p2c_762.001 das satyrische Gefühl, wegen der menschlichen Schwächen, p2c_762.002 die unter der thierischen Gestalt gegeisselt werden. p2c_762.003 Zuweilen nähert sich auch die Fabel dem höhern Schönen. p2c_762.004 Einige Fabeln Lessings sind rührend, z. B. vom Lamm p2c_762.005 und der Juno, die des Babrias Aedon kai khelidon ebenfalls. p2c_762.006 Lafontaine erhebt sich nicht selten mit Einbildungskraft p2c_762.007 und Gefühl, wiewol er im Ganzen genommen mehr p2c_762.008 Naivität und Grazie zeigt. Durch den ästhetischenp2c_762.009 Jnhalt wird auch der Styl der Fabel bestimmt. Von dem p2c_762.010 Styl der Fabel kann man drey Gattungen annehmen, den p2c_762.011 ganz einfachen der Griechen, den Lafontainischenp2c_762.012 geselligen Weltton, den epigrammatischen Styl Lessings. p2c_762.013 Das Centrum des durch diese drey Punkte bestimmten p2c_762.014 Zirkels ist von wenigen Fabeldichtern getroffen. Das p2c_762.015 beste Muster giebt uns Babrias in den paar griechischen p2c_762.016 Fabeln, die wir noch haben. Sein Styl ist einfach, edel, p2c_762.017 naiv. Einfach muß der Styl der Fabel seyn, weil der p2c_762.018 Gegenstand, wegen seiner praktischen Tendenz eine gewisse p2c_762.019 Würde hat, und das Ganze leicht durchschaut werden muß, p2c_762.020 wie jede nüchterne Lebensphilosophie. Lafontaine versteigt p2c_762.021 sich zuweilen, wiewol im Scherz, in die Regionen p2c_762.022 der Metaphysik, z. B. der Cartesischen. Hier geht er freylich p2c_762.023 über die Sphäre der eigentlichen Fabel hinaus; und p2c_762.024 sein Styl wird dann minder einfach: Wenn er die Parthey p2c_762.025 der Thiere nimmt, und eine gewisse geistige Natur derselben p2c_762.026 behauptet, so ist seine Philosophie allerdings der Theorie der p2c_762.027 Fabel gemäß. Doch ist das mehr Reflexion über die Fabel, p2c_762.028 als eigentliche Fabelpoesie. Die Lafontainische Fabel ist
p2c_762.001 das satyrische Gefühl, wegen der menschlichen Schwächen, p2c_762.002 die unter der thierischen Gestalt gegeisselt werden. p2c_762.003 Zuweilen nähert sich auch die Fabel dem höhern Schönen. p2c_762.004 Einige Fabeln Lessings sind rührend, z. B. vom Lamm p2c_762.005 und der Juno, die des Babrias Αηδων και χελιδων ebenfalls. p2c_762.006 Lafontaine erhebt sich nicht selten mit Einbildungskraft p2c_762.007 und Gefühl, wiewol er im Ganzen genommen mehr p2c_762.008 Naivität und Grazie zeigt. Durch den ästhetischenp2c_762.009 Jnhalt wird auch der Styl der Fabel bestimmt. Von dem p2c_762.010 Styl der Fabel kann man drey Gattungen annehmen, den p2c_762.011 ganz einfachen der Griechen, den Lafontainischenp2c_762.012 geselligen Weltton, den epigrammatischen Styl Lessings. p2c_762.013 Das Centrum des durch diese drey Punkte bestimmten p2c_762.014 Zirkels ist von wenigen Fabeldichtern getroffen. Das p2c_762.015 beste Muster giebt uns Babrias in den paar griechischen p2c_762.016 Fabeln, die wir noch haben. Sein Styl ist einfach, edel, p2c_762.017 naiv. Einfach muß der Styl der Fabel seyn, weil der p2c_762.018 Gegenstand, wegen seiner praktischen Tendenz eine gewisse p2c_762.019 Würde hat, und das Ganze leicht durchschaut werden muß, p2c_762.020 wie jede nüchterne Lebensphilosophie. Lafontaine versteigt p2c_762.021 sich zuweilen, wiewol im Scherz, in die Regionen p2c_762.022 der Metaphysik, z. B. der Cartesischen. Hier geht er freylich p2c_762.023 über die Sphäre der eigentlichen Fabel hinaus; und p2c_762.024 sein Styl wird dann minder einfach: Wenn er die Parthey p2c_762.025 der Thiere nimmt, und eine gewisse geistige Natur derselben p2c_762.026 behauptet, so ist seine Philosophie allerdings der Theorie der p2c_762.027 Fabel gemäß. Doch ist das mehr Reflexion über die Fabel, p2c_762.028 als eigentliche Fabelpoesie. Die Lafontainische Fabel ist
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das satyrische Gefühl, wegen der menschlichen Schwächen, p2c_762.002
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und der Juno, die des Babrias Αηδων και χελιδων ebenfalls. p2c_762.006
Lafontaine erhebt sich nicht selten mit Einbildungskraft p2c_762.007
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der Metaphysik, z. B. der Cartesischen. Hier geht er freylich p2c_762.023
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 762. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/286>, abgerufen am 16.02.2025.
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