der bloßen Thatsache, daß ein solches Streben sich bekundet, etwas Erfreuliches sehen dürfen. Gerade der deutsche Universi- tätslehrer, dessen Wirksamkeit zufolge der akademischen Freiheit vielfach darauf beschränkt ist, den Samen auszustreuen, ohne zu wissen, ob er aufgeht, hat am wenigsten Grund, solchen guten Willen hochmüthig zu beurtheilen. Er ist selber am meisten darauf angewiesen, zufrieden zu sein, wenn er nur diesen guten Willen sieht.
Daß der neuerdings durch die ersten Anläufe erreichte Zu- stand des Frauenstudiums bei unseren Universitäten kein definitiver sein kann, ist ziemlich einleuchtend. Die Unterrichtsverwaltung, welche doch mit sichtbarer Reserve in dieser Angelegenheit vor- geht, hat dadurch einen neuen Schritt der Vorwärtsbewegung hinzugethan, daß sie seit dem Jahre 1895 dem Gesuche von weiblichen Candidaten um Zulassung zur Maturitäts- prüfung gewillfahrt hat. Jn Berlin haben im März 1896 6 Zöglinge des Mädchengymnasiums die Prüfung bestanden. Jn England, Amerika, Frankreich kann sich nach dort be- stehender Sitte eine Dame, welche die entsprechende Prüfung bestanden hat, daraus - gleich dem jungen Manne - einen Titel machen; in Deutschland sind wir noch nicht so weit. Aber auch im Auslande will man diesen Titel nützlicher an- wenden, als darin, daß man ihn hinter den Namen setzt. Vollends bei uns hat jene Prüfung keinen rechten Sinn, wenn sie nicht, wie bei den männlichen Abiturienten, das Recht zur Jmmatriculation*) und zur Absolvirung des Studiums bei den
*) Jm Beginne des Wintersemesters 1895-96 hat sich eine mit dem Reifezeugniß des Abiturienten ausgerüstete Candidatin um die Jmmatriculation bei der Berliner Universität beworben, ist aber ab- gewiesen und auf das zur Zeit bestehende mindere Recht verwiesen worden. Zugleich ist die Zahl Derjenigen, welche, sich dieses minderen
der bloßen Thatsache, daß ein solches Streben sich bekundet, etwas Erfreuliches sehen dürfen. Gerade der deutsche Universi- tätslehrer, dessen Wirksamkeit zufolge der akademischen Freiheit vielfach darauf beschränkt ist, den Samen auszustreuen, ohne zu wissen, ob er aufgeht, hat am wenigsten Grund, solchen guten Willen hochmüthig zu beurtheilen. Er ist selber am meisten darauf angewiesen, zufrieden zu sein, wenn er nur diesen guten Willen sieht.
Daß der neuerdings durch die ersten Anläufe erreichte Zu- stand des Frauenstudiums bei unseren Universitäten kein definitiver sein kann, ist ziemlich einleuchtend. Die Unterrichtsverwaltung, welche doch mit sichtbarer Reserve in dieser Angelegenheit vor- geht, hat dadurch einen neuen Schritt der Vorwärtsbewegung hinzugethan, daß sie seit dem Jahre 1895 dem Gesuche von weiblichen Candidaten um Zulassung zur Maturitäts- prüfung gewillfahrt hat. Jn Berlin haben im März 1896 6 Zöglinge des Mädchengymnasiums die Prüfung bestanden. Jn England, Amerika, Frankreich kann sich nach dort be- stehender Sitte eine Dame, welche die entsprechende Prüfung bestanden hat, daraus – gleich dem jungen Manne – einen Titel machen; in Deutschland sind wir noch nicht so weit. Aber auch im Auslande will man diesen Titel nützlicher an- wenden, als darin, daß man ihn hinter den Namen setzt. Vollends bei uns hat jene Prüfung keinen rechten Sinn, wenn sie nicht, wie bei den männlichen Abiturienten, das Recht zur Jmmatriculation*) und zur Absolvirung des Studiums bei den
*) Jm Beginne des Wintersemesters 1895-96 hat sich eine mit dem Reifezeugniß des Abiturienten ausgerüstete Candidatin um die Jmmatriculation bei der Berliner Universität beworben, ist aber ab- gewiesen und auf das zur Zeit bestehende mindere Recht verwiesen worden. Zugleich ist die Zahl Derjenigen, welche, sich dieses minderen
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der bloßen Thatsache, daß ein solches Streben sich bekundet,
etwas Erfreuliches sehen dürfen. Gerade der deutsche Universi-
tätslehrer, dessen Wirksamkeit zufolge der akademischen Freiheit
vielfach darauf beschränkt ist, den Samen auszustreuen, ohne
zu wissen, ob er aufgeht, hat am wenigsten Grund, solchen
guten Willen hochmüthig zu beurtheilen. Er ist selber am
meisten darauf angewiesen, zufrieden zu sein, wenn er nur diesen
guten Willen sieht.
Daß der neuerdings durch die ersten Anläufe erreichte Zu-
stand des Frauenstudiums bei unseren Universitäten kein definitiver
sein kann, ist ziemlich einleuchtend. Die Unterrichtsverwaltung,
welche doch mit sichtbarer Reserve in dieser Angelegenheit vor-
geht, hat dadurch einen neuen Schritt der Vorwärtsbewegung
hinzugethan, daß sie seit dem Jahre 1895 dem Gesuche
von weiblichen Candidaten um Zulassung zur Maturitäts-
prüfung gewillfahrt hat. Jn Berlin haben im März 1896
6 Zöglinge des Mädchengymnasiums die Prüfung bestanden.
Jn England, Amerika, Frankreich kann sich nach dort be-
stehender Sitte eine Dame, welche die entsprechende Prüfung
bestanden hat, daraus – gleich dem jungen Manne – einen
Titel machen; in Deutschland sind wir noch nicht so weit.
Aber auch im Auslande will man diesen Titel nützlicher an-
wenden, als darin, daß man ihn hinter den Namen setzt.
Vollends bei uns hat jene Prüfung keinen rechten Sinn, wenn
sie nicht, wie bei den männlichen Abiturienten, das Recht zur
Jmmatriculation *)
und zur Absolvirung des Studiums bei den
*) Jm Beginne des Wintersemesters 1895-96 hat sich eine mit
dem Reifezeugniß des Abiturienten ausgerüstete Candidatin um die
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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/223>, abgerufen am 16.02.2025.
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