Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

doch keine der üblichen Mädchentugenden verloren gegangen ist,
auch nicht die Lust am Ballvergnügen.

Ein verhältnißmäßig abgeschlossener Zustand ist durch die
Vorlesungscurse für die Lehrerinnen erreicht. Der gute Erfolg
derselben, der sich theils in den Staatsprüfungen und zumal in
den von den Professoren abgehaltenen Colloquien bereits er-
wiesen hat, wird muthmaßlich zur Ausbreitung dieser Einrichtung
über Preußen und Deutschland hin beitragen. Auch an dem
besonders kritischen Punkte, nämlich der Stellung der Universitäts-
lehrer zu diesen Vorlesungen, sind günstige Erfahrungen ge-
macht worden. Als einige strebsame, opferbereite, an der Spitze
der Lehrerinnenschaft des Landes stehende Damen sich an einen
kleinen Kreis von Göttinger Universitätsprofessoren behufs Ab-
haltung der Curse wendeten, kamen diese vielleicht mehr mit
Wohlwollen als mit Begeisterung der neuen Sache entgegen.
Einzelne waren darunter, die man nach ihren vorausgegangenen
wissenschaftlichen Aeußerungen über die Frauenfrage eher für
Gegner einer erhöhten Frauenbildung hätte halten dürfen. Um
so erfreulicher war der Eindruck, den die neue Zuhörerschaft
bald machte. Statt mancher ähnlicher Urtheile setze ich hier
dasjenige hin von einem Manne, den bereits die Erde deckt,
dem Historiker Ludwig Weiland. Jn dem Nachruf für ihn
hat Frensdorff es aufbewahrt.*) "Obschon kein Freund der
modernen Erziehungskünste," sagt er von Weiland, "hat er
mir doch gestanden, welche Freude er an den neuerdings in
Göttingen eingerichteten Cursen für Lehrerinnen erlebte, wie
die Zuhörerinnen es nicht bloß an Fleiß, sondern auch an

*) Zur Erinnerung an Ludwig Weiland. Vortrag auf der Ver-
sammlung des Hansischen Geschichtsvereins zu Bielefeld am 4. Juni
1895 (Hansische Geschichtsblätter, Bd. XXII).

doch keine der üblichen Mädchentugenden verloren gegangen ist,
auch nicht die Lust am Ballvergnügen.

Ein verhältnißmäßig abgeschlossener Zustand ist durch die
Vorlesungscurse für die Lehrerinnen erreicht. Der gute Erfolg
derselben, der sich theils in den Staatsprüfungen und zumal in
den von den Professoren abgehaltenen Colloquien bereits er-
wiesen hat, wird muthmaßlich zur Ausbreitung dieser Einrichtung
über Preußen und Deutschland hin beitragen. Auch an dem
besonders kritischen Punkte, nämlich der Stellung der Universitäts-
lehrer zu diesen Vorlesungen, sind günstige Erfahrungen ge-
macht worden. Als einige strebsame, opferbereite, an der Spitze
der Lehrerinnenschaft des Landes stehende Damen sich an einen
kleinen Kreis von Göttinger Universitätsprofessoren behufs Ab-
haltung der Curse wendeten, kamen diese vielleicht mehr mit
Wohlwollen als mit Begeisterung der neuen Sache entgegen.
Einzelne waren darunter, die man nach ihren vorausgegangenen
wissenschaftlichen Aeußerungen über die Frauenfrage eher für
Gegner einer erhöhten Frauenbildung hätte halten dürfen. Um
so erfreulicher war der Eindruck, den die neue Zuhörerschaft
bald machte. Statt mancher ähnlicher Urtheile setze ich hier
dasjenige hin von einem Manne, den bereits die Erde deckt,
dem Historiker Ludwig Weiland. Jn dem Nachruf für ihn
hat Frensdorff es aufbewahrt.*) „Obschon kein Freund der
modernen Erziehungskünste,“ sagt er von Weiland, „hat er
mir doch gestanden, welche Freude er an den neuerdings in
Göttingen eingerichteten Cursen für Lehrerinnen erlebte, wie
die Zuhörerinnen es nicht bloß an Fleiß, sondern auch an

