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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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Schwung und Stil in diese vage Abrechnung kommen
sollte.

Irmer hob seine linke Hand, die schielend und unbe-
stimmt auf dem Schreibtische gelegen, schwerfällig in die
Höhe und ließ sie schnell wieder niederfallen, als
besäße er keine Macht mehr über Muskel und
Gelenk. Dazu schüttelte er ein Wenig den Kopf,
sagte aber weiter Nichts.

"-- 's scheint Ihnen nichts daran zu liegen, Herr
Doctor, daß wir uns näher aussprechen --" nahm
Adam wieder das Wort, einen hochfahrenden Ton
in der Stimme. "Ich hatte allerdings erwartet,
daß -- nun! vielleicht ist es besser, wenn wir ein-
fach mit der vorliegenden Thatsache rechnen. Ich bin
auch damit zufrieden. Die Frage ist jetzt also die,
ob Sie gestatten, daß Hedwig so lange zu Ihnen
zurückkehrt, bis ich in der Lage bin, sie als mein
eheliches Weib .. -- also .. meinetwegen --: heimzu-
führen ... Das kann noch eine Weile dauern --
darüber können noch einige Monate hingehen --
ich muß mir erst eine Situation schaffen, die mir
erlaubt -- --"

"Mein Kind! Mein Kind! Meine einzige
Hoffnung -- meinen einzigen Halt nehmen Sie
mir, Herr Doctor .. haben Sie mir genommen ..
was soll ich nun noch hier? Es ist ja Alles für
mich vorbei -- Alles werthlos geworden. Blut und
Jugend sind stärker gewesen, als alle meine Ein-
flüsse .. als alle Erfahrungen und Erkenntnisse,
die ich Hedwig einzuflößen gesucht, durch die ich sie

Schwung und Stil in dieſe vage Abrechnung kommen
ſollte.

Irmer hob ſeine linke Hand, die ſchielend und unbe-
ſtimmt auf dem Schreibtiſche gelegen, ſchwerfällig in die
Höhe und ließ ſie ſchnell wieder niederfallen, als
beſäße er keine Macht mehr über Muskel und
Gelenk. Dazu ſchüttelte er ein Wenig den Kopf,
ſagte aber weiter Nichts.

„— 's ſcheint Ihnen nichts daran zu liegen, Herr
Doctor, daß wir uns näher ausſprechen —“ nahm
Adam wieder das Wort, einen hochfahrenden Ton
in der Stimme. „Ich hatte allerdings erwartet,
daß — nun! vielleicht iſt es beſſer, wenn wir ein-
fach mit der vorliegenden Thatſache rechnen. Ich bin
auch damit zufrieden. Die Frage iſt jetzt alſo die,
ob Sie geſtatten, daß Hedwig ſo lange zu Ihnen
zurückkehrt, bis ich in der Lage bin, ſie als mein
eheliches Weib .. — alſo .. meinetwegen —: heimzu-
führen ... Das kann noch eine Weile dauern —
darüber können noch einige Monate hingehen —
ich muß mir erſt eine Situation ſchaffen, die mir
erlaubt — —“

„Mein Kind! Mein Kind! Meine einzige
Hoffnung — meinen einzigen Halt nehmen Sie
mir, Herr Doctor .. haben Sie mir genommen ..
was ſoll ich nun noch hier? Es iſt ja Alles für
mich vorbei — Alles werthlos geworden. Blut und
Jugend ſind ſtärker geweſen, als alle meine Ein-
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[332/0340] Schwung und Stil in dieſe vage Abrechnung kommen ſollte. Irmer hob ſeine linke Hand, die ſchielend und unbe- ſtimmt auf dem Schreibtiſche gelegen, ſchwerfällig in die Höhe und ließ ſie ſchnell wieder niederfallen, als beſäße er keine Macht mehr über Muskel und Gelenk. Dazu ſchüttelte er ein Wenig den Kopf, ſagte aber weiter Nichts. „— 's ſcheint Ihnen nichts daran zu liegen, Herr Doctor, daß wir uns näher ausſprechen —“ nahm Adam wieder das Wort, einen hochfahrenden Ton in der Stimme. „Ich hatte allerdings erwartet, daß — nun! vielleicht iſt es beſſer, wenn wir ein- fach mit der vorliegenden Thatſache rechnen. Ich bin auch damit zufrieden. Die Frage iſt jetzt alſo die, ob Sie geſtatten, daß Hedwig ſo lange zu Ihnen zurückkehrt, bis ich in der Lage bin, ſie als mein eheliches Weib .. — alſo .. meinetwegen —: heimzu- führen ... Das kann noch eine Weile dauern — darüber können noch einige Monate hingehen — ich muß mir erſt eine Situation ſchaffen, die mir erlaubt — —“ „Mein Kind! Mein Kind! Meine einzige Hoffnung — meinen einzigen Halt nehmen Sie mir, Herr Doctor .. haben Sie mir genommen .. was ſoll ich nun noch hier? Es iſt ja Alles für mich vorbei — Alles werthlos geworden. Blut und Jugend ſind ſtärker geweſen, als alle meine Ein- flüſſe .. als alle Erfahrungen und Erkenntniſſe, die ich Hedwig einzuflößen geſucht, durch die ich ſie

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/340>, abgerufen am 22.11.2024.