Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite

Dummheit, wenn Herr von Bodenburg sich genirte --
capitale Dummheit! Solch' ein kleines Weib ist
doch gleichsam nur eine lebendige Münze .. es
geht von einer Hand in die andere -- was
weiter? -- Und doch war er zusammengezuckt, als
er sich Emmys Untreue, die er selbst erst heraus-
gefordert hatte, vorgestellt. Adam hatte sich an
Emmys Leidenschaftlichkeit .. an ihre Liebkosungen,
an ihre Küsse erinnert .. an ihre Umarmungen, die
ihn fast erstickt ... Und wie süß war es gewesen, als sie
ihm in jener Nacht im ersten Paarungstumult rührend
einfach zugestammelt: "Ich habe Dich gern, Adam!" Und
da war es wirklich heiß in ihm emporgestiegen .. eine
unheimliche Exstase hatte ihn bis in seine kleinsten
Organe hinein durchspült .. eine dampfende, lähmende
Sehnsucht nach Emmys schönem Leibe .. nach ihren
Küssen .. ihrem weichen, molligen Liebesgeplauder ..
ihrer köstlichen Routinirtheit im aufsaugenden Minne-
spiel, war jäh zu ihm gekommen -- verflucht! Er
hatte seine köstliche Lagergenossin verloren, weil er
einem Weibe nachgelaufen war, das ihm eine dumme
Komödie vorgespielt! Er hatte sich auf die Seite der Kon-
venienz, der Lüge ... allerdings auch der "Tugend" ge-
schlagen -- und hatte darüber die Freiheit und die Un-
gebundenheit der vorurtheilslosen "Sünde" eingebüßt ..
Er war doch ein Schaafskopf ersten Ranges gewesen ...

Aber der Groll gegen sich selbst .. der Aerger
über seinen taktischen Schnitzer hatte doch nicht
entscheidend bei Adam nachgewirkt. Nun er zu
Hause war und sich mechanisch auf den Besuch bei

Dummheit, wenn Herr von Bodenburg ſich genirte —
capitale Dummheit! Solch' ein kleines Weib iſt
doch gleichſam nur eine lebendige Münze .. es
geht von einer Hand in die andere — was
weiter? — Und doch war er zuſammengezuckt, als
er ſich Emmys Untreue, die er ſelbſt erſt heraus-
gefordert hatte, vorgeſtellt. Adam hatte ſich an
Emmys Leidenſchaftlichkeit .. an ihre Liebkoſungen,
an ihre Küſſe erinnert .. an ihre Umarmungen, die
ihn faſt erſtickt ... Und wie ſüß war es geweſen, als ſie
ihm in jener Nacht im erſten Paarungstumult rührend
einfach zugeſtammelt: „Ich habe Dich gern, Adam!“ Und
da war es wirklich heiß in ihm emporgeſtiegen .. eine
unheimliche Exſtaſe hatte ihn bis in ſeine kleinſten
Organe hinein durchſpült .. eine dampfende, lähmende
Sehnſucht nach Emmys ſchönem Leibe .. nach ihren
Küſſen .. ihrem weichen, molligen Liebesgeplauder ..
ihrer köſtlichen Routinirtheit im aufſaugenden Minne-
ſpiel, war jäh zu ihm gekommen — verflucht! Er
hatte ſeine köſtliche Lagergenoſſin verloren, weil er
einem Weibe nachgelaufen war, das ihm eine dumme
Komödie vorgeſpielt! Er hatte ſich auf die Seite der Kon-
venienz, der Lüge ... allerdings auch der „Tugend“ ge-
ſchlagen — und hatte darüber die Freiheit und die Un-
gebundenheit der vorurtheilsloſen „Sünde“ eingebüßt ..
Er war doch ein Schaafskopf erſten Ranges geweſen ...

