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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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wehren sich dieses einschläfernden Staubregens. Ganz
läßt er sich überhaupt nicht fernhalten. Aber in
manchen Naturen lebt doch der Drang, einmal mit
imposanter Zusammenraffung aller Leidenschaften
und Kräfte die Kruste von sich zu schütteln, um
wieder eine Weile in einer Sphäre verjüngter Seelen-
freiheit, verjüngten Menschenthums athmen zu können.
Wieder wird dieser Staub fallen .. da giebts kein
Entrinnen -- und unangetastet bleibt Keiner der Sterb-
lichen. Wieder wird er fallen, leise wird er sich
über die üppig wuchernde, strotzend blühende, mit
satter Kraft empordrängende Willens- und Sehn-
suchtslandschaft deiner zürnenden, rebellirenden Brust
breiten -- leise wird er sich dichten und häufen
und ganz gemach wirst du wieder eingereiht, lieber
Spießgesell und unfreiwilliger Spaßgesell, in die
Riesenlegion der Alltagskinder, die da sich bücken
und schicken und der Sterne vergessen und aller
gewaltigen Wunder im Himmel und auf Erden,
deren inbrünstige Beachtung und zärtliche Betrachtung
sie emporrisse aus der Kleinheit und Enge und
inneren Gelähmtheit ihrer Existenz .... Aber auch
ich -- auch ich lag im harten Banne des Staubes,
und matt schlug mein Herz, langsam kroch mein
Blut -- -- -- -- --"

"-- -- langsam kroch mein Blut" sprach Adam
leise nach und legte die Blätter apathisch aus der
Hand. "Das scheint doch öfter vorzukommen", fuhr
er fort -- "auch heute kriecht sotanes Blut wieder
verflucht langsam. Es liegt so viel Staub und

wehren ſich dieſes einſchläfernden Staubregens. Ganz
läßt er ſich überhaupt nicht fernhalten. Aber in
manchen Naturen lebt doch der Drang, einmal mit
impoſanter Zuſammenraffung aller Leidenſchaften
und Kräfte die Kruſte von ſich zu ſchütteln, um
wieder eine Weile in einer Sphäre verjüngter Seelen-
freiheit, verjüngten Menſchenthums athmen zu können.
Wieder wird dieſer Staub fallen .. da giebts kein
Entrinnen — und unangetaſtet bleibt Keiner der Sterb-
lichen. Wieder wird er fallen, leiſe wird er ſich
über die üppig wuchernde, ſtrotzend blühende, mit
ſatter Kraft empordrängende Willens- und Sehn-
ſuchtslandſchaft deiner zürnenden, rebellirenden Bruſt
breiten — leiſe wird er ſich dichten und häufen
und ganz gemach wirſt du wieder eingereiht, lieber
Spießgeſell und unfreiwilliger Spaßgeſell, in die
Rieſenlegion der Alltagskinder, die da ſich bücken
und ſchicken und der Sterne vergeſſen und aller
gewaltigen Wunder im Himmel und auf Erden,
deren inbrünſtige Beachtung und zärtliche Betrachtung
ſie emporriſſe aus der Kleinheit und Enge und
inneren Gelähmtheit ihrer Exiſtenz .... Aber auch
ich — auch ich lag im harten Banne des Staubes,
und matt ſchlug mein Herz, langſam kroch mein
Blut — — — — —“

„— — langſam kroch mein Blut“ ſprach Adam
leiſe nach und legte die Blätter apathiſch aus der
Hand. „Das ſcheint doch öfter vorzukommen“, fuhr
er fort — „auch heute kriecht ſotanes Blut wieder
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[349/0357] wehren ſich dieſes einſchläfernden Staubregens. Ganz läßt er ſich überhaupt nicht fernhalten. Aber in manchen Naturen lebt doch der Drang, einmal mit impoſanter Zuſammenraffung aller Leidenſchaften und Kräfte die Kruſte von ſich zu ſchütteln, um wieder eine Weile in einer Sphäre verjüngter Seelen- freiheit, verjüngten Menſchenthums athmen zu können. Wieder wird dieſer Staub fallen .. da giebts kein Entrinnen — und unangetaſtet bleibt Keiner der Sterb- lichen. Wieder wird er fallen, leiſe wird er ſich über die üppig wuchernde, ſtrotzend blühende, mit ſatter Kraft empordrängende Willens- und Sehn- ſuchtslandſchaft deiner zürnenden, rebellirenden Bruſt breiten — leiſe wird er ſich dichten und häufen und ganz gemach wirſt du wieder eingereiht, lieber Spießgeſell und unfreiwilliger Spaßgeſell, in die Rieſenlegion der Alltagskinder, die da ſich bücken und ſchicken und der Sterne vergeſſen und aller gewaltigen Wunder im Himmel und auf Erden, deren inbrünſtige Beachtung und zärtliche Betrachtung ſie emporriſſe aus der Kleinheit und Enge und inneren Gelähmtheit ihrer Exiſtenz .... Aber auch ich — auch ich lag im harten Banne des Staubes, und matt ſchlug mein Herz, langſam kroch mein Blut — — — — —“ „— — langſam kroch mein Blut“ ſprach Adam leiſe nach und legte die Blätter apathiſch aus der Hand. „Das ſcheint doch öfter vorzukommen“, fuhr er fort — „auch heute kriecht ſotanes Blut wieder verflucht langſam. Es liegt ſo viel Staub und

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/357>, abgerufen am 12.05.2024.