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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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ist seit einigen Jahren an preußischen Universitäten zum ersten
Mal eingetreten - das Studium von Frauen, zuerst an der
Universität von Göttingen, dann in Berlin, auch in Bres-
lau, Greifswald, Marburg, Heidelberg, München. Rechtens
liegt der Fall ähnlich wie bei der staatlichen Zulassung zum
Maturitätsexamen. Herkömmlich gewähren die deutschen Uni-
versitäten männlichen Personen Zutritt zu ihren Vorlesungen,
auch wenn sie nicht immatriculirt werden können (Beamten,
Offizieren, Gewerbetreibenden u. s. w.). Jn diese Kategorie der
Jmmatriculationsunfähigen gehören nicht durchaus Diejenigen,
welche eines Maturitätszeugnisses ermangeln; unter gewissen
Einschränkungen werden vielmehr auch diese immatriculirt.
Vollends wird Ausländern gegenüber eine milde Praxis hin-
sichtlich der wissenschaftlichen Zulassungsbedingungen geübt. Von
allem jenem Entgegenkommen gegen männliche Zuhörerschaft
verlangten die Frauen zunächst ein Stück, das ihnen durch die
Unterrichtsverwaltung im Zusammenwirken mit den Universitäten
in folgender Weise gewährt wurde. Sie sind unter das Recht
der vom Rector zugelassenen nichtimmatriculirten Zuhörer ge-
stellt, welche als solche nur diejenigen Vorlesungen u. s. w. hören
dürfen, zu welchen sie die Erlaubniß des betreffenden Docenten
erhalten; sie haben aber zuvor die Genehmigung des Unter-
richtsministeriums einzuholen, die sie auf Grund des Nach-
weises zureichender Vorbildung erhalten. Als solche zureichende
Vorbildung haben einzelne Universitäten generell die Quali-
fication einer staatlich geprüften Lehrerin bezeichnet - eine
Qualification, welche regelmäßig bei Ausländerinnen nicht in
Frage kommen kann.

Unter diesen Bedingungen ist eine bescheidene Zahl von
weiblichen Studirenden (in Göttingen vorwiegend für Mathe-
matik und Verwandtes) seit zwei bis drei Jahren in die Hör-

ist seit einigen Jahren an preußischen Universitäten zum ersten
Mal eingetreten – das Studium von Frauen, zuerst an der
Universität von Göttingen, dann in Berlin, auch in Bres-
lau, Greifswald, Marburg, Heidelberg, München. Rechtens
liegt der Fall ähnlich wie bei der staatlichen Zulassung zum
Maturitätsexamen. Herkömmlich gewähren die deutschen Uni-
versitäten männlichen Personen Zutritt zu ihren Vorlesungen,
auch wenn sie nicht immatriculirt werden können (Beamten,
Offizieren, Gewerbetreibenden u. s. w.). Jn diese Kategorie der
Jmmatriculationsunfähigen gehören nicht durchaus Diejenigen,
welche eines Maturitätszeugnisses ermangeln; unter gewissen
Einschränkungen werden vielmehr auch diese immatriculirt.
Vollends wird Ausländern gegenüber eine milde Praxis hin-
sichtlich der wissenschaftlichen Zulassungsbedingungen geübt. Von
allem jenem Entgegenkommen gegen männliche Zuhörerschaft
verlangten die Frauen zunächst ein Stück, das ihnen durch die
Unterrichtsverwaltung im Zusammenwirken mit den Universitäten
in folgender Weise gewährt wurde. Sie sind unter das Recht
der vom Rector zugelassenen nichtimmatriculirten Zuhörer ge-
stellt, welche als solche nur diejenigen Vorlesungen u. s. w. hören
dürfen, zu welchen sie die Erlaubniß des betreffenden Docenten
erhalten; sie haben aber zuvor die Genehmigung des Unter-
richtsministeriums einzuholen, die sie auf Grund des Nach-
weises zureichender Vorbildung erhalten. Als solche zureichende
Vorbildung haben einzelne Universitäten generell die Quali-
fication einer staatlich geprüften Lehrerin bezeichnet – eine
Qualification, welche regelmäßig bei Ausländerinnen nicht in
Frage kommen kann.

Unter diesen Bedingungen ist eine bescheidene Zahl von
weiblichen Studirenden (in Göttingen vorwiegend für Mathe-
matik und Verwandtes) seit zwei bis drei Jahren in die Hör-

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[203/0219] ist seit einigen Jahren an preußischen Universitäten zum ersten Mal eingetreten – das Studium von Frauen, zuerst an der Universität von Göttingen, dann in Berlin, auch in Bres- lau, Greifswald, Marburg, Heidelberg, München. Rechtens liegt der Fall ähnlich wie bei der staatlichen Zulassung zum Maturitätsexamen. Herkömmlich gewähren die deutschen Uni- versitäten männlichen Personen Zutritt zu ihren Vorlesungen, auch wenn sie nicht immatriculirt werden können (Beamten, Offizieren, Gewerbetreibenden u. s. w.). Jn diese Kategorie der Jmmatriculationsunfähigen gehören nicht durchaus Diejenigen, welche eines Maturitätszeugnisses ermangeln; unter gewissen Einschränkungen werden vielmehr auch diese immatriculirt. Vollends wird Ausländern gegenüber eine milde Praxis hin- sichtlich der wissenschaftlichen Zulassungsbedingungen geübt. Von allem jenem Entgegenkommen gegen männliche Zuhörerschaft verlangten die Frauen zunächst ein Stück, das ihnen durch die Unterrichtsverwaltung im Zusammenwirken mit den Universitäten in folgender Weise gewährt wurde. Sie sind unter das Recht der vom Rector zugelassenen nichtimmatriculirten Zuhörer ge- stellt, welche als solche nur diejenigen Vorlesungen u. s. w. hören dürfen, zu welchen sie die Erlaubniß des betreffenden Docenten erhalten; sie haben aber zuvor die Genehmigung des Unter- richtsministeriums einzuholen, die sie auf Grund des Nach- weises zureichender Vorbildung erhalten. Als solche zureichende Vorbildung haben einzelne Universitäten generell die Quali- fication einer staatlich geprüften Lehrerin bezeichnet – eine Qualification, welche regelmäßig bei Ausländerinnen nicht in Frage kommen kann. Unter diesen Bedingungen ist eine bescheidene Zahl von weiblichen Studirenden (in Göttingen vorwiegend für Mathe- matik und Verwandtes) seit zwei bis drei Jahren in die Hör-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/219>, abgerufen am 03.05.2024.