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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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nahmestellung beschränkt ist wie auf absehbare Zeit erwartet
werden muß. Jm Uebrigen sollen schwächliche Wesen, welche
den Anforderungen physisch oder psychisch nicht gewachsen sind,
nicht zu Anstrengungen gezwungen werden, denen sie unterliegen
würden.

Das gleichfalls in den letzten Jahren entstandene Mädchen-
gymnasium zu Berlin unterscheidet sich von dem Carlsruher
dadurch, daß seine Schülerinnen die höhere Töchterschule ab-
solvirt haben, daß hier also erwachsene Mädchen im Laufe von
drei bis vier Jahren das ganze Pensum an Gymnasialbildung
nachholen, welches neben dem in der höhern Töchterschule Ge-
lernten erforderlich ist, um der Maturitätsprüfung zu genügen.
Auch diese Schule ist aus den Kräften freier Gemeinnützigkeit
entstanden, jedoch in diesem Falle durch Verbindung mannig-
faltiger Kräfte. Der (Leipziger) Allgemeine deutsche Frauen-
verein hat eine Freistelle gestiftet; für eine fernere Freistelle
hat eine begüterte Dame siebentausend Mark gespendet, für ein
Universitätsstipendium eine andere Dame zwanzigtausend Mark.
Es hat sich unter dem Vorsitz des Prinzen von Schönaich-
Carolath eine "Vereinigung zur Veranstaltung von Gymnasial-
cursen für Frauen" gebildet. Der erste Cötus begann im
October 1893 mit 15 Schülerinnen (in den Räumen der
Charlottenschule). Der Stundenplan des ersten Semesters ent-
hielt sieben Fächer mit 20 wöchentlichen Stunden (2 Deutsch,
6 Latein, 4 Griechisch, je 2 Englisch und Französisch, Geographie
und Naturbeschreibung). Der Unterricht im Englischen und
Französischen wird durch Damen, der übrige Unterricht durch
Gymnasiallehrer gegeben, wie auch an der Spitze ein früherer
Gymnasialdirector steht. Mit Mathematik wird erst im zweiten
Semester (3 Stunden) begonnen, desgleichen mit Geschichte.
Sämmtliche Lectionen sind auf die Nachmittagstunden gelegt.

nahmestellung beschränkt ist wie auf absehbare Zeit erwartet
werden muß. Jm Uebrigen sollen schwächliche Wesen, welche
den Anforderungen physisch oder psychisch nicht gewachsen sind,
nicht zu Anstrengungen gezwungen werden, denen sie unterliegen
würden.

Das gleichfalls in den letzten Jahren entstandene Mädchen-
gymnasium zu Berlin unterscheidet sich von dem Carlsruher
dadurch, daß seine Schülerinnen die höhere Töchterschule ab-
solvirt haben, daß hier also erwachsene Mädchen im Laufe von
drei bis vier Jahren das ganze Pensum an Gymnasialbildung
nachholen, welches neben dem in der höhern Töchterschule Ge-
lernten erforderlich ist, um der Maturitätsprüfung zu genügen.
Auch diese Schule ist aus den Kräften freier Gemeinnützigkeit
entstanden, jedoch in diesem Falle durch Verbindung mannig-
faltiger Kräfte. Der (Leipziger) Allgemeine deutsche Frauen-
verein hat eine Freistelle gestiftet; für eine fernere Freistelle
hat eine begüterte Dame siebentausend Mark gespendet, für ein
Universitätsstipendium eine andere Dame zwanzigtausend Mark.
Es hat sich unter dem Vorsitz des Prinzen von Schönaich-
Carolath eine „Vereinigung zur Veranstaltung von Gymnasial-
cursen für Frauen“ gebildet. Der erste Cötus begann im
October 1893 mit 15 Schülerinnen (in den Räumen der
Charlottenschule). Der Stundenplan des ersten Semesters ent-
hielt sieben Fächer mit 20 wöchentlichen Stunden (2 Deutsch,
6 Latein, 4 Griechisch, je 2 Englisch und Französisch, Geographie
und Naturbeschreibung). Der Unterricht im Englischen und
Französischen wird durch Damen, der übrige Unterricht durch
Gymnasiallehrer gegeben, wie auch an der Spitze ein früherer
Gymnasialdirector steht. Mit Mathematik wird erst im zweiten
Semester (3 Stunden) begonnen, desgleichen mit Geschichte.
Sämmtliche Lectionen sind auf die Nachmittagstunden gelegt.

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[40/0056] nahmestellung beschränkt ist wie auf absehbare Zeit erwartet werden muß. Jm Uebrigen sollen schwächliche Wesen, welche den Anforderungen physisch oder psychisch nicht gewachsen sind, nicht zu Anstrengungen gezwungen werden, denen sie unterliegen würden. Das gleichfalls in den letzten Jahren entstandene Mädchen- gymnasium zu Berlin unterscheidet sich von dem Carlsruher dadurch, daß seine Schülerinnen die höhere Töchterschule ab- solvirt haben, daß hier also erwachsene Mädchen im Laufe von drei bis vier Jahren das ganze Pensum an Gymnasialbildung nachholen, welches neben dem in der höhern Töchterschule Ge- lernten erforderlich ist, um der Maturitätsprüfung zu genügen. Auch diese Schule ist aus den Kräften freier Gemeinnützigkeit entstanden, jedoch in diesem Falle durch Verbindung mannig- faltiger Kräfte. Der (Leipziger) Allgemeine deutsche Frauen- verein hat eine Freistelle gestiftet; für eine fernere Freistelle hat eine begüterte Dame siebentausend Mark gespendet, für ein Universitätsstipendium eine andere Dame zwanzigtausend Mark. Es hat sich unter dem Vorsitz des Prinzen von Schönaich- Carolath eine „Vereinigung zur Veranstaltung von Gymnasial- cursen für Frauen“ gebildet. Der erste Cötus begann im October 1893 mit 15 Schülerinnen (in den Räumen der Charlottenschule). Der Stundenplan des ersten Semesters ent- hielt sieben Fächer mit 20 wöchentlichen Stunden (2 Deutsch, 6 Latein, 4 Griechisch, je 2 Englisch und Französisch, Geographie und Naturbeschreibung). Der Unterricht im Englischen und Französischen wird durch Damen, der übrige Unterricht durch Gymnasiallehrer gegeben, wie auch an der Spitze ein früherer Gymnasialdirector steht. Mit Mathematik wird erst im zweiten Semester (3 Stunden) begonnen, desgleichen mit Geschichte. Sämmtliche Lectionen sind auf die Nachmittagstunden gelegt.

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/56>, abgerufen am 24.04.2024.