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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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Adam kannte sich viel zu gut, als daß er nicht
hätte wissen sollen, daß diese Stimmung sehr bald
wieder abgeflossen sein würde. Er spintisirte da
vom Allgemeinen aus ins Allgemeine hinein und
dachte kaum daran, sich der Theilnahme an jener
wissenschaftlichen Pionirarbeit noch fähig zu erachten.
Aber es war seine Art, derartige leichtere, lebhaf-
tere Stimmungen zu irgend einer kleinen, spontanen
"That" zu benutzen. Und so kam ihm jetzt der Ge-
danke, durch einen gleichsam improvisirten, kühn hin-
geworfenen Brief einmal unmittelbar an Lydia her-
anzutreten. Wollte er damit das Gedeihen seiner ...
Zukunftsernte fördern? War es ihm Bedürfniß,
irgendwelche Hoffnungen und Erwartungen auf
seine Beziehungen zu Lydia zu setzen? Wollte er
bewußt diese Beziehungen pflegen, um eines Tages
Vortheile, die sie brächten .. etwa brächten, ein-
heimsen zu können? Diese psychologische Selbst-
inquisition belästigte ihn schon wieder ein Wenig
und fädelte seinen verknoteten Drang auseinander.
Und doch fand er sich plötzlich vor seinem Schreib-
tische sitzen und sich einen mit discretem Moschus-
parfum getränkten Briefbogen zurechtlegen. Und
Adam faselte in seiner, in kühn-coupirtem Stil sich
ausgerenkt vergliedernden Epistel so viel zerfahrenes
Zeug zusammen, daß es ihn nachher, als er es noch
einmal überflog, viel zu geschmacklos dünkte, als daß
noch ein Witz dabei herauskäme, wenn es nicht an
seine Adresse abgeschickt würde. --



Adam kannte ſich viel zu gut, als daß er nicht
hätte wiſſen ſollen, daß dieſe Stimmung ſehr bald
wieder abgefloſſen ſein würde. Er ſpintiſirte da
vom Allgemeinen aus ins Allgemeine hinein und
dachte kaum daran, ſich der Theilnahme an jener
wiſſenſchaftlichen Pionirarbeit noch fähig zu erachten.
Aber es war ſeine Art, derartige leichtere, lebhaf-
tere Stimmungen zu irgend einer kleinen, ſpontanen
„That“ zu benutzen. Und ſo kam ihm jetzt der Ge-
danke, durch einen gleichſam improviſirten, kühn hin-
geworfenen Brief einmal unmittelbar an Lydia her-
anzutreten. Wollte er damit das Gedeihen ſeiner ...
Zukunftsernte fördern? War es ihm Bedürfniß,
irgendwelche Hoffnungen und Erwartungen auf
ſeine Beziehungen zu Lydia zu ſetzen? Wollte er
bewußt dieſe Beziehungen pflegen, um eines Tages
Vortheile, die ſie brächten .. etwa brächten, ein-
heimſen zu können? Dieſe pſychologiſche Selbſt-
inquiſition beläſtigte ihn ſchon wieder ein Wenig
und fädelte ſeinen verknoteten Drang auseinander.
Und doch fand er ſich plötzlich vor ſeinem Schreib-
tiſche ſitzen und ſich einen mit discretem Moſchus-
parfum getränkten Briefbogen zurechtlegen. Und
Adam faſelte in ſeiner, in kühn-coupirtem Stil ſich
ausgerenkt vergliedernden Epiſtel ſo viel zerfahrenes
Zeug zuſammen, daß es ihn nachher, als er es noch
einmal überflog, viel zu geſchmacklos dünkte, als daß
noch ein Witz dabei herauskäme, wenn es nicht an
ſeine Adreſſe abgeſchickt würde. —



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[107/0115] Adam kannte ſich viel zu gut, als daß er nicht hätte wiſſen ſollen, daß dieſe Stimmung ſehr bald wieder abgefloſſen ſein würde. Er ſpintiſirte da vom Allgemeinen aus ins Allgemeine hinein und dachte kaum daran, ſich der Theilnahme an jener wiſſenſchaftlichen Pionirarbeit noch fähig zu erachten. Aber es war ſeine Art, derartige leichtere, lebhaf- tere Stimmungen zu irgend einer kleinen, ſpontanen „That“ zu benutzen. Und ſo kam ihm jetzt der Ge- danke, durch einen gleichſam improviſirten, kühn hin- geworfenen Brief einmal unmittelbar an Lydia her- anzutreten. Wollte er damit das Gedeihen ſeiner ... Zukunftsernte fördern? War es ihm Bedürfniß, irgendwelche Hoffnungen und Erwartungen auf ſeine Beziehungen zu Lydia zu ſetzen? Wollte er bewußt dieſe Beziehungen pflegen, um eines Tages Vortheile, die ſie brächten .. etwa brächten, ein- heimſen zu können? Dieſe pſychologiſche Selbſt- inquiſition beläſtigte ihn ſchon wieder ein Wenig und fädelte ſeinen verknoteten Drang auseinander. Und doch fand er ſich plötzlich vor ſeinem Schreib- tiſche ſitzen und ſich einen mit discretem Moſchus- parfum getränkten Briefbogen zurechtlegen. Und Adam faſelte in ſeiner, in kühn-coupirtem Stil ſich ausgerenkt vergliedernden Epiſtel ſo viel zerfahrenes Zeug zuſammen, daß es ihn nachher, als er es noch einmal überflog, viel zu geſchmacklos dünkte, als daß noch ein Witz dabei herauskäme, wenn es nicht an ſeine Adreſſe abgeſchickt würde. —

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/115>, abgerufen am 21.11.2024.