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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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werde nicht mehr im Hause gestrickt, genäht, gestickt, gesponnen,
gewoben, geschneidert, gewaschen, nicht mehr gebacken, ein-
gepökelt, geräuchert, Früchte eingemacht und bald auch nicht
mehr gekocht und gebraten - die "Maschine" habe alles dieses
an sich gezogen, der Markt der Arbeitstheilung, der großen
Jndustrie, der Welthandel habe es entführt und damit die Con-
currenz weiblicher Hausarbeit mattgesetzt. Diese neue Lücke an
Arbeitsgelegenheit im Hause mache die weiblichen Hände leer
an häuslicher Arbeit und daher zunächst an Arbeit überhaupt -
im Gegensatz zu der alten Zeit, in welcher jene Arbeit den
Schwerpunkt weiblicher Thätigkeit bildete. Für diese Lücke gelte
es, Ersatz zu schaffen, durch neue Arbeitsgelegenheit und durch
Fähigkeit zu solcher neuen Arbeit.

Allein wesentlich anders lautet die Ansicht derjenigen Zeugin,
die wir als besonders hörenswerth ausführlicher zu Worte
kommen ließen. Sie meint vielmehr, von den wirklich ein-
getretenen Aenderungen der Productionsweise absehend, es sei
in der That innerhalb der Hauswirthschaft und wesentlich für
dieselben Zwecke immer noch sehr viel zu leisten, und betont
(ohne den auf andere weibliche Berufsarbeiten gerichteten Reform-
bestrebungen entgegenzutreten, ja sie unterstützend), es komme
vor allem darauf an, in diesem von Alters her überkommenen
Gebiete weiblicher Thätigkeit ein ganz anderes Maß weiblicher
Leistungskraft herzustellen. Und auch hiebei steht ihr nicht die
Rücksicht auf eine überlegene Kraft concurrirender Methoden
der heutigen Production im Vordergrund, sondern der allge-
meine Zusammenhang mit weiblicher Tüchtigkeit, weiblicher
Bildung, weiblichem Berufsleben, ja weiblicher Würde gegen-
über dem männlichen Geschlechte.

Nun ist ja die Entwickelungstendenz der Volkswirthschaft,
welche in der ersteren Ansicht zur Geltung gelangt, eine so un-

werde nicht mehr im Hause gestrickt, genäht, gestickt, gesponnen,
gewoben, geschneidert, gewaschen, nicht mehr gebacken, ein-
gepökelt, geräuchert, Früchte eingemacht und bald auch nicht
mehr gekocht und gebraten – die „Maschine“ habe alles dieses
an sich gezogen, der Markt der Arbeitstheilung, der großen
Jndustrie, der Welthandel habe es entführt und damit die Con-
currenz weiblicher Hausarbeit mattgesetzt. Diese neue Lücke an
Arbeitsgelegenheit im Hause mache die weiblichen Hände leer
an häuslicher Arbeit und daher zunächst an Arbeit überhaupt –
im Gegensatz zu der alten Zeit, in welcher jene Arbeit den
Schwerpunkt weiblicher Thätigkeit bildete. Für diese Lücke gelte
es, Ersatz zu schaffen, durch neue Arbeitsgelegenheit und durch
Fähigkeit zu solcher neuen Arbeit.

Allein wesentlich anders lautet die Ansicht derjenigen Zeugin,
die wir als besonders hörenswerth ausführlicher zu Worte
kommen ließen. Sie meint vielmehr, von den wirklich ein-
getretenen Aenderungen der Productionsweise absehend, es sei
in der That innerhalb der Hauswirthschaft und wesentlich für
dieselben Zwecke immer noch sehr viel zu leisten, und betont
(ohne den auf andere weibliche Berufsarbeiten gerichteten Reform-
bestrebungen entgegenzutreten, ja sie unterstützend), es komme
vor allem darauf an, in diesem von Alters her überkommenen
Gebiete weiblicher Thätigkeit ein ganz anderes Maß weiblicher
Leistungskraft herzustellen. Und auch hiebei steht ihr nicht die
Rücksicht auf eine überlegene Kraft concurrirender Methoden
der heutigen Production im Vordergrund, sondern der allge-
meine Zusammenhang mit weiblicher Tüchtigkeit, weiblicher
Bildung, weiblichem Berufsleben, ja weiblicher Würde gegen-
über dem männlichen Geschlechte.

Nun ist ja die Entwickelungstendenz der Volkswirthschaft,
welche in der ersteren Ansicht zur Geltung gelangt, eine so un-

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[130/0146] werde nicht mehr im Hause gestrickt, genäht, gestickt, gesponnen, gewoben, geschneidert, gewaschen, nicht mehr gebacken, ein- gepökelt, geräuchert, Früchte eingemacht und bald auch nicht mehr gekocht und gebraten – die „Maschine“ habe alles dieses an sich gezogen, der Markt der Arbeitstheilung, der großen Jndustrie, der Welthandel habe es entführt und damit die Con- currenz weiblicher Hausarbeit mattgesetzt. Diese neue Lücke an Arbeitsgelegenheit im Hause mache die weiblichen Hände leer an häuslicher Arbeit und daher zunächst an Arbeit überhaupt – im Gegensatz zu der alten Zeit, in welcher jene Arbeit den Schwerpunkt weiblicher Thätigkeit bildete. Für diese Lücke gelte es, Ersatz zu schaffen, durch neue Arbeitsgelegenheit und durch Fähigkeit zu solcher neuen Arbeit. Allein wesentlich anders lautet die Ansicht derjenigen Zeugin, die wir als besonders hörenswerth ausführlicher zu Worte kommen ließen. Sie meint vielmehr, von den wirklich ein- getretenen Aenderungen der Productionsweise absehend, es sei in der That innerhalb der Hauswirthschaft und wesentlich für dieselben Zwecke immer noch sehr viel zu leisten, und betont (ohne den auf andere weibliche Berufsarbeiten gerichteten Reform- bestrebungen entgegenzutreten, ja sie unterstützend), es komme vor allem darauf an, in diesem von Alters her überkommenen Gebiete weiblicher Thätigkeit ein ganz anderes Maß weiblicher Leistungskraft herzustellen. Und auch hiebei steht ihr nicht die Rücksicht auf eine überlegene Kraft concurrirender Methoden der heutigen Production im Vordergrund, sondern der allge- meine Zusammenhang mit weiblicher Tüchtigkeit, weiblicher Bildung, weiblichem Berufsleben, ja weiblicher Würde gegen- über dem männlichen Geschlechte. Nun ist ja die Entwickelungstendenz der Volkswirthschaft, welche in der ersteren Ansicht zur Geltung gelangt, eine so un-

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/146>, abgerufen am 18.04.2024.