der seine sublim vibrende Natur bis dahin nur gespielt; über die sie nur gespöttelt; die sie nur sehr aus der Ent- fernung herausgefordert hatte. Das war recht fatal. Aber andrerseits war es doch unmöglich, daß er jetzt plötzlich zurückhakte, andere Saiten aufzog und seinem liebenswürdigen, willfährigen Schwiegerpapa in aus- führlicher Rede zu Gemüthe führte, daß es für beide Parteien wahrlich am Besten wäre, wenn er auf die Ehre, eben sein Schwiegerpapa zu werden, verzich- tete -- nicht? das war doch ganz unmöglich! Adam wurde dem alten, hülflosen, gebrochenen Manne ernst- lich gram. Er schalt ihn den ärgsten Egoisten von der Welt. Denn wenn er nicht immer nur an sich und seine eigenen Schmerzen dachte, mußte er doch einsehen, daß eine Ehe .. und selbst nur eine auf längere Dauer gemünzte "wilde Ehe" .. zwischen seiner Tochter und diesem unzuverlässigen Weltkinde nach Allem, was dieses Weltkind mit naiver Offenheit über sich ausgeplaudert und verrathen hatte -- wenn nicht eine direkte Unmöglichkeit, so doch mindestens eine Ver- rücktheit erster Güte sein würde ... ein Stückchen unglaublich geschickt inscenirter Unnatur! Aber das begriff der Mann nicht .. und Adam besaß nicht den Muth, es ihm klarzumachen. So blieb ihm vorläufig nichts weiter übrig, als in den sauern Hering zu beißen, der ja eine ganz vortreffliche Katerspeise abgeben soll. Aber vielleicht wollte und wußte das "Schicksal" doch noch eine andere Lösung dieses pikanten Problems. Es galt sich in Geduld zu fassen .. und zunächst in der Maske des be-
der ſeine ſublim vibrende Natur bis dahin nur geſpielt; über die ſie nur geſpöttelt; die ſie nur ſehr aus der Ent- fernung herausgefordert hatte. Das war recht fatal. Aber andrerſeits war es doch unmöglich, daß er jetzt plötzlich zurückhakte, andere Saiten aufzog und ſeinem liebenswürdigen, willfährigen Schwiegerpapa in aus- führlicher Rede zu Gemüthe führte, daß es für beide Parteien wahrlich am Beſten wäre, wenn er auf die Ehre, eben ſein Schwiegerpapa zu werden, verzich- tete — nicht? das war doch ganz unmöglich! Adam wurde dem alten, hülfloſen, gebrochenen Manne ernſt- lich gram. Er ſchalt ihn den ärgſten Egoiſten von der Welt. Denn wenn er nicht immer nur an ſich und ſeine eigenen Schmerzen dachte, mußte er doch einſehen, daß eine Ehe .. und ſelbſt nur eine auf längere Dauer gemünzte „wilde Ehe“ .. zwiſchen ſeiner Tochter und dieſem unzuverläſſigen Weltkinde nach Allem, was dieſes Weltkind mit naiver Offenheit über ſich ausgeplaudert und verrathen hatte — wenn nicht eine direkte Unmöglichkeit, ſo doch mindeſtens eine Ver- rücktheit erſter Güte ſein würde ... ein Stückchen unglaublich geſchickt inſcenirter Unnatur! Aber das begriff der Mann nicht .. und Adam beſaß nicht den Muth, es ihm klarzumachen. So blieb ihm vorläufig nichts weiter übrig, als in den ſauern Hering zu beißen, der ja eine ganz vortreffliche Katerſpeiſe abgeben ſoll. Aber vielleicht wollte und wußte das „Schickſal“ doch noch eine andere Löſung dieſes pikanten Problems. Es galt ſich in Geduld zu faſſen .. und zunächſt in der Maske des be-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0344"n="336"/>
der ſeine ſublim vibrende Natur bis dahin nur geſpielt;<lb/>
über die ſie nur geſpöttelt; die ſie nur ſehr aus der Ent-<lb/>
