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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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stand der Dienstboten an ihre erzieherische Thätigkeit stellt.
Wir haben analoge Erscheinungen in den anderen Ländern der
Gegenwart, aber wohl in keinem so sehr, wie in Deutschland,
die seltsame Gewöhnung, daß für die häuslichen Dienste das
Lehrgeld von den Lehrern an die Lehrlinge gezahlt wird. Die
große Mehrzahl des Gesindes, welches aus der elementaren
Scharwerkarbeit zu qualificirten Leistungen emporsteigen will,
setzt sich zu diesem Zwecke in Besitz ihrer Qualification, nicht
bevor sie den Dienst antritt, für den sie sich zu solchen Leistungen
verdingt, sondern erst durch diesen Dienst selber. Unter zehn
Mägden, die sich anheischig machen, als Köchinnen Dienste zu
übernehmen, gibt es nicht zwei, die ordentlich kochen können.
Die Last dieses verschrobenen Zustandes fällt auf die Haus-
frau, und sofern diese ihrer erzieherischen Aufgabe nicht ge-
wachsen ist, auch auf den Hausherrn, der nun das Ungenießbare
genießen muß. Der ganze Umkreis häuslicher Dienstpflichten,
die Reinlichkeit, Ordnung, Lebensart, das Aufwarten u. s. w.,
sie müssen erst erlernt werden und werden nur erlernt je nach
der erzieherischen Befähigung und dem eigenen Können der
Hausfrau. Ja, in jeder kleineren Stadt kennt man bald die
guten Erzieherinnen und die schlechten und weiß, was man aus
deren Händen zu erwarten hat.

Es handelt sich hier scheinbar nur um ein Jnteresse der
vorzugsweise Gesinde haltenden, höhere Anforderungen stellenden
Classen. Jn Wahrheit ist es das Jnteresse der Erziehung für
den eigenen Haushalt, welche die Töchter des Volkes in jener
Gestalt empfangen. Und das Beste, was sie jetzt empfangen,
kommt ihnen später im eigenen Heime zu Gute.

Mit dem hier Gesagten ist ein weiter Blick eröffnet in
die Entfaltung weiblicher Jntelligenz, um denselben dann wieder
zurückzulenken in die nächsten Aufgaben des häuslichen Berufes,

stand der Dienstboten an ihre erzieherische Thätigkeit stellt.
Wir haben analoge Erscheinungen in den anderen Ländern der
Gegenwart, aber wohl in keinem so sehr, wie in Deutschland,
die seltsame Gewöhnung, daß für die häuslichen Dienste das
Lehrgeld von den Lehrern an die Lehrlinge gezahlt wird. Die
große Mehrzahl des Gesindes, welches aus der elementaren
Scharwerkarbeit zu qualificirten Leistungen emporsteigen will,
setzt sich zu diesem Zwecke in Besitz ihrer Qualification, nicht
bevor sie den Dienst antritt, für den sie sich zu solchen Leistungen
verdingt, sondern erst durch diesen Dienst selber. Unter zehn
Mägden, die sich anheischig machen, als Köchinnen Dienste zu
übernehmen, gibt es nicht zwei, die ordentlich kochen können.
Die Last dieses verschrobenen Zustandes fällt auf die Haus-
frau, und sofern diese ihrer erzieherischen Aufgabe nicht ge-
wachsen ist, auch auf den Hausherrn, der nun das Ungenießbare
genießen muß. Der ganze Umkreis häuslicher Dienstpflichten,
die Reinlichkeit, Ordnung, Lebensart, das Aufwarten u. s. w.,
sie müssen erst erlernt werden und werden nur erlernt je nach
der erzieherischen Befähigung und dem eigenen Können der
Hausfrau. Ja, in jeder kleineren Stadt kennt man bald die
guten Erzieherinnen und die schlechten und weiß, was man aus
deren Händen zu erwarten hat.

Es handelt sich hier scheinbar nur um ein Jnteresse der
vorzugsweise Gesinde haltenden, höhere Anforderungen stellenden
Classen. Jn Wahrheit ist es das Jnteresse der Erziehung für
den eigenen Haushalt, welche die Töchter des Volkes in jener
Gestalt empfangen. Und das Beste, was sie jetzt empfangen,
kommt ihnen später im eigenen Heime zu Gute.

Mit dem hier Gesagten ist ein weiter Blick eröffnet in
die Entfaltung weiblicher Jntelligenz, um denselben dann wieder
zurückzulenken in die nächsten Aufgaben des häuslichen Berufes,

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[146/0162] stand der Dienstboten an ihre erzieherische Thätigkeit stellt. Wir haben analoge Erscheinungen in den anderen Ländern der Gegenwart, aber wohl in keinem so sehr, wie in Deutschland, die seltsame Gewöhnung, daß für die häuslichen Dienste das Lehrgeld von den Lehrern an die Lehrlinge gezahlt wird. Die große Mehrzahl des Gesindes, welches aus der elementaren Scharwerkarbeit zu qualificirten Leistungen emporsteigen will, setzt sich zu diesem Zwecke in Besitz ihrer Qualification, nicht bevor sie den Dienst antritt, für den sie sich zu solchen Leistungen verdingt, sondern erst durch diesen Dienst selber. Unter zehn Mägden, die sich anheischig machen, als Köchinnen Dienste zu übernehmen, gibt es nicht zwei, die ordentlich kochen können. Die Last dieses verschrobenen Zustandes fällt auf die Haus- frau, und sofern diese ihrer erzieherischen Aufgabe nicht ge- wachsen ist, auch auf den Hausherrn, der nun das Ungenießbare genießen muß. Der ganze Umkreis häuslicher Dienstpflichten, die Reinlichkeit, Ordnung, Lebensart, das Aufwarten u. s. w., sie müssen erst erlernt werden und werden nur erlernt je nach der erzieherischen Befähigung und dem eigenen Können der Hausfrau. Ja, in jeder kleineren Stadt kennt man bald die guten Erzieherinnen und die schlechten und weiß, was man aus deren Händen zu erwarten hat. Es handelt sich hier scheinbar nur um ein Jnteresse der vorzugsweise Gesinde haltenden, höhere Anforderungen stellenden Classen. Jn Wahrheit ist es das Jnteresse der Erziehung für den eigenen Haushalt, welche die Töchter des Volkes in jener Gestalt empfangen. Und das Beste, was sie jetzt empfangen, kommt ihnen später im eigenen Heime zu Gute. Mit dem hier Gesagten ist ein weiter Blick eröffnet in die Entfaltung weiblicher Jntelligenz, um denselben dann wieder zurückzulenken in die nächsten Aufgaben des häuslichen Berufes,

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/162>, abgerufen am 28.03.2024.