Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

Bild:
<< vorherige Seite


verkrachte. Er hatte sich mit jäher Ueberstürzung
daran erinnern müssen, daß er unendlich Viel ein-
büßte, wenn ihm Lydia verloren ging. Nun ja
doch! Er hatte durchaus nicht mit zäher Energie
sein Ziel verfolgt. Er hatte, gewiß seiner Natur
gemäß, mehr mit dem Gedanken gespielt, daß
Lydia eines Tages sein Weib werden könnte. Sie
hatte ihm ein heimliches, volles Behagen verursacht,
diese unklare, lienienverschwommene Zukunfts-
reserve .. Er war viel zu gleichgültig gegen seine
Zukunft, als daß er unmittelbar für sie einzutreten,
für sie zu arbeiten vermocht hätte. Sein Gedanken-
und Gemüthsleben war viel zu differenzirt, als daß
er nicht eng an die Gegenwart hätte anknüpfen müssen.
Und doch war es ihm jetzt zu Sinn, als hätte er Etwas
verloren, was schon ganz sein eigen gewesen ...

"-- Herr Doctor --!" Lydia wußte nicht recht .. sie
war erschrocken, verlegen, fast bekümmert -- aber Alles
nicht ganz rein, es zweifelte etwas Unklares in ihr --

Adam hatte sich gefaßt. Seine Stimme klang
noch gepreßt und stockend, aber äußerlich nahm er
sich doch bedeutend kühler und ruhiger aus.

"Sie haben Recht, gnädige Frau -- da bleibt
mir wirklich nichts weiter übrig, als Ihnen meine
herzlichsten Glückwünsche auszusprechen --"

"Ich danke Ihnen verbindlichst, Herr Doctor!."
Lydia lächelte schelmisch-ironisch.

Dann schwiegen beide eine kleine Weile. Nun
begann Lydia wieder, einen schmollend-vorwurfsvollen
Ausdruck in der Stimme: "Aber Sie fragen ja gar

Conradi, Adam Mensch. 13


verkrachte. Er hatte ſich mit jäher Ueberſtürzung
daran erinnern müſſen, daß er unendlich Viel ein-
büßte, wenn ihm Lydia verloren ging. Nun ja
doch! Er hatte durchaus nicht mit zäher Energie
ſein Ziel verfolgt. Er hatte, gewiß ſeiner Natur
gemäß, mehr mit dem Gedanken geſpielt, daß
Lydia eines Tages ſein Weib werden könnte. Sie
hatte ihm ein heimliches, volles Behagen verurſacht,
dieſe unklare, lienienverſchwommene Zukunfts-
reſerve .. Er war viel zu gleichgültig gegen ſeine
Zukunft, als daß er unmittelbar für ſie einzutreten,
für ſie zu arbeiten vermocht hätte. Sein Gedanken-
und Gemüthsleben war viel zu differenzirt, als daß
er nicht eng an die Gegenwart hätte anknüpfen müſſen.
Und doch war es ihm jetzt zu Sinn, als hätte er Etwas
verloren, was ſchon ganz ſein eigen geweſen ...

„— Herr Doctor —!“ Lydia wußte nicht recht .. ſie
war erſchrocken, verlegen, faſt bekümmert — aber Alles
nicht ganz rein, es zweifelte etwas Unklares in ihr —

Adam hatte ſich gefaßt. Seine Stimme klang
noch gepreßt und ſtockend, aber äußerlich nahm er
ſich doch bedeutend kühler und ruhiger aus.

„Sie haben Recht, gnädige Frau — da bleibt
mir wirklich nichts weiter übrig, als Ihnen meine
herzlichſten Glückwünſche auszuſprechen —“

„Ich danke Ihnen verbindlichſt, Herr Doctor!.“
Lydia lächelte ſchelmiſch-ironiſch.

Dann ſchwiegen beide eine kleine Weile. Nun
begann Lydia wieder, einen ſchmollend-vorwurfsvollen
Ausdruck in der Stimme: „Aber Sie fragen ja gar