fernung herausgefordert hatte. Das war recht fatal.<lb/>
Aber andrerſeits war es doch unmöglich, daß er jetzt<lb/>
plötzlich zurückhakte, andere Saiten aufzog und ſeinem<lb/>
liebenswürdigen, willfährigen Schwiegerpapa in aus-<lb/>
führlicher Rede zu Gemüthe führte, daß es für beide<lb/>
Parteien wahrlich am Beſten wäre, wenn er auf die<lb/>
Ehre, eben ſein Schwiegerpapa zu werden, verzich-<lb/>
tete — nicht? das war doch ganz unmöglich! Adam<lb/>
wurde dem alten, hülfloſen, gebrochenen Manne ernſt-<lb/>
lich gram. Er ſchalt ihn den ärgſten Egoiſten von<lb/>
der Welt. Denn wenn er nicht immer nur an ſich und<lb/>ſeine eigenen Schmerzen dachte, mußte er doch einſehen,<lb/>
daß eine Ehe .. und ſelbſt nur eine auf längere Dauer<lb/>
gemünzte „wilde Ehe“ .. zwiſchen ſeiner Tochter<lb/>
und dieſem unzuverläſſigen Weltkinde nach Allem,<lb/>
was dieſes Weltkind mit naiver Offenheit über ſich<lb/>
ausgeplaudert und verrathen hatte — wenn nicht eine<lb/>
direkte Unmöglichkeit, ſo doch mindeſtens eine Ver-<lb/>
rücktheit erſter Güte ſein würde ... ein Stückchen<lb/>
unglaublich geſchickt inſcenirter Unnatur! Aber das<lb/>
begriff der Mann nicht .. und Adam beſaß nicht<lb/>
den Muth, es ihm klarzumachen. So blieb ihm<lb/>
vorläufig nichts weiter übrig, als in den ſauern<lb/>
Hering zu beißen, der ja eine ganz vortreffliche<lb/>
Katerſpeiſe abgeben ſoll. Aber vielleicht wollte und<lb/>
wußte das „Schickſal“ doch noch eine andere Löſung<lb/>
dieſes pikanten Problems. Es galt ſich in Geduld<lb/>
zu faſſen .. und zunächſt in der Maske des be-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[336/0344]
der ſeine ſublim vibrende Natur bis dahin nur geſpielt;
über die ſie nur geſpöttelt; die ſie nur ſehr aus der Ent-
fernung herausgefordert hatte. Das war recht fatal.
Aber andrerſeits war es doch unmöglich, daß er jetzt
plötzlich zurückhakte, andere Saiten aufzog und ſeinem
liebenswürdigen, willfährigen Schwiegerpapa in aus-
führlicher Rede zu Gemüthe führte, daß es für beide
Parteien wahrlich am Beſten wäre, wenn er auf die
Ehre, eben ſein Schwiegerpapa zu werden, verzich-
tete — nicht? das war doch ganz unmöglich! Adam
wurde dem alten, hülfloſen, gebrochenen Manne ernſt-
lich gram. Er ſchalt ihn den ärgſten Egoiſten von
der Welt. Denn wenn er nicht immer nur an ſich und
ſeine eigenen Schmerzen dachte, mußte er doch einſehen,
daß eine Ehe .. und ſelbſt nur eine auf längere Dauer
gemünzte „wilde Ehe“ .. zwiſchen ſeiner Tochter
und dieſem unzuverläſſigen Weltkinde nach Allem,
was dieſes Weltkind mit naiver Offenheit über ſich
ausgeplaudert und verrathen hatte — wenn nicht eine
direkte Unmöglichkeit, ſo doch mindeſtens eine Ver-
rücktheit erſter Güte ſein würde ... ein Stückchen
unglaublich geſchickt inſcenirter Unnatur! Aber das
begriff der Mann nicht .. und Adam beſaß nicht
den Muth, es ihm klarzumachen. So blieb ihm
vorläufig nichts weiter übrig, als in den ſauern
Hering zu beißen, der ja eine ganz vortreffliche
Katerſpeiſe abgeben ſoll. Aber vielleicht wollte und
wußte das „Schickſal“ doch noch eine andere Löſung
dieſes pikanten Problems. Es galt ſich in Geduld
zu faſſen .. und zunächſt in der Maske des be-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/344>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.