"Nun ja!. Das ist nämlich ein wunderhübsches und dazu ein äußerst vorurtheilsloses Kind -- ein ,Weltkind' -- ein ,Kind der Sünde' -- wie Du willst, Hedwig, -- aber entzückend, sage ich Dir, entzückend -- leider von Natur ebenso zur Untreue und Unbeständigkeit angelegt, wie ich -- ich habe wirklich sehr pikante Stunden mit dem emancipirten Fräulein verlebt, kann ich Dir sagen --"
"Aber Adam! Nein! Ich gehe keinen Schritt weiter mit Dir! -- Das sagst Du mir?! Waren denn alle Deine Worte vorhin Lügen --?"
"Lügen? Warum Lügen? Ich habe Dir doch soeben nur ein harmloses historisches Faktum mitge- theilt -- daß auch ich so etwas wie eine ,Vergangen- heit' besitze -- nun! -- ich habe mir schon erlaubt, Dir vorhin davon Andeutungen zu machen, dächte ich. Oder hast Du's überhört? Das wäre schlimm --"
"Die Vergangenheit scheint aber noch stark genug Gegenwart bei Dir zu sein .." erwiderte Hedwig, sehr entrüstet und sehr erbittert, wie es schien.
"Vergangenheit und Gegenwart lassen sich be- kanntlich nicht haarscharf trennen von einander -- ja! im Grunde überhaupt nicht trennen -- seien wir nicht so hagebüchen unlogisch, mein Lieb! Alles Gewesene wirkt nach. Wie sollten wir sonst Rassen- feindschaften, Krebsgeschwüre, Knochenverkalkungen und allerlei seelische Blutvergiftungen erklären? Wir schleppen die Bagnokugel unserer speziellen Ver- gangenheit Alle mit herum. Das Ding wächst sogar
„Deine Emmy? — Was? — —“
„Nun ja!. Das iſt nämlich ein wunderhübſches und dazu ein äußerſt vorurtheilsloſes Kind — ein ‚Weltkind‘ — ein ‚Kind der Sünde‘ — wie Du willſt, Hedwig, — aber entzückend, ſage ich Dir, entzückend — leider von Natur ebenſo zur Untreue und Unbeſtändigkeit angelegt, wie ich — ich habe wirklich ſehr pikante Stunden mit dem emancipirten Fräulein verlebt, kann ich Dir ſagen —“
„Aber Adam! Nein! Ich gehe keinen Schritt weiter mit Dir! — Das ſagſt Du mir?! Waren denn alle Deine Worte vorhin Lügen —?“
„Lügen? Warum Lügen? Ich habe Dir doch ſoeben nur ein harmloſes hiſtoriſches Faktum mitge- theilt — daß auch ich ſo etwas wie eine ‚Vergangen- heit‘ beſitze — nun! — ich habe mir ſchon erlaubt, Dir vorhin davon Andeutungen zu machen, dächte ich. Oder haſt Du's überhört? Das wäre ſchlimm —“
„Die Vergangenheit ſcheint aber noch ſtark genug Gegenwart bei Dir zu ſein ..“ erwiderte Hedwig, ſehr entrüſtet und ſehr erbittert, wie es ſchien.
„Vergangenheit und Gegenwart laſſen ſich be- kanntlich nicht haarſcharf trennen von einander — ja! im Grunde überhaupt nicht trennen — ſeien wir nicht ſo hagebüchen unlogiſch, mein Lieb! Alles Geweſene wirkt nach. Wie ſollten wir ſonſt Raſſen- feindſchaften, Krebsgeſchwüre, Knochenverkalkungen und allerlei ſeeliſche Blutvergiftungen erklären? Wir ſchleppen die Bagnokugel unſerer ſpeziellen Ver- gangenheit Alle mit herum. Das Ding wächſt ſogar
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„Deine Emmy? — Was? — —“
„Nun ja!. Das iſt nämlich ein wunderhübſches
und dazu ein äußerſt vorurtheilsloſes Kind — ein
‚Weltkind‘ — ein ‚Kind der Sünde‘ — wie Du
willſt, Hedwig, — aber entzückend, ſage ich Dir,
entzückend — leider von Natur ebenſo zur Untreue
und Unbeſtändigkeit angelegt, wie ich — ich habe
wirklich ſehr pikante Stunden mit dem emancipirten
Fräulein verlebt, kann ich Dir ſagen —“
„Aber Adam! Nein! Ich gehe keinen Schritt
weiter mit Dir! — Das ſagſt Du mir?! Waren
denn alle Deine Worte vorhin Lügen —?“
„Lügen? Warum Lügen? Ich habe Dir doch
ſoeben nur ein harmloſes hiſtoriſches Faktum mitge-
theilt — daß auch ich ſo etwas wie eine ‚Vergangen-
heit‘ beſitze — nun! — ich habe mir ſchon erlaubt,
Dir vorhin davon Andeutungen zu machen, dächte
ich. Oder haſt Du's überhört? Das wäre ſchlimm —“
„Die Vergangenheit ſcheint aber noch ſtark genug
Gegenwart bei Dir zu ſein ..“ erwiderte Hedwig,
ſehr entrüſtet und ſehr erbittert, wie es ſchien.
„Vergangenheit und Gegenwart laſſen ſich be-
kanntlich nicht haarſcharf trennen von einander —
ja! im Grunde überhaupt nicht trennen — ſeien
wir nicht ſo hagebüchen unlogiſch, mein Lieb! Alles
Geweſene wirkt nach. Wie ſollten wir ſonſt Raſſen-
feindſchaften, Krebsgeſchwüre, Knochenverkalkungen
und allerlei ſeeliſche Blutvergiftungen erklären? Wir
ſchleppen die Bagnokugel unſerer ſpeziellen Ver-
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/270>, abgerufen am 25.11.2024.
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