Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

Adam war es sehr mild und weich zu Sinn.
Er hatte eine gute That vollbracht. Er hatte diesem
armen, eintönigen, farblosen Dasein ein großes Er-
lebniß, eine große seelische Erschütterung gegeben.

Hedwigs Arme umschlangen seinen Hals. Eine
unendliche Hingebung und Zärtlichkeit sprach und
bat aus ihren verthränten Augen.

"Nun haben wir uns doch gefunden --" flüsterte
sie und legte den Kopf an Adams Brust, als schämte
sie sich ihrer Worte ... als wollte sie sich vor sich
selber verstecken.

"Jawohl!" antwortete Adam sehr laut und
lächelte eine Stecknadel lang spöttisch. Das kleine
Weib war doch eigentlich etwas zu sentimental.

Langsam lockerten sich Hedwigs Arme. Der Herr
Doctor verstand. Hm! So leicht zu verletzen? Aber
da packte ihn auch wieder die Leidenschaft -- und
von Neuem riß er das Liebste, was er zu dieser
Frist auf der Welt besaß, an sich und erstickte es
fast mit seinen Küssen und Umarmungen.

"Mein Weib! Mein süßes, einziges Weib!"
stieß er gepreßt hervor und zwang Hedwig mit
Ueberkraft zu sich heran ... bis ihnen der Athem
abriß und sie langsam von einander lassen mußten.

Nun standen sie neben einander und sahen in
die Nacht hinaus, die ruhig, schwarz, schwül zwischen
Himmel und Erde hing.

"Was soll mit uns werden, Adam --?" kam
es nach einer kleinen Weile leise von Hedwigs
Lippen.

Adam war es ſehr mild und weich zu Sinn.
Er hatte eine gute That vollbracht. Er hatte dieſem
armen, eintönigen, farbloſen Daſein ein großes Er-
lebniß, eine große ſeeliſche Erſchütterung gegeben.

Hedwigs Arme umſchlangen ſeinen Hals. Eine
unendliche Hingebung und Zärtlichkeit ſprach und
bat aus ihren verthränten Augen.

„Nun haben wir uns doch gefunden —“ flüſterte
ſie und legte den Kopf an Adams Bruſt, als ſchämte
ſie ſich ihrer Worte ... als wollte ſie ſich vor ſich
ſelber verſtecken.

„Jawohl!“ antwortete Adam ſehr laut und
lächelte eine Stecknadel lang ſpöttiſch. Das kleine
Weib war doch eigentlich etwas zu ſentimental.

Langſam lockerten ſich Hedwigs Arme. Der Herr
Doctor verſtand. Hm! So leicht zu verletzen? Aber
da packte ihn auch wieder die Leidenſchaft — und
von Neuem riß er das Liebſte, was er zu dieſer
Friſt auf der Welt beſaß, an ſich und erſtickte es
faſt mit ſeinen Küſſen und Umarmungen.

„Mein Weib! Mein ſüßes, einziges Weib!“
ſtieß er gepreßt hervor und zwang Hedwig mit
Ueberkraft zu ſich heran ... bis ihnen der Athem
abriß und ſie langſam von einander laſſen mußten.

Nun ſtanden ſie neben einander und ſahen in
die Nacht hinaus, die ruhig, ſchwarz, ſchwül zwiſchen
Himmel und Erde hing.

