Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

Erwähnung ihrer "Vergangenheit" -- was hatte sie
denn damit sagen wollen? Ihre Schlußworte hatten
ihn doch frappirt. Eh bien -- eine "Vergangen-
heit" -- eine "Vergangenheit" hat schließlich Jeder
... und es ist immerhin besser, eine hinter sich, als
eine vor sich zu haben ... Aber .. aber es ist doch ...
doch immerhin mißlich für einen Mann, wenn eine
Frau, mit welcher er verkehrt -- und die er .. die er
also liebt -- wenn eine solche Frau eine "Vergangen-
heit" hat. Das kann unter Umständen sehr weh thun.
Aber es ist eigentlich zu dumm ... zu dumm .. Sitzen
denn diese verfluchten Vorurtheile so fest -- sind sie so
eingewurzelt -- so die ganze Natur durchtränkend und
überklettend vererbt? Entsetzlich ist dieser Zwang des
Gewesenen -- und lächerlich -- über alle Begriffe
lächerlich dazu! Und doch -- -- und doch -- -- ach!
Wer hat schon gegen das "ewig Gestrige," das allem
Geborenen eingeimpft wird, mit Erfolg gekämpft --?

Adam athmete schwer. Er wollte einen leichten,
lustigen, burschikosen Ton anschlagen, aber es gelang
ihm nicht.

"Eine Vergangenheit --?" fragte er ebenso leise,
wie Hedwig ihre letzten Worte geflüstert hatte.

"Ja! --"

"Aber zum Teufel --" nun brach der Grimm
über seine altehrwürdige Auffassung bei Adam
doch durch -- "aber zum Teufel, mein Lieb, --
was geht mich denn Deine sogenannte ,Vergangen-
heit' an? Oder glaubst Du etwa, ich hätte keine ,Ver-
gangenheit'? Da irrtest Du Dich doch gewaltig --"

Erwähnung ihrer „Vergangenheit“ — was hatte ſie
denn damit ſagen wollen? Ihre Schlußworte hatten
ihn doch frappirt. Eh bien — eine „Vergangen-
heit“ — eine „Vergangenheit“ hat ſchließlich Jeder
... und es iſt immerhin beſſer, eine hinter ſich, als
eine vor ſich zu haben ... Aber .. aber es iſt doch ...
doch immerhin mißlich für einen Mann, wenn eine
Frau, mit welcher er verkehrt — und die er .. die er
alſo liebt — wenn eine ſolche Frau eine „Vergangen-
heit“ hat. Das kann unter Umſtänden ſehr weh thun.
Aber es iſt eigentlich zu dumm ... zu dumm .. Sitzen
denn dieſe verfluchten Vorurtheile ſo feſt — ſind ſie ſo
eingewurzelt — ſo die ganze Natur durchtränkend und
überklettend vererbt? Entſetzlich iſt dieſer Zwang des
Geweſenen — und lächerlich — über alle Begriffe
lächerlich dazu! Und doch — — und doch — — ach!
Wer hat ſchon gegen das „ewig Geſtrige,“ das allem
Geborenen eingeimpft wird, mit Erfolg gekämpft —?

Adam athmete ſchwer. Er wollte einen leichten,
luſtigen, burſchikoſen Ton anſchlagen, aber es gelang
ihm nicht.

„Eine Vergangenheit —?“ fragte er ebenſo leiſe,
wie Hedwig ihre letzten Worte geflüſtert hatte.

