Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

Glieder und erweckten sich zu neuem Liebesleben.
Dann wieder ein mähliges Ablassen von einander ..
ein neues Müdewerden und Eindämmern .. und
ein Neuerwachen. Sie sahen sich in die Augen,
trugen keimende Küsse auf die Lippen und pflückten
die süßen, berauschenden Früchte. "Aber nun wollen
wir schlafen, Geliebter -- --" "Ja, Hedwig! Aber
erst -- -- --" "Nein! Laß, Bester! Mich friert
so! .. --" "Mir ist erstickend heiß! ich dampfe --"
und Adam küßte diskret die Brust seiner Geliebten ...
diese Brust, die so weiß und so elastisch war, wie
ein weichgekochtes, nervös vibrirendes Ei ...

Unerschöpflich ist die Phantasie genießender Liebe ..
unermüdlich weiß sie neue Reize aufzuspüren und
auszukosten.

So schliefen sie in den wachsenden Tag hinein. Es
wurde lebendig auf dem Vorsaal, man lief hin und her
und sprach jetzt lauter, jetzt leiser. Die bunte Welt der
Geräusche durchstach so oft die zarte Schaale ihres
Schlafes. Manches nahmen sie wohl mit hinüber in
die gaukelnden Traumfetzen, die sie gebären mußten.
Auch von der Straße herauf sprach das Leben, das die
vernünftigen Menschen wieder in Angriff genommen
hatten, so oft in ihre zusammenknospende Rast hinein.
Fliegen surrten um sie herum und schreckten sie auf. Und
immer heißer wurde es auf dem gemeinsamen Lager.

Hedwig schlummerte. Leise und langsam gingen
ihre Athemzüge. Adam stützte den Kopf auf seine
rechte Hand und betrachtete die Schlafende. Ihre
Haut war nicht rein .. und jetzt merkwürdig durch-

Glieder und erweckten ſich zu neuem Liebesleben.
Dann wieder ein mähliges Ablaſſen von einander ..
ein neues Müdewerden und Eindämmern .. und
ein Neuerwachen. Sie ſahen ſich in die Augen,
trugen keimende Küſſe auf die Lippen und pflückten
die ſüßen, berauſchenden Früchte. „Aber nun wollen
wir ſchlafen, Geliebter — —“ „Ja, Hedwig! Aber
erſt — — —“ „Nein! Laß, Beſter! Mich friert
ſo! .. —“ „Mir iſt erſtickend heiß! ich dampfe —“
und Adam küßte diskret die Bruſt ſeiner Geliebten ...
dieſe Bruſt, die ſo weiß und ſo elaſtiſch war, wie
ein weichgekochtes, nervös vibrirendes Ei ...

Unerſchöpflich iſt die Phantaſie genießender Liebe ..
unermüdlich weiß ſie neue Reize aufzuſpüren und
auszukoſten.

So ſchliefen ſie in den wachſenden Tag hinein. Es
wurde lebendig auf dem Vorſaal, man lief hin und her
und ſprach jetzt lauter, jetzt leiſer. Die bunte Welt der
Geräuſche durchſtach ſo oft die zarte Schaale ihres
Schlafes. Manches nahmen ſie wohl mit hinüber in
die gaukelnden Traumfetzen, die ſie gebären mußten.
Auch von der Straße herauf ſprach das Leben, das die
vernünftigen Menſchen wieder in Angriff genommen
hatten, ſo oft in ihre zuſammenknospende Raſt hinein.
Fliegen ſurrten um ſie herum und ſchreckten ſie auf. Und
immer heißer wurde es auf dem gemeinſamen Lager.