*) Zur Erinnerung an Ludwig Weiland. Vortrag auf der Ver-
sammlung des Hansischen Geschichtsvereins zu Bielefeld am 4. Juni
1895 (Hansische Geschichtsblätter, Bd. XXII).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0221" n="205"/>
doch keine der üblichen Mädchentugenden verloren gegangen ist,<lb/>
auch nicht die Lust am Ballvergnügen.</p><lb/>
          <p>Ein verhältnißmäßig abgeschlossener Zustand ist durch die<lb/>
Vorlesungscurse für die Lehrerinnen erreicht. Der gute Erfolg<lb/>
derselben, der sich theils in den Staatsprüfungen und zumal in<lb/>
den von den Professoren abgehaltenen Colloquien bereits er-<lb/>
wiesen hat, wird muthmaßlich zur Ausbreitung dieser Einrichtung<lb/>
über Preußen und Deutschland hin beitragen. Auch an dem<lb/>
besonders kritischen Punkte, nämlich der Stellung der Universitäts-<lb/>
lehrer zu diesen Vorlesungen, sind günstige Erfahrungen ge-<lb/>
macht worden. Als einige strebsame, opferbereite, an der Spitze<lb/>
der Lehrerinnenschaft des Landes stehende Damen sich an einen<lb/>
kleinen Kreis von Göttinger Universitätsprofessoren behufs Ab-<lb/>
haltung der Curse wendeten, kamen diese vielleicht mehr mit<lb/>
Wohlwollen als mit Begeisterung der neuen Sache entgegen.<lb/>
Einzelne waren darunter, die man nach ihren vorausgegangenen<lb/>
wissenschaftlichen Aeußerungen über die Frauenfrage eher für<lb/>
Gegner einer erhöhten Frauenbildung hätte halten dürfen. Um<lb/>
so erfreulicher war der Eindruck, den die neue Zuhörerschaft<lb/>
bald machte. Statt mancher ähnlicher Urtheile setze ich hier<lb/>
dasjenige hin von einem Manne, den bereits die Erde deckt,<lb/>
dem Historiker Ludwig Weiland. Jn dem Nachruf für ihn<lb/>
hat Frensdorff es aufbewahrt.<note place="foot" n="*)"> Zur Erinnerung an Ludwig Weiland. Vortrag auf der Ver-<lb/>
sammlung des Hansischen Geschichtsvereins zu Bielefeld am 4. Juni<lb/>
1895 (Hansische Geschichtsblätter, Bd. <hi rendition="#aq">XXII</hi>).</note> &#x201E;Obschon kein Freund der<lb/>
modernen Erziehungskünste,&#x201C; sagt er von Weiland, &#x201E;hat er<lb/>
mir doch gestanden, welche Freude er an den neuerdings in<lb/>
Göttingen eingerichteten Cursen für Lehrerinnen erlebte, wie<lb/>
die Zuhörerinnen es nicht bloß an Fleiß, sondern auch an<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0221] doch keine der üblichen Mädchentugenden verloren gegangen ist, auch nicht die Lust am Ballvergnügen. Ein verhältnißmäßig abgeschlossener Zustand ist durch die Vorlesungscurse für die Lehrerinnen erreicht. Der gute Erfolg derselben, der sich theils in den Staatsprüfungen und zumal in den von den Professoren abgehaltenen Colloquien bereits er- wiesen hat, wird muthmaßlich zur Ausbreitung dieser Einrichtung über Preußen und Deutschland hin beitragen. Auch an dem besonders kritischen Punkte, nämlich der Stellung der Universitäts- lehrer zu diesen Vorlesungen, sind günstige Erfahrungen ge- macht worden. Als einige strebsame, opferbereite, an der Spitze der Lehrerinnenschaft des Landes stehende Damen sich an einen kleinen Kreis von Göttinger Universitätsprofessoren behufs Ab- haltung der Curse wendeten, kamen diese vielleicht mehr mit Wohlwollen als mit Begeisterung der neuen Sache entgegen. Einzelne waren darunter, die man nach ihren vorausgegangenen wissenschaftlichen Aeußerungen über die Frauenfrage eher für Gegner einer erhöhten Frauenbildung hätte halten dürfen. Um so erfreulicher war der Eindruck, den die neue Zuhörerschaft bald machte. Statt mancher ähnlicher Urtheile setze ich hier dasjenige hin von einem Manne, den bereits die Erde deckt, dem Historiker Ludwig Weiland. Jn dem Nachruf für ihn hat Frensdorff es aufbewahrt. *) „Obschon kein Freund der modernen Erziehungskünste,“ sagt er von Weiland, „hat er mir doch gestanden, welche Freude er an den neuerdings in Göttingen eingerichteten Cursen für Lehrerinnen erlebte, wie die Zuhörerinnen es nicht bloß an Fleiß, sondern auch an *) Zur Erinnerung an Ludwig Weiland. Vortrag auf der Ver- sammlung des Hansischen Geschichtsvereins zu Bielefeld am 4. Juni 1895 (Hansische Geschichtsblätter, Bd. XXII).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/221
Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/221>, abgerufen am 03.05.2024.