Conradi, Adam Menſch. 13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0201" n="193"/><lb/>
verkrachte. Er hatte &#x017F;ich mit jäher Ueber&#x017F;türzung<lb/>
daran erinnern mü&#x017F;&#x017F;en, daß er unendlich Viel ein-<lb/>
büßte, wenn ihm Lydia verloren ging. Nun ja<lb/>
doch! Er hatte durchaus nicht mit zäher Energie<lb/>
&#x017F;ein Ziel verfolgt. Er hatte, gewiß &#x017F;einer Natur<lb/>
gemäß, mehr mit dem Gedanken ge&#x017F;pielt, daß<lb/>
Lydia eines Tages &#x017F;ein Weib werden könnte. Sie<lb/>
hatte ihm ein heimliches, volles Behagen verur&#x017F;acht,<lb/>
die&#x017F;e unklare, lienienver&#x017F;chwommene Zukunfts-<lb/>
re&#x017F;erve .. Er war viel zu gleichgültig gegen &#x017F;eine<lb/>
Zukunft, als daß er unmittelbar für &#x017F;ie einzutreten,<lb/>
für &#x017F;ie zu arbeiten vermocht hätte. Sein Gedanken-<lb/>
und Gemüthsleben war viel zu differenzirt, als daß<lb/>
er nicht eng an die Gegenwart hätte anknüpfen mü&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Und doch war es ihm jetzt zu Sinn, als hätte er Etwas<lb/>
verloren, was &#x017F;chon ganz &#x017F;ein eigen gewe&#x017F;en ...</p><lb/>
        <p>&#x201E;&#x2014; Herr Doctor &#x2014;!&#x201C; Lydia wußte nicht recht .. &#x017F;ie<lb/>
war er&#x017F;chrocken, verlegen, fa&#x017F;t bekümmert &#x2014; aber Alles<lb/>
nicht ganz rein, es zweifelte etwas Unklares in ihr &#x2014;</p><lb/>
        <p>Adam hatte &#x017F;ich gefaßt. Seine Stimme klang<lb/>
noch gepreßt und &#x017F;tockend, aber äußerlich nahm er<lb/>
&#x017F;ich doch bedeutend kühler und ruhiger aus.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie haben Recht, gnädige Frau &#x2014; da bleibt<lb/>
mir wirklich nichts weiter übrig, als Ihnen meine<lb/>
herzlich&#x017F;ten Glückwün&#x017F;che auszu&#x017F;prechen &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich danke Ihnen verbindlich&#x017F;t, Herr Doctor!.&#x201C;<lb/>
Lydia lächelte &#x017F;chelmi&#x017F;ch-ironi&#x017F;ch.</p><lb/>
        <p>Dann &#x017F;chwiegen beide eine kleine Weile. Nun<lb/>
begann Lydia wieder, einen &#x017F;chmollend-vorwurfsvollen<lb/>
Ausdruck in der Stimme: &#x201E;Aber Sie fragen ja gar<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Conradi</hi>, Adam Men&#x017F;ch. 13</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0201] verkrachte. Er hatte ſich mit jäher Ueberſtürzung daran erinnern müſſen, daß er unendlich Viel ein- büßte, wenn ihm Lydia verloren ging. Nun ja doch! Er hatte durchaus nicht mit zäher Energie ſein Ziel verfolgt. Er hatte, gewiß ſeiner Natur gemäß, mehr mit dem Gedanken geſpielt, daß Lydia eines Tages ſein Weib werden könnte. Sie hatte ihm ein heimliches, volles Behagen verurſacht, dieſe unklare, lienienverſchwommene Zukunfts- reſerve .. Er war viel zu gleichgültig gegen ſeine Zukunft, als daß er unmittelbar für ſie einzutreten, für ſie zu arbeiten vermocht hätte. Sein Gedanken- und Gemüthsleben war viel zu differenzirt, als daß er nicht eng an die Gegenwart hätte anknüpfen müſſen. Und doch war es ihm jetzt zu Sinn, als hätte er Etwas verloren, was ſchon ganz ſein eigen geweſen ... „— Herr Doctor —!“ Lydia wußte nicht recht .. ſie war erſchrocken, verlegen, faſt bekümmert — aber Alles nicht ganz rein, es zweifelte etwas Unklares in ihr — Adam hatte ſich gefaßt. Seine Stimme klang noch gepreßt und ſtockend, aber äußerlich nahm er ſich doch bedeutend kühler und ruhiger aus. „Sie haben Recht, gnädige Frau — da bleibt mir wirklich nichts weiter übrig, als Ihnen meine herzlichſten Glückwünſche auszuſprechen —“ „Ich danke Ihnen verbindlichſt, Herr Doctor!.“ Lydia lächelte ſchelmiſch-ironiſch. Dann ſchwiegen beide eine kleine Weile. Nun begann Lydia wieder, einen ſchmollend-vorwurfsvollen Ausdruck in der Stimme: „Aber Sie fragen ja gar Conradi, Adam Menſch. 13

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/201
Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/201>, abgerufen am 04.05.2024.