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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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unter dem wie geschient geschnürten Corset ... dieses
frische, volle, nur etwas zu gleichmäßige, zu runde Ge-
sicht .. die Gelenkigkeit der Bewegungen ... der nicht
unangenehme Geruch frischgewaschenen, frischgestärkten
Leinens, der von ihrer Kleidung ausging --: mit
dem Allen war Adam sehr einverstanden. Lydia
bemerkte, wie aufmerksam und augenscheinlich wie
befriedigt der Herr Doctor das Mädchen musterte.

"Sie sind ein Epicureer, Herr Doctor!" sagte
Frau Lange spöttisch.

"Wieso, gnädige Frau? Weil ich für Ihre
reiche Tafel kein Auge ... kein Verständniß zu
haben scheine? Verzeihen Sie! ..."

"Sie gestehen also? ..."

Emma schickte sich an, das Zimmer zu verlassen.
An der Thür wußte sie sich noch einmal so zu drehen,
daß sie einen vollen Blick auf Adam werfen konnte:

"Emma!" rief Lydia laut nach. Das Mädchen
trat in den Thürrahmen zurück.

"August mag sich ein Wenig beeilen -- und
dann bring' die große Lampe aus dem blauen
Salon herüber ... Sie sollen Ihre Augen nicht
zu sehr anstrengen, Herr Doctor!" fügte Frau Lange,
zu Adam gewendet, ironisch hinzu.

Adam und Lydia sahen sich fest an. Sie ver-
standen sich. --

"Aber ... Sie sind doch noch nicht fertig, Herr
Doctor? Ich bitte Sie! Wollen Sie nicht noch 'n Stück
Fleisch nehmen? Bitte ... ja! Es ist delicat, wie ich,
ohne meine Küche rühmen zu wollen, sagen darf ...

unter dem wie geſchient geſchnürten Corſet ... dieſes
friſche, volle, nur etwas zu gleichmäßige, zu runde Ge-
ſicht .. die Gelenkigkeit der Bewegungen ... der nicht
unangenehme Geruch friſchgewaſchenen, friſchgeſtärkten
Leinens, der von ihrer Kleidung ausging —: mit
dem Allen war Adam ſehr einverſtanden. Lydia
bemerkte, wie aufmerkſam und augenſcheinlich wie
befriedigt der Herr Doctor das Mädchen muſterte.

„Sie ſind ein Epicureer, Herr Doctor!“ ſagte
Frau Lange ſpöttiſch.

„Wieſo, gnädige Frau? Weil ich für Ihre
reiche Tafel kein Auge ... kein Verſtändniß zu
haben ſcheine? Verzeihen Sie! ...“

„Sie geſtehen alſo? ...“

Emma ſchickte ſich an, das Zimmer zu verlaſſen.
An der Thür wußte ſie ſich noch einmal ſo zu drehen,
daß ſie einen vollen Blick auf Adam werfen konnte:

„Emma!“ rief Lydia laut nach. Das Mädchen
trat in den Thürrahmen zurück.

„Auguſt mag ſich ein Wenig beeilen — und
dann bring' die große Lampe aus dem blauen
Salon herüber ... Sie ſollen Ihre Augen nicht
zu ſehr anſtrengen, Herr Doctor!“ fügte Frau Lange,
zu Adam gewendet, ironiſch hinzu.

Adam und Lydia ſahen ſich feſt an. Sie ver-
ſtanden ſich. —

„Aber ... Sie ſind doch noch nicht fertig, Herr
Doctor? Ich bitte Sie! Wollen Sie nicht noch 'n Stück
Fleiſch nehmen? Bitte ... ja! Es iſt delicat, wie ich,
ohne meine Küche rühmen zu wollen, ſagen darf ...

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[134/0142] unter dem wie geſchient geſchnürten Corſet ... dieſes friſche, volle, nur etwas zu gleichmäßige, zu runde Ge- ſicht .. die Gelenkigkeit der Bewegungen ... der nicht unangenehme Geruch friſchgewaſchenen, friſchgeſtärkten Leinens, der von ihrer Kleidung ausging —: mit dem Allen war Adam ſehr einverſtanden. Lydia bemerkte, wie aufmerkſam und augenſcheinlich wie befriedigt der Herr Doctor das Mädchen muſterte. „Sie ſind ein Epicureer, Herr Doctor!“ ſagte Frau Lange ſpöttiſch. „Wieſo, gnädige Frau? Weil ich für Ihre reiche Tafel kein Auge ... kein Verſtändniß zu haben ſcheine? Verzeihen Sie! ...“ „Sie geſtehen alſo? ...“ Emma ſchickte ſich an, das Zimmer zu verlaſſen. An der Thür wußte ſie ſich noch einmal ſo zu drehen, daß ſie einen vollen Blick auf Adam werfen konnte: „Emma!“ rief Lydia laut nach. Das Mädchen trat in den Thürrahmen zurück. „Auguſt mag ſich ein Wenig beeilen — und dann bring' die große Lampe aus dem blauen Salon herüber ... Sie ſollen Ihre Augen nicht zu ſehr anſtrengen, Herr Doctor!“ fügte Frau Lange, zu Adam gewendet, ironiſch hinzu. Adam und Lydia ſahen ſich feſt an. Sie ver- ſtanden ſich. — „Aber ... Sie ſind doch noch nicht fertig, Herr Doctor? Ich bitte Sie! Wollen Sie nicht noch 'n Stück Fleiſch nehmen? Bitte ... ja! Es iſt delicat, wie ich, ohne meine Küche rühmen zu wollen, ſagen darf ...

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/142>, abgerufen am 12.05.2024.