,
wie seine Gedanken kürzer, eckiger, springender wurden,

Conradi, Adam Mensch. 26

nicht aus den Augen. Sie mußte das fühlen.
Oefter, mit jähem, unvermitteltem Rucke, ſah ſie ſich
nach ihm um. Er fing ihren Blick lächelnd, ironiſch,
wie in halber, kopfnickender Genugthuung lächelnd, auf.
Sie zuckte zurück .. und ſah doch wieder zu ihm
hinüber. Wohl ſtreng und finſter .. und doch dünkte
es Adam zuweilen, als läge ein heißes, namenlos
heißes und brünſtiges Flehen in dieſem Blick —
eine erſchütternde Bitte um Hülfe ... Rettung ...
Erlöſung .... So blieb er ſitzen .. und trank —
ihr zu Gefallen. Sie intereſſirte ihn jetzt. Wie-
der
Eine .. wieder Eine ... wieder Eine ...
Aber es war nun einmal ſo. Und er konnte ſich
des geheimnißvoll zwingenden, immer wachſenden
Eindruckes nicht erwehren. Und er trank weiter —
ihr zu Gefallen. Sie ſah ihn ſo eigenthümlich an,
wenn ſie ein friſches Glas Bier vor ihm hinſtellte.
Und jetzt waren gerade alle Gäſte verſorgt, und ſie
hatte einen freien Augenblick. Sie wandte ſich lang-
ſam nach Adam um. Der winkte ihr mit den Augen.
Sie trat zu ihm hin und beugte ſich zu ihm nieder.
Geſicht lag neben Geſicht, Adam hörte ihr heftiges,
haſtiges Athmen. „Wie heißt Du —?“ raunte er
ihr leiſe zu.

„Leni. Bleib' noch 'n Bißchen hier — ich
muß Dir nachher 'was ſagen — —“

Und er blieb und blieb und trank und trank
weiter — ihr zu Gefallen. Er fühlte, wie das
ſchaale, abgeſtandene Zeug Gewalt über ihn gewann,
wie ſeine Gedanken kürzer, eckiger, ſpringender wurden,

Conradi, Adam Menſch. 26
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0409" n="401"/>
nicht aus den Augen. Sie mußte das fühlen.<lb/>
Oefter, mit jähem, unvermitteltem Rucke, &#x017F;ah &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
nach ihm um. Er fing ihren Blick lächelnd, ironi&#x017F;ch,<lb/>
wie in halber, kopfnickender Genugthuung lächelnd, auf.<lb/>
Sie zuckte zurück .. und &#x017F;ah doch wieder zu ihm<lb/>
hinüber. Wohl &#x017F;treng und fin&#x017F;ter .. und doch dünkte<lb/>
es Adam zuweilen, als läge ein heißes, namenlos<lb/>
heißes und brün&#x017F;tiges Flehen in die&#x017F;em Blick &#x2014;<lb/>
eine er&#x017F;chütternde Bitte um Hülfe ... Rettung ...<lb/>
Erlö&#x017F;ung .... So blieb er &#x017F;itzen .. und trank &#x2014;<lb/><hi rendition="#g">ihr</hi> zu Gefallen. Sie intere&#x017F;&#x017F;irte ihn jetzt. <hi rendition="#g">Wie-<lb/>
der</hi> Eine .. <hi rendition="#g">wieder</hi> Eine ... <hi rendition="#g">wieder</hi> Eine ...<lb/>
Aber es war nun einmal &#x017F;o. Und er konnte &#x017F;ich<lb/>
des geheimnißvoll zwingenden, immer wach&#x017F;enden<lb/>
Eindruckes nicht erwehren. Und er trank weiter &#x2014;<lb/><hi rendition="#g">ihr</hi> zu Gefallen. Sie &#x017F;ah ihn &#x017F;o eigenthümlich an,<lb/>
wenn &#x017F;ie ein fri&#x017F;ches Glas Bier vor ihm hin&#x017F;tellte.<lb/>
Und jetzt waren gerade alle Gä&#x017F;te ver&#x017F;orgt, und &#x017F;ie<lb/>
hatte einen freien Augenblick. Sie wandte &#x017F;ich lang-<lb/>
&#x017F;am nach Adam um. Der winkte ihr mit den Augen.<lb/>
Sie trat zu ihm hin und beugte &#x017F;ich zu ihm nieder.<lb/>
Ge&#x017F;icht lag neben Ge&#x017F;icht, Adam hörte ihr heftiges,<lb/>
ha&#x017F;tiges Athmen. &#x201E;Wie heißt Du &#x2014;?&#x201C; raunte er<lb/>
ihr lei&#x017F;e zu.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Leni. Bleib' noch 'n Bißchen hier &#x2014; ich<lb/>
muß Dir nachher 'was &#x017F;agen &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Und er blieb und blieb und trank und trank<lb/>
weiter &#x2014; <hi rendition="#g">ihr</hi> zu Gefallen. Er fühlte, wie das<lb/>
&#x017F;chaale, abge&#x017F;tandene Zeug Gewalt über ihn gewann,<lb/>
wie &#x017F;eine Gedanken kürzer, eckiger, &#x017F;pringender wurden,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Conradi</hi>, Adam Men&#x017F;ch. 26</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[401/0409] nicht aus den Augen. Sie mußte das fühlen. Oefter, mit jähem, unvermitteltem Rucke, ſah ſie ſich nach ihm um. Er fing ihren Blick lächelnd, ironiſch, wie in halber, kopfnickender Genugthuung lächelnd, auf. Sie zuckte zurück .. und ſah doch wieder zu ihm hinüber. Wohl ſtreng und finſter .. und doch dünkte es Adam zuweilen, als läge ein heißes, namenlos heißes und brünſtiges Flehen in dieſem Blick — eine erſchütternde Bitte um Hülfe ... Rettung ... Erlöſung .... So blieb er ſitzen .. und trank — ihr zu Gefallen. Sie intereſſirte ihn jetzt. Wie- der Eine .. wieder Eine ... wieder Eine ... Aber es war nun einmal ſo. Und er konnte ſich des geheimnißvoll zwingenden, immer wachſenden Eindruckes nicht erwehren. Und er trank weiter — ihr zu Gefallen. Sie ſah ihn ſo eigenthümlich an, wenn ſie ein friſches Glas Bier vor ihm hinſtellte. Und jetzt waren gerade alle Gäſte verſorgt, und ſie hatte einen freien Augenblick. Sie wandte ſich lang- ſam nach Adam um. Der winkte ihr mit den Augen. Sie trat zu ihm hin und beugte ſich zu ihm nieder. Geſicht lag neben Geſicht, Adam hörte ihr heftiges, haſtiges Athmen. „Wie heißt Du —?“ raunte er ihr leiſe zu. „Leni. Bleib' noch 'n Bißchen hier — ich muß Dir nachher 'was ſagen — —“ Und er blieb und blieb und trank und trank weiter — ihr zu Gefallen. Er fühlte, wie das ſchaale, abgeſtandene Zeug Gewalt über ihn gewann, wie ſeine Gedanken kürzer, eckiger, ſpringender wurden, Conradi, Adam Menſch. 26

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/409
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/409>, abgerufen am 11.05.2024.