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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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niß um Euch: wenn das Stündlein ruft, werdet Ihr
noch nicht zu Ende sein mit Eurer kleinen Leiden-
schaft für das Werden und Wachsen mit der Natur
-- sie wird Euch mit der Keule der anagke aufs
Haupt schlagen, diese letzte, nothwendige Stunde --
Ihr aber werdet verdutzt und verblüfft, Ihr werdet
unfertig sein -- und das Evangelium von der
Naturüberwindung durch das Naturbe-
greifen
wird Euch nicht ganz erfüllen. Geht!
Ihr seid nicht vom Geschlechte der Starken und
Freien -- vom Geschlechte der Gott- und Welt-
verächter
! Ihr seid Schwächlinge, Ihr seid
Memmen und Lügner. --

Ich aber bin stark und frei, weil ich erkannt
habe, daß ein Jeglicher sein eigener Richter sein soll
-- und daß ein Jeglicher die große Pflicht hat,
sich das Todesurtheil zu sprechen, wenn er die Er-
kenntniß empfangen hat! Ich habe überwunden.
Nicht schmerzlos. Aber ich ward wunschlos
. --"



Adam lehnte sich zurück. Er fühlte sich doch
merkwürdig ergriffen. Er athmete tief auf. Mit
herber, schneidender Wucht warf sich der Gegensatz
zwischen dem Einst und dem Jetzt auf ihn. Und nun
schoß es durch seine Brust wie ein brennender Strom
von Wuth und Scham vor sich. Ja! das waren
Lebensquintessenzen, an sich erfahrene, unwiderlegliche,
in tiefstem Grunde alle Werdenskräfte berücksichtigende
Wahrheiten. Und es war ihm einmal so ernst

niß um Euch: wenn das Stündlein ruft, werdet Ihr
noch nicht zu Ende ſein mit Eurer kleinen Leiden-
ſchaft für das Werden und Wachſen mit der Natur
— ſie wird Euch mit der Keule der ἀνάγκη aufs
Haupt ſchlagen, dieſe letzte, nothwendige Stunde —
Ihr aber werdet verdutzt und verblüfft, Ihr werdet
unfertig ſein — und das Evangelium von der
Naturüberwindung durch das Naturbe-
greifen
wird Euch nicht ganz erfüllen. Geht!
Ihr ſeid nicht vom Geſchlechte der Starken und
Freien — vom Geſchlechte der Gott- und Welt-
verächter
! Ihr ſeid Schwächlinge, Ihr ſeid
Memmen und Lügner. —

Ich aber bin ſtark und frei, weil ich erkannt
habe, daß ein Jeglicher ſein eigener Richter ſein ſoll
— und daß ein Jeglicher die große Pflicht hat,
ſich das Todesurtheil zu ſprechen, wenn er die Er-
kenntniß empfangen hat! Ich habe überwunden.
Nicht ſchmerzlos. Aber ich ward wunſchlos
. —“



Adam lehnte ſich zurück. Er fühlte ſich doch
merkwürdig ergriffen. Er athmete tief auf. Mit
herber, ſchneidender Wucht warf ſich der Gegenſatz
zwiſchen dem Einſt und dem Jetzt auf ihn. Und nun
ſchoß es durch ſeine Bruſt wie ein brennender Strom
von Wuth und Scham vor ſich. Ja! das waren
Lebensquinteſſenzen, an ſich erfahrene, unwiderlegliche,
in tiefſtem Grunde alle Werdenskräfte berückſichtigende
Wahrheiten. Und es war ihm einmal ſo ernſt

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[359/0367] niß um Euch: wenn das Stündlein ruft, werdet Ihr noch nicht zu Ende ſein mit Eurer kleinen Leiden- ſchaft für das Werden und Wachſen mit der Natur — ſie wird Euch mit der Keule der ἀνάγκη aufs Haupt ſchlagen, dieſe letzte, nothwendige Stunde — Ihr aber werdet verdutzt und verblüfft, Ihr werdet unfertig ſein — und das Evangelium von der Naturüberwindung durch das Naturbe- greifen wird Euch nicht ganz erfüllen. Geht! Ihr ſeid nicht vom Geſchlechte der Starken und Freien — vom Geſchlechte der Gott- und Welt- verächter! Ihr ſeid Schwächlinge, Ihr ſeid Memmen und Lügner. — Ich aber bin ſtark und frei, weil ich erkannt habe, daß ein Jeglicher ſein eigener Richter ſein ſoll — und daß ein Jeglicher die große Pflicht hat, ſich das Todesurtheil zu ſprechen, wenn er die Er- kenntniß empfangen hat! Ich habe überwunden. Nicht ſchmerzlos. Aber ich ward wunſchlos. —“ Adam lehnte ſich zurück. Er fühlte ſich doch merkwürdig ergriffen. Er athmete tief auf. Mit herber, ſchneidender Wucht warf ſich der Gegenſatz zwiſchen dem Einſt und dem Jetzt auf ihn. Und nun ſchoß es durch ſeine Bruſt wie ein brennender Strom von Wuth und Scham vor ſich. Ja! das waren Lebensquinteſſenzen, an ſich erfahrene, unwiderlegliche, in tiefſtem Grunde alle Werdenskräfte berückſichtigende Wahrheiten. Und es war ihm einmal ſo ernſt

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/367>, abgerufen am 22.11.2024.