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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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folge, das, was gegenwärtig schon in der englischen Schul-
verwaltung, was in den neuenglischen Gemeinwesen jenseit des
Weltmeeres dadurch geleistet wird, sind nach englischer Weise
ein empirischer Unterbau für weitergehende Bestrebungen. Welche
Aussichten diese nun auch haben mögen, und was man sich
auch von ihnen versprechen mag, bis jetzt sind selbst in den
Vereinigten Staaten die Erfolge beschränkte. - Eins ist gewiß:
die deutsche Frauenbewegung handelt weise daran, daß sie diese
Seite der Sache auf sich beruhen läßt. Jm bedauernswerthen
Gegensatze zu englischer Staatsweisheit hat Deutschland mit
unverantwortlicher Plötzlichkeit das allgemeine gleiche Wahlrecht
für seinen Reichstag angenommen, hat unvermittelt das weitest-
gehende Recht auf Voraussetzungen gepflanzt, die nach der
ganzen bisherigen politischen Entwickelung, nach dem Cultur-
zustande mindestens eines sehr großen Theiles der Bevölkerung
das gerade Gegentheil von dem waren, was der gelehrte Tief-
sinn unserer historischen Rechts- und Staatsschulen über die
Continuität des öffentlichen Rechts so lange gepredigt hatte.
Die bitteren Folgen dieses eminent "unhistorischen" Verfahrens
sind nicht ausgeblieben, und sie werden in Zukunft nicht aus-
bleiben; an ihnen wird das deutsche Staats- und Parteileben

britannien namentlich folgende Gesellschaften: 1) The Women's
Franchise League, deren Honorary Secretary Mrs. Jacob Bright
ist. 2) National Society for Women's Suffrage. 3) Central National
Society for Women's Suffrage
. Eine Hauptfrage, die sie scheidet,
ist die, ob verheirathete Frauen eben so wohl das Stimmrecht erhalten
sollen wie unverheirathete Frauen und Wittwen. Die Schrift über
den Stand der Sache ist "Women's Suffrage" von Mr. Ashton Dilke
und Mr. Woodall M. P.; ferner Charlotte Carmichael Stopes,
British Freewomen
. Beide bei Swan Sonnenschein & Co. London
erschienen.

folge, das, was gegenwärtig schon in der englischen Schul-
verwaltung, was in den neuenglischen Gemeinwesen jenseit des
Weltmeeres dadurch geleistet wird, sind nach englischer Weise
ein empirischer Unterbau für weitergehende Bestrebungen. Welche
Aussichten diese nun auch haben mögen, und was man sich
auch von ihnen versprechen mag, bis jetzt sind selbst in den
Vereinigten Staaten die Erfolge beschränkte. – Eins ist gewiß:
die deutsche Frauenbewegung handelt weise daran, daß sie diese
Seite der Sache auf sich beruhen läßt. Jm bedauernswerthen
Gegensatze zu englischer Staatsweisheit hat Deutschland mit
unverantwortlicher Plötzlichkeit das allgemeine gleiche Wahlrecht
für seinen Reichstag angenommen, hat unvermittelt das weitest-
gehende Recht auf Voraussetzungen gepflanzt, die nach der
ganzen bisherigen politischen Entwickelung, nach dem Cultur-
zustande mindestens eines sehr großen Theiles der Bevölkerung
das gerade Gegentheil von dem waren, was der gelehrte Tief-
sinn unserer historischen Rechts- und Staatsschulen über die
Continuität des öffentlichen Rechts so lange gepredigt hatte.
Die bitteren Folgen dieses eminent „unhistorischen“ Verfahrens
sind nicht ausgeblieben, und sie werden in Zukunft nicht aus-
bleiben; an ihnen wird das deutsche Staats- und Parteileben

britannien namentlich folgende Gesellschaften: 1) The Women’s
Franchise League, deren Honorary Secretary Mrs. Jacob Bright
ist. 2) National Society for Women’s Suffrage. 3) Central National
Society for Women’s Suffrage
. Eine Hauptfrage, die sie scheidet,
ist die, ob verheirathete Frauen eben so wohl das Stimmrecht erhalten
sollen wie unverheirathete Frauen und Wittwen. Die Schrift über
den Stand der Sache ist „Women’s Suffrage“ von Mr. Ashton Dilke
und Mr. Woodall M. P.; ferner Charlotte Carmichael Stopes,
British Freewomen
. Beide bei Swan Sonnenschein & Co. London
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[108/0124] folge, das, was gegenwärtig schon in der englischen Schul- verwaltung, was in den neuenglischen Gemeinwesen jenseit des Weltmeeres dadurch geleistet wird, sind nach englischer Weise ein empirischer Unterbau für weitergehende Bestrebungen. Welche Aussichten diese nun auch haben mögen, und was man sich auch von ihnen versprechen mag, bis jetzt sind selbst in den Vereinigten Staaten die Erfolge beschränkte. – Eins ist gewiß: die deutsche Frauenbewegung handelt weise daran, daß sie diese Seite der Sache auf sich beruhen läßt. Jm bedauernswerthen Gegensatze zu englischer Staatsweisheit hat Deutschland mit unverantwortlicher Plötzlichkeit das allgemeine gleiche Wahlrecht für seinen Reichstag angenommen, hat unvermittelt das weitest- gehende Recht auf Voraussetzungen gepflanzt, die nach der ganzen bisherigen politischen Entwickelung, nach dem Cultur- zustande mindestens eines sehr großen Theiles der Bevölkerung das gerade Gegentheil von dem waren, was der gelehrte Tief- sinn unserer historischen Rechts- und Staatsschulen über die Continuität des öffentlichen Rechts so lange gepredigt hatte. Die bitteren Folgen dieses eminent „unhistorischen“ Verfahrens sind nicht ausgeblieben, und sie werden in Zukunft nicht aus- bleiben; an ihnen wird das deutsche Staats- und Parteileben *) *) britannien namentlich folgende Gesellschaften: 1) The Women’s Franchise League, deren Honorary Secretary Mrs. Jacob Bright ist. 2) National Society for Women’s Suffrage. 3) Central National Society for Women’s Suffrage. Eine Hauptfrage, die sie scheidet, ist die, ob verheirathete Frauen eben so wohl das Stimmrecht erhalten sollen wie unverheirathete Frauen und Wittwen. Die Schrift über den Stand der Sache ist „Women’s Suffrage“ von Mr. Ashton Dilke und Mr. Woodall M. P.; ferner Charlotte Carmichael Stopes, British Freewomen. Beide bei Swan Sonnenschein & Co. London erschienen.

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/124>, abgerufen am 28.03.2024.