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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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ein selbständiges Unternehmen zu machen; es war namentlich
nicht eine Anzahl von Männern, die für den Beruf weiblicher
Arbeit eintraten, sondern es waren die Frauen selber, die gleich
von Anfang sich auf eigene Füße stellten und dadurch der Sache
eine Färbung gaben, die etwas mehr von dem Enthusiasmus
und etwas weniger von der Nüchternheit hatte, als der Berliner
Verein.

Jn den ersten Monaten des Jahres 1865 gründete man
einen Frauenbildungsverein, welcher Abendunterhaltungen für
weibliche Personen veranstaltete, eine Fortbildungsschule für
confirmirte Mädchen errichtete, Bureaus für Stellenvermittelung,
eine Kochschule und Speiseanstalt für Frauen u. dgl. m. Aber
in seinen Satzungen war auch die Einberufung einer Frauen-
conferenz aus allen Städten und Staaten ins Auge gefaßt.
Bald darauf erfolgte ein Rundschreiben, welches auf den
16. October desselben Jahres eine Frauenconferenz nach Leipzig
einberief. Hierbei präsidirten und sprachen fast ausschließlich
Damen. Es war zum ersten Male in Deutschland, daß eine
große Versammlung nur von Frauen geleitet ward. Es war
der Grundgedanke dieses Vereins, dem weiblichen Geschlecht zu
helfen durch eigene weibliche Kraft. Man vereinbarte ein Pro-
gramm, dessen erster Paragraph lautete: "Wir erklären, nach
dem Beschlusse der ersten deutschen Frauenconferenz, die Arbeit,
welche die Grundlage der ganzen neuen Gesellschaft sein soll,
für eine Pflicht und Ehre des weiblichen Geschlechts, nehmen
dagegen das Recht der Arbeit in Anspruch und halten es für
nothwendig, daß alle der weiblichen Arbeit im Wege stehenden
Hindernisse entfernt werden." Neben der Agitation durch Frauen-
bildungsvereine zur Bekämpfung der alten Vorurtheile wurden
Productionsassociationen, Jndustrieausstellungen für Erzeugnisse
weiblicher Arbeit, Jndustrieschulen für Mädchen, Jnstitute für

ein selbständiges Unternehmen zu machen; es war namentlich
nicht eine Anzahl von Männern, die für den Beruf weiblicher
Arbeit eintraten, sondern es waren die Frauen selber, die gleich
von Anfang sich auf eigene Füße stellten und dadurch der Sache
eine Färbung gaben, die etwas mehr von dem Enthusiasmus
und etwas weniger von der Nüchternheit hatte, als der Berliner
Verein.

Jn den ersten Monaten des Jahres 1865 gründete man
einen Frauenbildungsverein, welcher Abendunterhaltungen für
weibliche Personen veranstaltete, eine Fortbildungsschule für
confirmirte Mädchen errichtete, Bureaus für Stellenvermittelung,
eine Kochschule und Speiseanstalt für Frauen u. dgl. m. Aber
in seinen Satzungen war auch die Einberufung einer Frauen-
conferenz aus allen Städten und Staaten ins Auge gefaßt.
Bald darauf erfolgte ein Rundschreiben, welches auf den
16. October desselben Jahres eine Frauenconferenz nach Leipzig
einberief. Hierbei präsidirten und sprachen fast ausschließlich
Damen. Es war zum ersten Male in Deutschland, daß eine
große Versammlung nur von Frauen geleitet ward. Es war
der Grundgedanke dieses Vereins, dem weiblichen Geschlecht zu
helfen durch eigene weibliche Kraft. Man vereinbarte ein Pro-
gramm, dessen erster Paragraph lautete: „Wir erklären, nach
dem Beschlusse der ersten deutschen Frauenconferenz, die Arbeit,
welche die Grundlage der ganzen neuen Gesellschaft sein soll,
für eine Pflicht und Ehre des weiblichen Geschlechts, nehmen
dagegen das Recht der Arbeit in Anspruch und halten es für
nothwendig, daß alle der weiblichen Arbeit im Wege stehenden
Hindernisse entfernt werden.“ Neben der Agitation durch Frauen-
bildungsvereine zur Bekämpfung der alten Vorurtheile wurden
Productionsassociationen, Jndustrieausstellungen für Erzeugnisse
weiblicher Arbeit, Jndustrieschulen für Mädchen, Jnstitute für

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[21/0037] ein selbständiges Unternehmen zu machen; es war namentlich nicht eine Anzahl von Männern, die für den Beruf weiblicher Arbeit eintraten, sondern es waren die Frauen selber, die gleich von Anfang sich auf eigene Füße stellten und dadurch der Sache eine Färbung gaben, die etwas mehr von dem Enthusiasmus und etwas weniger von der Nüchternheit hatte, als der Berliner Verein. Jn den ersten Monaten des Jahres 1865 gründete man einen Frauenbildungsverein, welcher Abendunterhaltungen für weibliche Personen veranstaltete, eine Fortbildungsschule für confirmirte Mädchen errichtete, Bureaus für Stellenvermittelung, eine Kochschule und Speiseanstalt für Frauen u. dgl. m. Aber in seinen Satzungen war auch die Einberufung einer Frauen- conferenz aus allen Städten und Staaten ins Auge gefaßt. Bald darauf erfolgte ein Rundschreiben, welches auf den 16. October desselben Jahres eine Frauenconferenz nach Leipzig einberief. Hierbei präsidirten und sprachen fast ausschließlich Damen. Es war zum ersten Male in Deutschland, daß eine große Versammlung nur von Frauen geleitet ward. Es war der Grundgedanke dieses Vereins, dem weiblichen Geschlecht zu helfen durch eigene weibliche Kraft. Man vereinbarte ein Pro- gramm, dessen erster Paragraph lautete: „Wir erklären, nach dem Beschlusse der ersten deutschen Frauenconferenz, die Arbeit, welche die Grundlage der ganzen neuen Gesellschaft sein soll, für eine Pflicht und Ehre des weiblichen Geschlechts, nehmen dagegen das Recht der Arbeit in Anspruch und halten es für nothwendig, daß alle der weiblichen Arbeit im Wege stehenden Hindernisse entfernt werden.“ Neben der Agitation durch Frauen- bildungsvereine zur Bekämpfung der alten Vorurtheile wurden Productionsassociationen, Jndustrieausstellungen für Erzeugnisse weiblicher Arbeit, Jndustrieschulen für Mädchen, Jnstitute für

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/37>, abgerufen am 20.04.2024.