„Was ſoll mit uns werden, Adam —?“ kam
es nach einer kleinen Weile leiſe von Hedwigs
Lippen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0248" n="240"/>
        <p>Adam war es &#x017F;ehr mild und weich zu Sinn.<lb/>
Er hatte eine gute That vollbracht. Er hatte die&#x017F;em<lb/>
armen, eintönigen, farblo&#x017F;en Da&#x017F;ein ein großes Er-<lb/>
lebniß, eine große &#x017F;eeli&#x017F;che Er&#x017F;chütterung gegeben.</p><lb/>
        <p>Hedwigs Arme um&#x017F;chlangen &#x017F;einen Hals. Eine<lb/>
unendliche Hingebung und Zärtlichkeit &#x017F;prach und<lb/>
bat aus ihren verthränten Augen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun haben wir uns doch gefunden &#x2014;&#x201C; flü&#x017F;terte<lb/>
&#x017F;ie und legte den Kopf an Adams Bru&#x017F;t, als &#x017F;chämte<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich ihrer Worte ... als wollte &#x017F;ie &#x017F;ich vor &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elber ver&#x017F;tecken.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jawohl!&#x201C; antwortete Adam &#x017F;ehr laut und<lb/>
lächelte eine Stecknadel lang &#x017F;pötti&#x017F;ch. Das kleine<lb/>
Weib war doch eigentlich etwas zu &#x017F;entimental.</p><lb/>
        <p>Lang&#x017F;am lockerten &#x017F;ich Hedwigs Arme. Der Herr<lb/>
Doctor ver&#x017F;tand. Hm! So leicht zu verletzen? Aber<lb/>
da packte ihn auch wieder die Leiden&#x017F;chaft &#x2014; und<lb/>
von Neuem riß er das Lieb&#x017F;te, was er zu die&#x017F;er<lb/>
Fri&#x017F;t auf der Welt be&#x017F;aß, an &#x017F;ich und er&#x017F;tickte es<lb/>
fa&#x017F;t mit &#x017F;einen Kü&#x017F;&#x017F;en und Umarmungen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein Weib! Mein &#x017F;üßes, einziges Weib!&#x201C;<lb/>
&#x017F;tieß er gepreßt hervor und zwang Hedwig mit<lb/>
Ueberkraft zu &#x017F;ich heran ... bis ihnen der Athem<lb/>
abriß und &#x017F;ie lang&#x017F;am von einander la&#x017F;&#x017F;en mußten.</p><lb/>
        <p>Nun &#x017F;tanden &#x017F;ie neben einander und &#x017F;ahen in<lb/>
die Nacht hinaus, die ruhig, &#x017F;chwarz, &#x017F;chwül zwi&#x017F;chen<lb/>
Himmel und Erde hing.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was &#x017F;oll mit uns werden, Adam &#x2014;?&#x201C; kam<lb/>
es nach einer kleinen Weile lei&#x017F;e von Hedwigs<lb/>
Lippen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0248] Adam war es ſehr mild und weich zu Sinn. Er hatte eine gute That vollbracht. Er hatte dieſem armen, eintönigen, farbloſen Daſein ein großes Er- lebniß, eine große ſeeliſche Erſchütterung gegeben. Hedwigs Arme umſchlangen ſeinen Hals. Eine unendliche Hingebung und Zärtlichkeit ſprach und bat aus ihren verthränten Augen. „Nun haben wir uns doch gefunden —“ flüſterte ſie und legte den Kopf an Adams Bruſt, als ſchämte ſie ſich ihrer Worte ... als wollte ſie ſich vor ſich ſelber verſtecken. „Jawohl!“ antwortete Adam ſehr laut und lächelte eine Stecknadel lang ſpöttiſch. Das kleine Weib war doch eigentlich etwas zu ſentimental. Langſam lockerten ſich Hedwigs Arme. Der Herr Doctor verſtand. Hm! So leicht zu verletzen? Aber da packte ihn auch wieder die Leidenſchaft — und von Neuem riß er das Liebſte, was er zu dieſer Friſt auf der Welt beſaß, an ſich und erſtickte es faſt mit ſeinen Küſſen und Umarmungen. „Mein Weib! Mein ſüßes, einziges Weib!“ ſtieß er gepreßt hervor und zwang Hedwig mit Ueberkraft zu ſich heran ... bis ihnen der Athem abriß und ſie langſam von einander laſſen mußten. Nun ſtanden ſie neben einander und ſahen in die Nacht hinaus, die ruhig, ſchwarz, ſchwül zwiſchen Himmel und Erde hing. „Was ſoll mit uns werden, Adam —?“ kam es nach einer kleinen Weile leiſe von Hedwigs Lippen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/248
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/248>, abgerufen am 25.11.2024.