Sehnsucht nach seiner Verkörperlichung in die Seele -- die reifsten, saftigsten Früchte giebst du aus der Hand, weil dein Auge auf der Schaale einen leisen, winzigen Makel entdeckt, der dich beleidigt .. Aber warum bauest du dir überhaupt, weltseliger, menschengläubiger Jüngling, ein solches despotisches "hehres Frauen-Ideal" auf --? Ja! Warum --?
Doch nein! Das ging zu weit. Das war über- flüssig. Was sollten diese tragikomischen Betrachtungen hier? Adam sagte sich nicht mehr klar, fühlte aber instinktiv, daß er auf diesem Wege wieder einmal zu jenem Gebiete gelangen würde, mit dem er sich so oft in lautem Wort und leisem Gedanken be- schäftigt: eben zu dem leidigen Verhältnisse, in das die beiden Geschlechter zu einander von Jugend auf durch Herkommen und Erziehung gestellt werden. Ach ja! Er hatte dieses Thema heute Abend Fräulein Irmer gegenüber auf's Tapet bringen wollen! Nun! Vielleicht kam die Gelegenheit dazu noch ...
Adam fühlte Hedwigs fragenden Blick auf sich. Das hülflose, verlassene Weib hatte plötzlich alle Konvenienz bei Seite geschoben. Nichts mehr lag zwischen ihm und dem Manne, der ihm in ernstem, bewußtem Schweigen gegenübersaß. Nichts mehr sollte nach diesem Blicke, der zugleich unendlich trostlos und unendlich begehrend, zwischen ihnen liegen. Adam fühlte sich gewaltig ergriffen. Es wäre ein Frevel gewesen, ein Verbrechen an dem "heiligen Geiste der Menschheit" -- an den Adam allerdings in seinen
Sehnſucht nach ſeiner Verkörperlichung in die Seele — die reifſten, ſaftigſten Früchte giebſt du aus der Hand, weil dein Auge auf der Schaale einen leiſen, winzigen Makel entdeckt, der dich beleidigt .. Aber warum baueſt du dir überhaupt, weltſeliger, menſchengläubiger Jüngling, ein ſolches despotiſches „hehres Frauen-Ideal“ auf —? Ja! Warum —?
Doch nein! Das ging zu weit. Das war über- flüſſig. Was ſollten dieſe tragikomiſchen Betrachtungen hier? Adam ſagte ſich nicht mehr klar, fühlte aber inſtinktiv, daß er auf dieſem Wege wieder einmal zu jenem Gebiete gelangen würde, mit dem er ſich ſo oft in lautem Wort und leiſem Gedanken be- ſchäftigt: eben zu dem leidigen Verhältniſſe, in das die beiden Geſchlechter zu einander von Jugend auf durch Herkommen und Erziehung geſtellt werden. Ach ja! Er hatte dieſes Thema heute Abend Fräulein Irmer gegenüber auf's Tapet bringen wollen! Nun! Vielleicht kam die Gelegenheit dazu noch ...
Adam fühlte Hedwigs fragenden Blick auf ſich. Das hülfloſe, verlaſſene Weib hatte plötzlich alle Konvenienz bei Seite geſchoben. Nichts mehr lag zwiſchen ihm und dem Manne, der ihm in ernſtem, bewußtem Schweigen gegenüberſaß. Nichts mehr ſollte nach dieſem Blicke, der zugleich unendlich troſtlos und unendlich begehrend, zwiſchen ihnen liegen. Adam fühlte ſich gewaltig ergriffen. Es wäre ein Frevel geweſen, ein Verbrechen an dem „heiligen Geiſte der Menſchheit“ — an den Adam allerdings in ſeinen
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Sehnſucht nach ſeiner Verkörperlichung in die
Seele — die reifſten, ſaftigſten Früchte giebſt du
aus der Hand, weil dein Auge auf der Schaale
einen leiſen, winzigen Makel entdeckt, der dich
beleidigt .. Aber warum baueſt du dir überhaupt,
weltſeliger, menſchengläubiger Jüngling, ein ſolches
despotiſches „hehres Frauen-Ideal“ auf —? Ja!
Warum —?
Doch nein! Das ging zu weit. Das war über-
flüſſig. Was ſollten dieſe tragikomiſchen Betrachtungen
hier? Adam ſagte ſich nicht mehr klar, fühlte aber
inſtinktiv, daß er auf dieſem Wege wieder einmal
zu jenem Gebiete gelangen würde, mit dem er ſich
ſo oft in lautem Wort und leiſem Gedanken be-
ſchäftigt: eben zu dem leidigen Verhältniſſe, in das
die beiden Geſchlechter zu einander von Jugend auf
durch Herkommen und Erziehung geſtellt werden.
Ach ja! Er hatte dieſes Thema heute Abend Fräulein
Irmer gegenüber auf's Tapet bringen wollen! Nun!
Vielleicht kam die Gelegenheit dazu noch ...
Adam fühlte Hedwigs fragenden Blick auf ſich.
Das hülfloſe, verlaſſene Weib hatte plötzlich alle
Konvenienz bei Seite geſchoben. Nichts mehr lag
zwiſchen ihm und dem Manne, der ihm in ernſtem,
bewußtem Schweigen gegenüberſaß. Nichts mehr ſollte
nach dieſem Blicke, der zugleich unendlich troſtlos und
unendlich begehrend, zwiſchen ihnen liegen. Adam
fühlte ſich gewaltig ergriffen. Es wäre ein Frevel
geweſen, ein Verbrechen an dem „heiligen Geiſte der
Menſchheit“ — an den Adam allerdings in ſeinen
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/220>, abgerufen am 27.11.2024.
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