Adam antwortete nicht sogleich. Wußte er denn etwa selbst, was mit ihnen werden sollte?
"Du antwortest nicht --" begann Hedwig wieder. Mühsam unterdrücktes Aufschluchzen gab ihrer Stimme etwas Hartes, Rauhes, Gezacktes.
"Was mit uns werden soll, mein Lieb? Aber wir wissen doch, daß wir zu einander gehören! Ist das vorläufig nicht genug? Wollen wir uns die Schönheit und Größe dieser Stunde durch kleinliche, philiströse und trivial-prosaische Erwägungen stören lassen? Zwei Lebensläufte sind nun zusammengeflossen und haben eine Richtung erhalten ... und ein Ziel ... Und ... nun ja! -- aber wirklich, meine Liebe -- laß das jetzt -- ja? Wir sehen und sprechen ... und ... küssen uns ja nun alle Tage ... und da werden wir wohl gelegentlich schon 'mal eine Stunde finden, wo wir so einfältig und nüchtern und ... und so kalt und trocken sind, daß wir auch einige unver- meidliche praktische Fragen erledigen können. Komm, mein Lieb -- gieb mir jetzt lieber noch einen recht herzigen Kuß --!"
Hedwig trat einen Schritt zurück und wehrte sanft ab. "Das ist es nicht, Adam, was ich meine -- das nicht. Wir müssen tiefer gehen. Ich weiß: Du fühlst den Zwiespalt ebenso gut, wie ich .. und willst ihn Dir wohl jetzt nur nicht eingestehen. Du weißt ebenso gut, wie ich, was uns trennt ... was uns immer trennen wird. Deine jähe Leiden- schaftlichkeit hat mich besiegt -- ich habe Dir nach- gegeben. Es war ja auch nicht so schwer, mich zu
Conradi, Adam Mensch. 16
Adam antwortete nicht ſogleich. Wußte er denn etwa ſelbſt, was mit ihnen werden ſollte?
„Du antworteſt nicht —“ begann Hedwig wieder. Mühſam unterdrücktes Aufſchluchzen gab ihrer Stimme etwas Hartes, Rauhes, Gezacktes.
„Was mit uns werden ſoll, mein Lieb? Aber wir wiſſen doch, daß wir zu einander gehören! Iſt das vorläufig nicht genug? Wollen wir uns die Schönheit und Größe dieſer Stunde durch kleinliche, philiſtröſe und trivial-proſaiſche Erwägungen ſtören laſſen? Zwei Lebensläufte ſind nun zuſammengefloſſen und haben eine Richtung erhalten ... und ein Ziel ... Und ... nun ja! — aber wirklich, meine Liebe — laß das jetzt — ja? Wir ſehen und ſprechen ... und ... küſſen uns ja nun alle Tage ... und da werden wir wohl gelegentlich ſchon 'mal eine Stunde finden, wo wir ſo einfältig und nüchtern und ... und ſo kalt und trocken ſind, daß wir auch einige unver- meidliche praktiſche Fragen erledigen können. Komm, mein Lieb — gieb mir jetzt lieber noch einen recht herzigen Kuß —!“
Hedwig trat einen Schritt zurück und wehrte ſanft ab. „Das iſt es nicht, Adam, was ich meine — das nicht. Wir müſſen tiefer gehen. Ich weiß: Du fühlſt den Zwieſpalt ebenſo gut, wie ich .. und willſt ihn Dir wohl jetzt nur nicht eingeſtehen. Du weißt ebenſo gut, wie ich, was uns trennt ... was uns immer trennen wird. Deine jähe Leiden- ſchaftlichkeit hat mich beſiegt — ich habe Dir nach- gegeben. Es war ja auch nicht ſo ſchwer, mich zu
Conradi, Adam Menſch. 16
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Adam antwortete nicht ſogleich. Wußte er denn
etwa ſelbſt, was mit ihnen werden ſollte?
„Du antworteſt nicht —“ begann Hedwig wieder.
Mühſam unterdrücktes Aufſchluchzen gab ihrer Stimme
etwas Hartes, Rauhes, Gezacktes.
„Was mit uns werden ſoll, mein Lieb? Aber
wir wiſſen doch, daß wir zu einander gehören! Iſt
das vorläufig nicht genug? Wollen wir uns die
Schönheit und Größe dieſer Stunde durch kleinliche,
philiſtröſe und trivial-proſaiſche Erwägungen ſtören
laſſen? Zwei Lebensläufte ſind nun zuſammengefloſſen
und haben eine Richtung erhalten ... und ein
Ziel ... Und ... nun ja! — aber wirklich, meine
Liebe — laß das jetzt — ja? Wir ſehen und ſprechen
... und ... küſſen uns ja nun alle Tage ... und da
werden wir wohl gelegentlich ſchon 'mal eine Stunde
finden, wo wir ſo einfältig und nüchtern und ... und
ſo kalt und trocken ſind, daß wir auch einige unver-
meidliche praktiſche Fragen erledigen können. Komm,
mein Lieb — gieb mir jetzt lieber noch einen recht
herzigen Kuß —!“
Hedwig trat einen Schritt zurück und wehrte
ſanft ab. „Das iſt es nicht, Adam, was ich meine
— das nicht. Wir müſſen tiefer gehen. Ich weiß:
Du fühlſt den Zwieſpalt ebenſo gut, wie ich ..
und willſt ihn Dir wohl jetzt nur nicht eingeſtehen.
Du weißt ebenſo gut, wie ich, was uns trennt ...
was uns immer trennen wird. Deine jähe Leiden-
ſchaftlichkeit hat mich beſiegt — ich habe Dir nach-
gegeben. Es war ja auch nicht ſo ſchwer, mich zu
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/249>, abgerufen am 25.11.2024.
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