„Ja! —“

„Aber zum Teufel —“ nun brach der Grimm
über ſeine altehrwürdige Auffaſſung bei Adam
doch durch — „aber zum Teufel, mein Lieb, —
was geht mich denn Deine ſogenannte ‚Vergangen-
heit‘ an? Oder glaubſt Du etwa, ich hätte keine ‚Ver-
gangenheit‘? Da irrteſt Du Dich doch gewaltig —“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0254" n="246"/>
Erwähnung ihrer &#x201E;Vergangenheit&#x201C; &#x2014; was hatte &#x017F;ie<lb/>
denn damit &#x017F;agen wollen? Ihre Schlußworte hatten<lb/>
ihn doch frappirt. <hi rendition="#aq">Eh bien</hi> &#x2014; eine &#x201E;Vergangen-<lb/>
heit&#x201C; &#x2014; eine &#x201E;Vergangenheit&#x201C; hat &#x017F;chließlich Jeder<lb/>
... und es i&#x017F;t immerhin be&#x017F;&#x017F;er, eine hinter &#x017F;ich, als<lb/>
eine vor &#x017F;ich zu haben ... Aber .. aber es i&#x017F;t doch ...<lb/>
doch immerhin mißlich für einen Mann, wenn eine<lb/>
Frau, mit welcher er verkehrt &#x2014; und die er .. die er<lb/>
al&#x017F;o liebt &#x2014; wenn eine &#x017F;olche Frau eine &#x201E;Vergangen-<lb/>
heit&#x201C; hat. Das kann unter Um&#x017F;tänden &#x017F;ehr weh thun.<lb/>
Aber es i&#x017F;t eigentlich zu dumm ... zu dumm .. Sitzen<lb/>
denn die&#x017F;e verfluchten Vorurtheile &#x017F;o fe&#x017F;t &#x2014; &#x017F;ind &#x017F;ie &#x017F;o<lb/>
eingewurzelt &#x2014; &#x017F;o die ganze Natur durchtränkend und<lb/>
überklettend vererbt? Ent&#x017F;etzlich i&#x017F;t die&#x017F;er Zwang des<lb/>
Gewe&#x017F;enen &#x2014; und lächerlich &#x2014; über alle Begriffe<lb/>
lächerlich dazu! Und doch &#x2014; &#x2014; und doch &#x2014; &#x2014; ach!<lb/>
Wer hat &#x017F;chon gegen das &#x201E;ewig Ge&#x017F;trige,&#x201C; das allem<lb/>
Geborenen eingeimpft wird, mit Erfolg gekämpft &#x2014;?</p><lb/>
        <p>Adam athmete &#x017F;chwer. Er wollte einen leichten,<lb/>
lu&#x017F;tigen, bur&#x017F;chiko&#x017F;en Ton an&#x017F;chlagen, aber es gelang<lb/>
ihm nicht.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Eine Vergangenheit &#x2014;?&#x201C; fragte er eben&#x017F;o lei&#x017F;e,<lb/>
wie Hedwig ihre letzten Worte geflü&#x017F;tert hatte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja! &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber zum Teufel &#x2014;&#x201C; nun brach der Grimm<lb/>
über &#x017F;eine altehrwürdige Auffa&#x017F;&#x017F;ung bei Adam<lb/>
doch durch &#x2014; &#x201E;aber zum Teufel, mein Lieb, &#x2014;<lb/>
was geht mich denn Deine &#x017F;ogenannte &#x201A;Vergangen-<lb/>
heit&#x2018; an? Oder glaub&#x017F;t Du etwa, ich hätte keine &#x201A;Ver-<lb/>
gangenheit&#x2018;? Da irrte&#x017F;t Du Dich doch gewaltig &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0254] Erwähnung ihrer „Vergangenheit“ — was hatte ſie denn damit ſagen wollen? Ihre Schlußworte hatten ihn doch frappirt. Eh bien — eine „Vergangen- heit“ — eine „Vergangenheit“ hat ſchließlich Jeder ... und es iſt immerhin beſſer, eine hinter ſich, als eine vor ſich zu haben ... Aber .. aber es iſt doch ... doch immerhin mißlich für einen Mann, wenn eine Frau, mit welcher er verkehrt — und die er .. die er alſo liebt — wenn eine ſolche Frau eine „Vergangen- heit“ hat. Das kann unter Umſtänden ſehr weh thun. Aber es iſt eigentlich zu dumm ... zu dumm .. Sitzen denn dieſe verfluchten Vorurtheile ſo feſt — ſind ſie ſo eingewurzelt — ſo die ganze Natur durchtränkend und überklettend vererbt? Entſetzlich iſt dieſer Zwang des Geweſenen — und lächerlich — über alle Begriffe lächerlich dazu! Und doch — — und doch — — ach! Wer hat ſchon gegen das „ewig Geſtrige,“ das allem Geborenen eingeimpft wird, mit Erfolg gekämpft —? Adam athmete ſchwer. Er wollte einen leichten, luſtigen, burſchikoſen Ton anſchlagen, aber es gelang ihm nicht. „Eine Vergangenheit —?“ fragte er ebenſo leiſe, wie Hedwig ihre letzten Worte geflüſtert hatte. „Ja! —“ „Aber zum Teufel —“ nun brach der Grimm über ſeine altehrwürdige Auffaſſung bei Adam doch durch — „aber zum Teufel, mein Lieb, — was geht mich denn Deine ſogenannte ‚Vergangen- heit‘ an? Oder glaubſt Du etwa, ich hätte keine ‚Ver- gangenheit‘? Da irrteſt Du Dich doch gewaltig —“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/254
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/254>, abgerufen am 25.11.2024.