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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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von jenem Bankier, der schrieb, daß Herr Pfeiffer,
eben mein damaliger Bräutigam, nach langem Siech-
thum kürzlich am Lungenschlage gestorben wäre,
aber ohne daß er in den vier Jahren, die seitdem
verflossen wären, seine Schuld zurückgezahlt hätte.
Er hätte immer Geduld und Nachsicht mit dem
Kranken gehabt, nun müßte er sich aber an den
Bürgen halten, was ihm wohl Keiner verdenken
könnte. Aber wo soll Papa das Geld hernehmen?
Wir leben hauptsächlich nur von dem, was er und ich
verdienen. Unsere Verhältnisse sind, wie Du weißt, sehr
beschränkt. Ich mußte Dir das mittheilen, damit Du
weißt, woran Du bist. Es bleibt uns nichts weiter
übrig, wenn der Herr auf sein Recht besteht, als
unsere paar Sachen zu verkaufen. Es ist zu schreck-
lich. Was soll dann aus uns werden? Auch Du
kannst uns wohl nicht helfen, lieber Adam. Ich bin
zu unglücklich und weiß nicht, wie das drohende
neue Unglück abgewendet werden soll. Aber nun gute
Nacht, Geliebter. Behalte lieb Deine arme Hedwig.

Nachschrift. Papa ist auch sehr unglücklich, ganz
gebrochen, er spricht fast gar nicht und brütet nur
immer vor sich hin. Wenn er sich nur kein Leid
anthut. Das ertrüge ich nicht. Bitte komm morgen
bestimmt, lieber Adam."

Adam faltete den Brief, der ihn kaum aufgeregt
hatte, zusammen, steckte ihn ruhig wieder in sein
Couvert zurück und warf ihn in einen halboffenstehenden
Kasten seines Schreibschrankes Dann ging er nach-
denklich in seinem Zimmer auf und ab.

von jenem Bankier, der ſchrieb, daß Herr Pfeiffer,
eben mein damaliger Bräutigam, nach langem Siech-
thum kürzlich am Lungenſchlage geſtorben wäre,
aber ohne daß er in den vier Jahren, die ſeitdem
verfloſſen wären, ſeine Schuld zurückgezahlt hätte.
Er hätte immer Geduld und Nachſicht mit dem
Kranken gehabt, nun müßte er ſich aber an den
Bürgen halten, was ihm wohl Keiner verdenken
könnte. Aber wo ſoll Papa das Geld hernehmen?
Wir leben hauptſächlich nur von dem, was er und ich
verdienen. Unſere Verhältniſſe ſind, wie Du weißt, ſehr
beſchränkt. Ich mußte Dir das mittheilen, damit Du
weißt, woran Du biſt. Es bleibt uns nichts weiter
übrig, wenn der Herr auf ſein Recht beſteht, als
unſere paar Sachen zu verkaufen. Es iſt zu ſchreck-
lich. Was ſoll dann aus uns werden? Auch Du
kannſt uns wohl nicht helfen, lieber Adam. Ich bin
zu unglücklich und weiß nicht, wie das drohende
neue Unglück abgewendet werden ſoll. Aber nun gute
Nacht, Geliebter. Behalte lieb Deine arme Hedwig.

Nachſchrift. Papa iſt auch ſehr unglücklich, ganz
gebrochen, er ſpricht faſt gar nicht und brütet nur
immer vor ſich hin. Wenn er ſich nur kein Leid
anthut. Das ertrüge ich nicht. Bitte komm morgen
beſtimmt, lieber Adam.“

Adam faltete den Brief, der ihn kaum aufgeregt
hatte, zuſammen, ſteckte ihn ruhig wieder in ſein
Couvert zurück und warf ihn in einen halboffenſtehenden
Kaſten ſeines Schreibſchrankes Dann ging er nach-
denklich in ſeinem Zimmer auf und ab.

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[366/0374] von jenem Bankier, der ſchrieb, daß Herr Pfeiffer, eben mein damaliger Bräutigam, nach langem Siech- thum kürzlich am Lungenſchlage geſtorben wäre, aber ohne daß er in den vier Jahren, die ſeitdem verfloſſen wären, ſeine Schuld zurückgezahlt hätte. Er hätte immer Geduld und Nachſicht mit dem Kranken gehabt, nun müßte er ſich aber an den Bürgen halten, was ihm wohl Keiner verdenken könnte. Aber wo ſoll Papa das Geld hernehmen? Wir leben hauptſächlich nur von dem, was er und ich verdienen. Unſere Verhältniſſe ſind, wie Du weißt, ſehr beſchränkt. Ich mußte Dir das mittheilen, damit Du weißt, woran Du biſt. Es bleibt uns nichts weiter übrig, wenn der Herr auf ſein Recht beſteht, als unſere paar Sachen zu verkaufen. Es iſt zu ſchreck- lich. Was ſoll dann aus uns werden? Auch Du kannſt uns wohl nicht helfen, lieber Adam. Ich bin zu unglücklich und weiß nicht, wie das drohende neue Unglück abgewendet werden ſoll. Aber nun gute Nacht, Geliebter. Behalte lieb Deine arme Hedwig. Nachſchrift. Papa iſt auch ſehr unglücklich, ganz gebrochen, er ſpricht faſt gar nicht und brütet nur immer vor ſich hin. Wenn er ſich nur kein Leid anthut. Das ertrüge ich nicht. Bitte komm morgen beſtimmt, lieber Adam.“ Adam faltete den Brief, der ihn kaum aufgeregt hatte, zuſammen, ſteckte ihn ruhig wieder in ſein Couvert zurück und warf ihn in einen halboffenſtehenden Kaſten ſeines Schreibſchrankes Dann ging er nach- denklich in ſeinem Zimmer auf und ab.

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/374>, abgerufen am 25.11.2024.