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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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liebte -- davon konnte ja nicht die Rede sein --
ebensowenig, wie davon, daß er sich intimer an
Lydia oder an Emmy gefesselt fühlte. Je nachdem
die Stunde die Stimmung brachte, dünkte er sich
zu der einen oder anderen der Damen hingezogen.
Die Stimmung lief ab -- und über die Theilnahme
triumphirte wieder die alte, müde, einfältige, un-
fruchtbare und doch so praktische Gleichgültigkeit ...
Woher das nur kam? Das hatte wohl seinen Grund
zumeist darin, daß seine feine, ästhetische Natur zu
hohe Anforderungen stellte .. daß sie zusammen-
zuckte, zurückfuhr, sich unbefriedigt .. oft verwun-
det und beleidigt fühlte, wenn einem, ob auch an
sich noch so geringfügigen Bedürfnisse nicht genügt
wurde .. Oh! Er hatte es ja so oft in älteren
und jüngeren Tagen mit Freunden und Bekannten
durchgekaut, das ehrenwerthe Motiv von dem
"hehren" Frauen-Ideale, das sich ein Jeder zu-
sammenträumt und zusammendichtet in der großen
Zeit seines geistigen und sinnlichen Aufwachens und
Umsichgreifens .. in der großen Zeit seiner ersten
gewaltigen Jugendschauer! Und das beschworene
Bildniß läßt nicht von dir. Es folgt dir zur
Seite überallhin .. es zwingt dir Maß und Urtheil
auf .. es beeinflußt alle deine "Beziehungen" und
"Verhältnisse" zu den wirklichen, fleischgewordenen
Töchtern der Erde --: das dein Glück dereinst ge-
wesen, ist dir zum Fluche geworden. Es rächt
seine Schattenexistenz, seine vage Unkörperlichkeit an
dir .. es flößt dir eine brennende, namenlose

14*

liebte — davon konnte ja nicht die Rede ſein —
ebenſowenig, wie davon, daß er ſich intimer an
Lydia oder an Emmy gefeſſelt fühlte. Je nachdem
die Stunde die Stimmung brachte, dünkte er ſich
zu der einen oder anderen der Damen hingezogen.
Die Stimmung lief ab — und über die Theilnahme
triumphirte wieder die alte, müde, einfältige, un-
fruchtbare und doch ſo praktiſche Gleichgültigkeit ...
Woher das nur kam? Das hatte wohl ſeinen Grund
zumeiſt darin, daß ſeine feine, äſthetiſche Natur zu
hohe Anforderungen ſtellte .. daß ſie zuſammen-
zuckte, zurückfuhr, ſich unbefriedigt .. oft verwun-
det und beleidigt fühlte, wenn einem, ob auch an
ſich noch ſo geringfügigen Bedürfniſſe nicht genügt
wurde .. Oh! Er hatte es ja ſo oft in älteren
und jüngeren Tagen mit Freunden und Bekannten
durchgekaut, das ehrenwerthe Motiv von dem
„hehren“ Frauen-Ideale, das ſich ein Jeder zu-
ſammenträumt und zuſammendichtet in der großen
Zeit ſeines geiſtigen und ſinnlichen Aufwachens und
Umſichgreifens .. in der großen Zeit ſeiner erſten
gewaltigen Jugendſchauer! Und das beſchworene
Bildniß läßt nicht von dir. Es folgt dir zur
Seite überallhin .. es zwingt dir Maß und Urtheil
auf .. es beeinflußt alle deine „Beziehungen“ und
„Verhältniſſe“ zu den wirklichen, fleiſchgewordenen
Töchtern der Erde —: das dein Glück dereinſt ge-
weſen, iſt dir zum Fluche geworden. Es rächt
ſeine Schattenexiſtenz, ſeine vage Unkörperlichkeit an
dir .. es flößt dir eine brennende, namenloſe

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[211/0219] liebte — davon konnte ja nicht die Rede ſein — ebenſowenig, wie davon, daß er ſich intimer an Lydia oder an Emmy gefeſſelt fühlte. Je nachdem die Stunde die Stimmung brachte, dünkte er ſich zu der einen oder anderen der Damen hingezogen. Die Stimmung lief ab — und über die Theilnahme triumphirte wieder die alte, müde, einfältige, un- fruchtbare und doch ſo praktiſche Gleichgültigkeit ... Woher das nur kam? Das hatte wohl ſeinen Grund zumeiſt darin, daß ſeine feine, äſthetiſche Natur zu hohe Anforderungen ſtellte .. daß ſie zuſammen- zuckte, zurückfuhr, ſich unbefriedigt .. oft verwun- det und beleidigt fühlte, wenn einem, ob auch an ſich noch ſo geringfügigen Bedürfniſſe nicht genügt wurde .. Oh! Er hatte es ja ſo oft in älteren und jüngeren Tagen mit Freunden und Bekannten durchgekaut, das ehrenwerthe Motiv von dem „hehren“ Frauen-Ideale, das ſich ein Jeder zu- ſammenträumt und zuſammendichtet in der großen Zeit ſeines geiſtigen und ſinnlichen Aufwachens und Umſichgreifens .. in der großen Zeit ſeiner erſten gewaltigen Jugendſchauer! Und das beſchworene Bildniß läßt nicht von dir. Es folgt dir zur Seite überallhin .. es zwingt dir Maß und Urtheil auf .. es beeinflußt alle deine „Beziehungen“ und „Verhältniſſe“ zu den wirklichen, fleiſchgewordenen Töchtern der Erde —: das dein Glück dereinſt ge- weſen, iſt dir zum Fluche geworden. Es rächt ſeine Schattenexiſtenz, ſeine vage Unkörperlichkeit an dir .. es flößt dir eine brennende, namenloſe 14*

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/219>, abgerufen am 28.11.2024.