Hedwig ſchlummerte. Leiſe und langſam gingen
ihre Athemzüge. Adam ſtützte den Kopf auf ſeine
rechte Hand und betrachtete die Schlafende. Ihre
Haut war nicht rein .. und jetzt merkwürdig durch-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0306" n="298"/>
Glieder und erweckten &#x017F;ich zu neuem Liebesleben.<lb/>
Dann wieder ein mähliges Abla&#x017F;&#x017F;en von einander ..<lb/>
ein neues Müdewerden und Eindämmern .. und<lb/>
ein Neuerwachen. Sie &#x017F;ahen &#x017F;ich in die Augen,<lb/>
trugen keimende Kü&#x017F;&#x017F;e auf die Lippen und pflückten<lb/>
die &#x017F;üßen, berau&#x017F;chenden Früchte. &#x201E;Aber nun wollen<lb/>
wir &#x017F;chlafen, Geliebter &#x2014; &#x2014;&#x201C; &#x201E;Ja, Hedwig! Aber<lb/>
er&#x017F;t &#x2014; &#x2014; &#x2014;&#x201C; &#x201E;Nein! Laß, Be&#x017F;ter! Mich friert<lb/>
&#x017F;o! .. &#x2014;&#x201C; &#x201E;Mir i&#x017F;t er&#x017F;tickend heiß! ich dampfe &#x2014;&#x201C;<lb/>
und Adam küßte diskret die Bru&#x017F;t &#x017F;einer Geliebten ...<lb/>
die&#x017F;e Bru&#x017F;t, die &#x017F;o weiß und &#x017F;o ela&#x017F;ti&#x017F;ch war, wie<lb/>
ein weichgekochtes, nervös vibrirendes Ei ...</p><lb/>
        <p>Uner&#x017F;chöpflich i&#x017F;t die Phanta&#x017F;ie genießender Liebe ..<lb/>
unermüdlich weiß &#x017F;ie neue Reize aufzu&#x017F;püren und<lb/>
auszuko&#x017F;ten.</p><lb/>
        <p>So &#x017F;chliefen &#x017F;ie in den wach&#x017F;enden Tag hinein. Es<lb/>
wurde lebendig auf dem Vor&#x017F;aal, man lief hin und her<lb/>
und &#x017F;prach jetzt lauter, jetzt lei&#x017F;er. Die bunte Welt der<lb/>
Geräu&#x017F;che durch&#x017F;tach &#x017F;o oft die zarte Schaale ihres<lb/>
Schlafes. Manches nahmen &#x017F;ie wohl mit hinüber in<lb/>
die gaukelnden Traumfetzen, die &#x017F;ie gebären mußten.<lb/>
Auch von der Straße herauf &#x017F;prach das Leben, das die<lb/>
vernünftigen Men&#x017F;chen wieder in Angriff genommen<lb/>
hatten, &#x017F;o oft in ihre zu&#x017F;ammenknospende Ra&#x017F;t hinein.<lb/>
Fliegen &#x017F;urrten um &#x017F;ie herum und &#x017F;chreckten &#x017F;ie auf. Und<lb/>
immer heißer wurde es auf dem gemein&#x017F;amen Lager.</p><lb/>
        <p>Hedwig &#x017F;chlummerte. Lei&#x017F;e und lang&#x017F;am gingen<lb/>
ihre Athemzüge. Adam &#x017F;tützte den Kopf auf &#x017F;eine<lb/>
rechte Hand und betrachtete die Schlafende. Ihre<lb/>
Haut war nicht rein .. und jetzt merkwürdig durch-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0306] Glieder und erweckten ſich zu neuem Liebesleben. Dann wieder ein mähliges Ablaſſen von einander .. ein neues Müdewerden und Eindämmern .. und ein Neuerwachen. Sie ſahen ſich in die Augen, trugen keimende Küſſe auf die Lippen und pflückten die ſüßen, berauſchenden Früchte. „Aber nun wollen wir ſchlafen, Geliebter — —“ „Ja, Hedwig! Aber erſt — — —“ „Nein! Laß, Beſter! Mich friert ſo! .. —“ „Mir iſt erſtickend heiß! ich dampfe —“ und Adam küßte diskret die Bruſt ſeiner Geliebten ... dieſe Bruſt, die ſo weiß und ſo elaſtiſch war, wie ein weichgekochtes, nervös vibrirendes Ei ... Unerſchöpflich iſt die Phantaſie genießender Liebe .. unermüdlich weiß ſie neue Reize aufzuſpüren und auszukoſten. So ſchliefen ſie in den wachſenden Tag hinein. Es wurde lebendig auf dem Vorſaal, man lief hin und her und ſprach jetzt lauter, jetzt leiſer. Die bunte Welt der Geräuſche durchſtach ſo oft die zarte Schaale ihres Schlafes. Manches nahmen ſie wohl mit hinüber in die gaukelnden Traumfetzen, die ſie gebären mußten. Auch von der Straße herauf ſprach das Leben, das die vernünftigen Menſchen wieder in Angriff genommen hatten, ſo oft in ihre zuſammenknospende Raſt hinein. Fliegen ſurrten um ſie herum und ſchreckten ſie auf. Und immer heißer wurde es auf dem gemeinſamen Lager. Hedwig ſchlummerte. Leiſe und langſam gingen ihre Athemzüge. Adam ſtützte den Kopf auf ſeine rechte Hand und betrachtete die Schlafende. Ihre Haut war nicht rein .. und jetzt merkwürdig durch-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/306
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/306>, abgerufen am 13.05.2024.