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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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bestehen sie nothdürftig ein Examen, um dann in vielen Fällen
als unfähige Leute in den Dienst des Staates und der Com-
mune zu treten. Wenn diesen Herren durch die weibliche Con-
currenz ein Stachel gegeben würde, sich etwas mehr ihres
Studiums zu befleißigen, so wäre das allein schon ein großer
Vortheil, der durch die Zulassung der Frauen zum Universitäts-
studium erreicht werden würde.

Gegen die Sittlichkeits- und Anstandsbedenken, die sich
namentlich gegen das medicinische Studium der Frauen richten,
wurde von derselben Seite bemerkt, wie man doch absolut nichts
dagegen einzuwenden habe, daß alljährlich Tausende und Aber-
tausende von Frauen zu Krankenpflegerinnen ausgebildet werden.
Eine Krankenpflegerin aber werde ebenso sehr in die Geheim-
nisse des menschlichen Körpers eingeweiht, wie eine Studirende
der Medicin. Ja gerade die katholische Kirche sei es, die sich
rühmt, viele Krankenpflegerinnen auszubilden. Dem stünden
die strengen Gelübde der Kirche durchaus nicht im Wege.
Auch seien in anderen Ländern längst Erfahrungen gemacht;
in den Vereinigten Staaten von Amerika gebe es bereits drei-
tausend weibliche Aerzte, und die Erfahrungen dort, in der
Schweiz, in anderen Ländern rechtfertigten die Befürchtungen nicht.

Nachdem nun die Mehrheit des Reichstages die Petition
abgewiesen hatte, erfolgte bereits einen Monat später, am
18. April 1891, eine neue Petition. Es war eine Replik auf
den an die Petenten gelangten Bescheid der Reichsregierung,
und eine nicht ungeschickte Replik. Aus der Behandlung der
Petition durch die Regierungen der Einzelstaaten hätte man,
wurde darin gesagt, die Ueberzeugung der Regierungen ent-
nommen, der Einzelstaat könne für die vorliegende Reform
nicht wohl die Jnitiative ergreifen. Dem entgegen verweise
nun die Motivirung des Reichstagsbescheides wieder auf die

bestehen sie nothdürftig ein Examen, um dann in vielen Fällen
als unfähige Leute in den Dienst des Staates und der Com-
mune zu treten. Wenn diesen Herren durch die weibliche Con-
currenz ein Stachel gegeben würde, sich etwas mehr ihres
Studiums zu befleißigen, so wäre das allein schon ein großer
Vortheil, der durch die Zulassung der Frauen zum Universitäts-
studium erreicht werden würde.

Gegen die Sittlichkeits- und Anstandsbedenken, die sich
namentlich gegen das medicinische Studium der Frauen richten,
wurde von derselben Seite bemerkt, wie man doch absolut nichts
dagegen einzuwenden habe, daß alljährlich Tausende und Aber-
tausende von Frauen zu Krankenpflegerinnen ausgebildet werden.
Eine Krankenpflegerin aber werde ebenso sehr in die Geheim-
nisse des menschlichen Körpers eingeweiht, wie eine Studirende
der Medicin. Ja gerade die katholische Kirche sei es, die sich
rühmt, viele Krankenpflegerinnen auszubilden. Dem stünden
die strengen Gelübde der Kirche durchaus nicht im Wege.
Auch seien in anderen Ländern längst Erfahrungen gemacht;
in den Vereinigten Staaten von Amerika gebe es bereits drei-
tausend weibliche Aerzte, und die Erfahrungen dort, in der
Schweiz, in anderen Ländern rechtfertigten die Befürchtungen nicht.

Nachdem nun die Mehrheit des Reichstages die Petition
abgewiesen hatte, erfolgte bereits einen Monat später, am
18. April 1891, eine neue Petition. Es war eine Replik auf
den an die Petenten gelangten Bescheid der Reichsregierung,
und eine nicht ungeschickte Replik. Aus der Behandlung der
Petition durch die Regierungen der Einzelstaaten hätte man,
wurde darin gesagt, die Ueberzeugung der Regierungen ent-
nommen, der Einzelstaat könne für die vorliegende Reform
nicht wohl die Jnitiative ergreifen. Dem entgegen verweise
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[29/0045] bestehen sie nothdürftig ein Examen, um dann in vielen Fällen als unfähige Leute in den Dienst des Staates und der Com- mune zu treten. Wenn diesen Herren durch die weibliche Con- currenz ein Stachel gegeben würde, sich etwas mehr ihres Studiums zu befleißigen, so wäre das allein schon ein großer Vortheil, der durch die Zulassung der Frauen zum Universitäts- studium erreicht werden würde. Gegen die Sittlichkeits- und Anstandsbedenken, die sich namentlich gegen das medicinische Studium der Frauen richten, wurde von derselben Seite bemerkt, wie man doch absolut nichts dagegen einzuwenden habe, daß alljährlich Tausende und Aber- tausende von Frauen zu Krankenpflegerinnen ausgebildet werden. Eine Krankenpflegerin aber werde ebenso sehr in die Geheim- nisse des menschlichen Körpers eingeweiht, wie eine Studirende der Medicin. Ja gerade die katholische Kirche sei es, die sich rühmt, viele Krankenpflegerinnen auszubilden. Dem stünden die strengen Gelübde der Kirche durchaus nicht im Wege. Auch seien in anderen Ländern längst Erfahrungen gemacht; in den Vereinigten Staaten von Amerika gebe es bereits drei- tausend weibliche Aerzte, und die Erfahrungen dort, in der Schweiz, in anderen Ländern rechtfertigten die Befürchtungen nicht. Nachdem nun die Mehrheit des Reichstages die Petition abgewiesen hatte, erfolgte bereits einen Monat später, am 18. April 1891, eine neue Petition. Es war eine Replik auf den an die Petenten gelangten Bescheid der Reichsregierung, und eine nicht ungeschickte Replik. Aus der Behandlung der Petition durch die Regierungen der Einzelstaaten hätte man, wurde darin gesagt, die Ueberzeugung der Regierungen ent- nommen, der Einzelstaat könne für die vorliegende Reform nicht wohl die Jnitiative ergreifen. Dem entgegen verweise nun die Motivirung des Reichstagsbescheides wieder auf die

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/45>, abgerufen am 19.04.2024.