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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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sie es, so lösen sie an ihrem Theile die Frauenfrage, nicht ge-
rade an der Stelle, wo diese am lautesten nach Hülfe ruft.
Sagt es aber ihrem Zartgefühl besser zu, das Vermögen nicht
zu suchen, so thun sie wahrlich etwas, was ihnen kein Mensch
von anständiger Gesinnung vorzuwerfen den Muth haben wird,
ja man erhält öfters den Eindruck, daß es zum Theil die geistig
und sittlich begabtesten unter den Offizieren sind, welche unver-
mählt bleiben, während die durchschnittsmäßige Mehrzahl tapfer
auf das Ziel lostanzt, das ihnen gesetzt ist.

Was uns hier die Gewohnheiten eines einzelnen Berufs-
standes zeigen, ist keineswegs eine Ausnahmeerscheinung; es ist
mit etwas härteren Zügen eine allgemeine Erscheinung. Jn
anderen Berufsarten des Mittelstandes fehlen die dienstlichen
Vorschriften, welche zu der inneren Nothwendigkeit den äußeren
Zwang hinzufügen; aber jene Nothwendigkeit bleibt dieselbe.
Auch ohne die amtliche Schranke steht die wirthschaftliche
Schranke im Wege, welche die Eheschließung verbietet, da, wo
das zureichende Vermögen fehlt. Man wird nicht den Leicht-
sinn empfehlen wollen, der dieses Verbot mißachtet. Ja, jede
Herabdrückung der einmal errungenen Lebenshaltung, die eine
so starke Bezeichnung nicht verdienen würde, müßte sich doch
alsbald in einer Vermehrung eben derselben Bevölkerungs-
schichten rächen, die den Stoff für unser Problem bilden. Mit
jedem Jahrzehnte würde die Ausdehnung des Gebietes zu-
nehmen, welches von diesen Schwierigkeiten heimgesucht ist.
Die Schar jener weiblichen Wesen würde immer größer werden,
und das Problem bliebe das alte.

Man wird daher die Sache wohl an einem anderen Ende
anfassen müssen und womöglich an einem solchen, welches der
Frage etwas tiefer an die Wurzel geht.


5*

sie es, so lösen sie an ihrem Theile die Frauenfrage, nicht ge-
rade an der Stelle, wo diese am lautesten nach Hülfe ruft.
Sagt es aber ihrem Zartgefühl besser zu, das Vermögen nicht
zu suchen, so thun sie wahrlich etwas, was ihnen kein Mensch
von anständiger Gesinnung vorzuwerfen den Muth haben wird,
ja man erhält öfters den Eindruck, daß es zum Theil die geistig
und sittlich begabtesten unter den Offizieren sind, welche unver-
mählt bleiben, während die durchschnittsmäßige Mehrzahl tapfer
auf das Ziel lostanzt, das ihnen gesetzt ist.

Was uns hier die Gewohnheiten eines einzelnen Berufs-
standes zeigen, ist keineswegs eine Ausnahmeerscheinung; es ist
mit etwas härteren Zügen eine allgemeine Erscheinung. Jn
anderen Berufsarten des Mittelstandes fehlen die dienstlichen
Vorschriften, welche zu der inneren Nothwendigkeit den äußeren
Zwang hinzufügen; aber jene Nothwendigkeit bleibt dieselbe.
Auch ohne die amtliche Schranke steht die wirthschaftliche
Schranke im Wege, welche die Eheschließung verbietet, da, wo
das zureichende Vermögen fehlt. Man wird nicht den Leicht-
sinn empfehlen wollen, der dieses Verbot mißachtet. Ja, jede
Herabdrückung der einmal errungenen Lebenshaltung, die eine
so starke Bezeichnung nicht verdienen würde, müßte sich doch
alsbald in einer Vermehrung eben derselben Bevölkerungs-
schichten rächen, die den Stoff für unser Problem bilden. Mit
jedem Jahrzehnte würde die Ausdehnung des Gebietes zu-
nehmen, welches von diesen Schwierigkeiten heimgesucht ist.
Die Schar jener weiblichen Wesen würde immer größer werden,
und das Problem bliebe das alte.

Man wird daher die Sache wohl an einem anderen Ende
anfassen müssen und womöglich an einem solchen, welches der
Frage etwas tiefer an die Wurzel geht.


5*
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[67/0083] sie es, so lösen sie an ihrem Theile die Frauenfrage, nicht ge- rade an der Stelle, wo diese am lautesten nach Hülfe ruft. Sagt es aber ihrem Zartgefühl besser zu, das Vermögen nicht zu suchen, so thun sie wahrlich etwas, was ihnen kein Mensch von anständiger Gesinnung vorzuwerfen den Muth haben wird, ja man erhält öfters den Eindruck, daß es zum Theil die geistig und sittlich begabtesten unter den Offizieren sind, welche unver- mählt bleiben, während die durchschnittsmäßige Mehrzahl tapfer auf das Ziel lostanzt, das ihnen gesetzt ist. Was uns hier die Gewohnheiten eines einzelnen Berufs- standes zeigen, ist keineswegs eine Ausnahmeerscheinung; es ist mit etwas härteren Zügen eine allgemeine Erscheinung. Jn anderen Berufsarten des Mittelstandes fehlen die dienstlichen Vorschriften, welche zu der inneren Nothwendigkeit den äußeren Zwang hinzufügen; aber jene Nothwendigkeit bleibt dieselbe. Auch ohne die amtliche Schranke steht die wirthschaftliche Schranke im Wege, welche die Eheschließung verbietet, da, wo das zureichende Vermögen fehlt. Man wird nicht den Leicht- sinn empfehlen wollen, der dieses Verbot mißachtet. Ja, jede Herabdrückung der einmal errungenen Lebenshaltung, die eine so starke Bezeichnung nicht verdienen würde, müßte sich doch alsbald in einer Vermehrung eben derselben Bevölkerungs- schichten rächen, die den Stoff für unser Problem bilden. Mit jedem Jahrzehnte würde die Ausdehnung des Gebietes zu- nehmen, welches von diesen Schwierigkeiten heimgesucht ist. Die Schar jener weiblichen Wesen würde immer größer werden, und das Problem bliebe das alte. Man wird daher die Sache wohl an einem anderen Ende anfassen müssen und womöglich an einem solchen, welches der Frage etwas tiefer an die Wurzel geht. 5*

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/83>, abgerufen am 18.04.2024.