Aber der Groll gegen ſich ſelbſt .. der Aerger
über ſeinen taktiſchen Schnitzer hatte doch nicht
entſcheidend bei Adam nachgewirkt. Nun er zu
Hauſe war und ſich mechaniſch auf den Beſuch bei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0209" n="201"/>
Dummheit, wenn Herr von Bodenburg &#x017F;ich genirte &#x2014;<lb/>
capitale Dummheit! Solch' ein kleines Weib i&#x017F;t<lb/>
doch gleich&#x017F;am nur eine lebendige Münze .. es<lb/>
geht von einer Hand in die andere &#x2014; was<lb/>
weiter? &#x2014; Und doch war er zu&#x017F;ammengezuckt, als<lb/>
er &#x017F;ich Emmys Untreue, die er &#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;t heraus-<lb/>
gefordert hatte, vorge&#x017F;tellt. Adam hatte &#x017F;ich an<lb/>
Emmys Leiden&#x017F;chaftlichkeit .. an ihre Liebko&#x017F;ungen,<lb/>
an ihre Kü&#x017F;&#x017F;e erinnert .. an ihre Umarmungen, die<lb/>
ihn fa&#x017F;t er&#x017F;tickt ... Und wie &#x017F;üß war es gewe&#x017F;en, als &#x017F;ie<lb/>
ihm in jener Nacht im er&#x017F;ten Paarungstumult rührend<lb/>
einfach zuge&#x017F;tammelt: &#x201E;Ich habe Dich gern, Adam!&#x201C; Und<lb/>
da war es wirklich heiß in ihm emporge&#x017F;tiegen .. eine<lb/>
unheimliche Ex&#x017F;ta&#x017F;e hatte ihn bis in &#x017F;eine klein&#x017F;ten<lb/>
Organe hinein durch&#x017F;pült .. eine dampfende, lähmende<lb/>
Sehn&#x017F;ucht nach Emmys &#x017F;chönem Leibe .. nach ihren<lb/>&#x017F;&#x017F;en .. ihrem weichen, molligen Liebesgeplauder ..<lb/>
ihrer kö&#x017F;tlichen Routinirtheit im auf&#x017F;augenden Minne-<lb/>
&#x017F;piel, war jäh zu ihm gekommen &#x2014; verflucht! Er<lb/>
hatte &#x017F;eine kö&#x017F;tliche Lagergeno&#x017F;&#x017F;in verloren, weil er<lb/>
einem Weibe nachgelaufen war, das ihm eine dumme<lb/>
Komödie vorge&#x017F;pielt! Er hatte &#x017F;ich auf die Seite der Kon-<lb/>
venienz, der Lüge ... allerdings auch der &#x201E;Tugend&#x201C; ge-<lb/>
&#x017F;chlagen &#x2014; und hatte darüber die Freiheit und die Un-<lb/>
gebundenheit der vorurtheilslo&#x017F;en &#x201E;Sünde&#x201C; eingebüßt ..<lb/>
Er war doch ein Schaafskopf er&#x017F;ten Ranges gewe&#x017F;en ...</p><lb/>
        <p>Aber der Groll gegen &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t .. der Aerger<lb/>
über &#x017F;einen takti&#x017F;chen Schnitzer hatte doch nicht<lb/>
ent&#x017F;cheidend bei Adam nachgewirkt. Nun er zu<lb/>
Hau&#x017F;e war und &#x017F;ich mechani&#x017F;ch auf den Be&#x017F;uch bei<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0209] Dummheit, wenn Herr von Bodenburg ſich genirte — capitale Dummheit! Solch' ein kleines Weib iſt doch gleichſam nur eine lebendige Münze .. es geht von einer Hand in die andere — was weiter? — Und doch war er zuſammengezuckt, als er ſich Emmys Untreue, die er ſelbſt erſt heraus- gefordert hatte, vorgeſtellt. Adam hatte ſich an Emmys Leidenſchaftlichkeit .. an ihre Liebkoſungen, an ihre Küſſe erinnert .. an ihre Umarmungen, die ihn faſt erſtickt ... Und wie ſüß war es geweſen, als ſie ihm in jener Nacht im erſten Paarungstumult rührend einfach zugeſtammelt: „Ich habe Dich gern, Adam!“ Und da war es wirklich heiß in ihm emporgeſtiegen .. eine unheimliche Exſtaſe hatte ihn bis in ſeine kleinſten Organe hinein durchſpült .. eine dampfende, lähmende Sehnſucht nach Emmys ſchönem Leibe .. nach ihren Küſſen .. ihrem weichen, molligen Liebesgeplauder .. ihrer köſtlichen Routinirtheit im aufſaugenden Minne- ſpiel, war jäh zu ihm gekommen — verflucht! Er hatte ſeine köſtliche Lagergenoſſin verloren, weil er einem Weibe nachgelaufen war, das ihm eine dumme Komödie vorgeſpielt! Er hatte ſich auf die Seite der Kon- venienz, der Lüge ... allerdings auch der „Tugend“ ge- ſchlagen — und hatte darüber die Freiheit und die Un- gebundenheit der vorurtheilsloſen „Sünde“ eingebüßt .. Er war doch ein Schaafskopf erſten Ranges geweſen ... Aber der Groll gegen ſich ſelbſt .. der Aerger über ſeinen taktiſchen Schnitzer hatte doch nicht entſcheidend bei Adam nachgewirkt. Nun er zu Hauſe war und ſich mechaniſch auf den Beſuch bei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/209
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/209>, abgerufen am 28.11.2024.